Salihamidzic: Der Bayern-Aufstieg des «Bürschchens»

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Deutschland,

«Notlösung? Ich fühle mich überhaupt nicht so.» Mit diesen Worten startete Hasan Salihamidzic 2017 in seine zweite Bayern-Karriere. Als Sportdirektor war er eine Kompromisslösung der Bosse Rummenigge und Hoeness. Im Anzug strebt er an, was ihm schon in kurzen Hosen glückte.

Bayern München
Münchens Sportdirektor Hasan Salihamidzic. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die zweite Karriere von Hasan Salihamidzic beim FC Bayern entstand eher zufällig weit entfernt von München in Asien.

Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeness waren im Sommer 2017 auf einer PR-Tour des deutschen Fussball-Rekordmeisters mit Spielen in China und Singapur viel zusammen unterwegs. Sie suchten schon länger nach einem Ausweg aus der Sackgasse bei der Besetzung des Sportdirektorpostens. Die Lösung, die alle verblüffte, fanden sie dann schliesslich vor Ort in dem ehemaligen Bayern-Profi Salihamidzic, der vor drei Jahren als Markenbotschafter des Vereins in Fernost mit dabei war.

«Notlösung? Ich fühle mich überhaupt nicht so», sagte Salihamidzic wenige Tages später zurück in München bei seiner Präsentation am letzten Julitag 2017. Nach einem «Gang durchs Stahlbad» (Hoeness) steigt der Bosnier an diesem Mittwoch zum Sportvorstand auf. Die Beförderung hatte der Aufsichtsrat des deutschen Branchenführers im vergangenen Dezember beschlossen. Salihamidzic sei «der richtige Mann, um die sportliche Zukunft des FC Bayern zu gestalten und zu verantworten», begründete Aufsichtsratschef Herbert Hainer.

Die Position des Sportvorstands war seit dem Abgang von Matthias Sammer 2016 unbesetzt. Salihamidzic empfindet seine Ernennung als «Ehre». Er hat's mal wieder geschafft. Er hat's wieder allen gezeigt, die an ihm zweifelten. So wie 1998, als er mit 21 Jahren als Talent vom Hamburger SV zum grossen FC Bayern wechselte. Auch damals wurde Brazzo, wie sein bosnischer Spitzname lautet, unterschätzt. Das «Bürschchen» erkämpfte sich mit Fleiss und Hartnäckigkeit einen Platz im Münchner Starensemble und wurde 2001 Champions-League-Sieger.

Vom Management-Anfänger zum Vorstandsmitglied - das ist der nächste steile Aufstieg, auch wenn er wieder steinig war. Salihamidzic startete als Kompromisslösung der Münchner Alphatiere Rummenigge, der zuvor vergeblich Ex-Kapitän Philipp Lahm umgarnt hatte, und Hoeness, der eher mit dem Gladbacher Macher Max Eberl als Sportdirektor liebäugelte. Brazzo, das «Bürschchen», trat dann als Sportdirektor mit einem Versprechen an, dem er nahekommen sollte. Er werde «24 Stunden, sieben Tage die Woche» für Bayern und das Team da sein.

Ein Profil zu entwickeln, fiel ihm anfangs insbesondere in der Aussendarstellung schwer. Aber er hatte früh im Leben gelernt, ein Kämpfer zu sein. «Als Kind habe ich den Krieg erlebt und musste meine Heimat Bosnien, meine Familie verlassen.» So etwas prägt Menschen.

Hoeness und Rummenigge mussten den Mann ihrer Wahl immer wieder gegen Kritik von aussen verteidigen. «Er ist ein junger Mensch - und für die Ausbildung als Sportdirektor gibt es keine Uni, die dich darauf vorbereitet. Du musst ins Wasser springen - und vom ersten Tag an ohne Reifen schwimmen», sagte Rummenigge Ende letzten Jahres.

Seinen stetig gewachsenen «Verantwortungsbereich» benennt Salihamidzic mit Stolz: «Profis, Nachwuchs, Kaderplanung, sämtliche Funktionsteams, Scouting, Transfermarkt, Entwicklung der Datenanalyse.» Das alles betreut er weiter in der neuen Funktion. «An den Aufgaben verändert sich nicht viel», meint er selbst. Die Vorstandssitzungen kämen halt hinzu, «ein wenig mehr Verantwortung». Am ehesten könnte sich die Wahrnehmung seiner Person verändern.

Der 43-Jährige sieht sich mit dem designierten Vorstandsboss Oliver Kahn (51) als die «Next Generation» im Management des Rekordmeisters. Hoeness (68) hat sich Ende 2019 aus der Präsidentenamt zurückgezogen, der 64-jährige Rummenigge räumt den Vorstandsvorsitz Ende 2021 für Nachfolger Kahn. «Wir haben einen sehr guten Draht zueinander», betont Brazzo. Neun Jahre liefen der Torwart Kahn und der Angreifer Salihamidzic zusammen im Bayern-Trikot auf. Krönung war der Gewinn der Champions League 2001 in Mailand. Daraus ergibt sich das neue Leitmotiv, das Salihamidzic am liebsten so formuliert. «Wir wollen die Champions League auch im Anzug zusammen gewinnen.»

Vielleicht klappt's schon im August, beim Endturnier in Lissabon. Vorher soll an diesem Samstag der nächste DFB-Pokal-Gewinn in Berlin gegen Bayer Leverkusen gefeiert werden. Es wäre das zweite Double in drei Salihamidzic-Jahren als Sportdirektor.

Als Sportvorstand muss er gemeinsam mit den Vorstandskollegen um Rummenigge und Kahn die Zukunft gestalten - und das in schwierigen Corona-Zeiten. Hansi Flick ist nach Carlo Ancelotti und Niko Kovac schon der dritte Trainer in der Schaffenszeit von Salihamidzic. Und Flick hat klare Vorstellungen, auch in Transfer- und Personalfragen.

Salihamidzic wird an deren Umsetzung gemessen, an Tops und Flops. Der 19-jährige Kanadier Alphonso Davies war sein grösster Volltreffer. Die Nachwuchsarbeit am Bayern-Campus trägt Früchte. Ein Millionenwechsel von Nationalspieler Leroy Sané von Manchester City zurück in die Bundesliga könnte sein Ansehen als Einkäufer mehren. Die kontrovers diskutierte ablösefreie Verpflichtung von Schalke-Torwart Alexander Nübel war ebenfalls sein Werk. «Unsere Mannschaft zu verstärken, ist nicht einfach», sagt Salihamidzic. Einfach war auch sein eigener Weg vom Sportdirektor zum Sportvorstand des FC Bayern nicht.

© dpa-infocom, dpa:200630-99-615995/2

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