Erneute Demütigung statt erhoffter Wiedergutmachung. Wie schon beim 0:4 in München präsentierte sich der BVB auch beim 3:3 gegen Paderborn desolat. Trainer Lucien Favre soll dennoch vorerst weitermachen - zumindest bis zum Spiel am Mittwoch in Barcelona.
Dortmunds Trainer Lucien Favre bei der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Paderborn. Foto: Bernd Thissen/dpa
Dortmunds Trainer Lucien Favre bei der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Paderborn. Foto: Bernd Thissen/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Vereinsbosse tagten bis tief in die Nacht, die Profis am nächsten Morgen.
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Nach der erneut desolaten Vorstellung der Mannschaft beim 3:3 (0:3) gegen das Bundesliga-Schlusslicht SC Paderborn herrschte bei Borussia Dortmund auf allen Ebenen grosser Gesprächsbedarf.

Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob eine weitere Zusammenarbeit mit Fussball-Lehrer Lucien Favre noch Sinn ergibt. Michael Zorc verkündete am Nachmittag das Ergebnis.

«Wir gehen mit Lucien Favre in das Spiel in Barcelona und erwarten, dass wir da eine deutliche Leistungssteigerung sehen», sagte der Sportdirektor den Zeitungen der «Funke Mediengruppe».

Zu diesem Entschluss kam laut «Bild» und «Sportbild» eine erste Krisenrunde, an der neben Zorc auch Geschäftsführer Hans- Joachim Watzke, Club-Justiziar Robin Steden, der Anwalt und Watzke-Vertraute Thilo Igwecks sowie Watzkes Sohn André nach dem Abpfiff im Stadion teilgenommen haben sollen. Watzke will sich nach eigenem Bekunden auf der Jahreshauptversammlung des Revierclubs am Sonntagvormittag ebenfalls zur Personalie Favre äussern.

Schon vorher liess Sportdirektor Zorc erkennen, dass Favre vorerst nur auf Bewährung weitermacht: «Es ist ja klar, dass das Thema öffentlich diskutiert wird, denn unsere Situation ist mehr als unbefriedigend. Natürlich analysieren wir das sehr intensiv.»

Trotz des vorläufigen Festhaltens an Favre stehen die Zeichen auf Trennung. Denn der Versuch der Mannschaft, sich für die Schmach im Ligagipfel zwei Wochen zuvor beim FC Bayern (0:4) zu rehabilitieren, schlug mächtig fehl. Vor allem die erste Halbzeit mit Gegentoren durch Streli Mamba (5./37.) und Gerrit Holtmann (43.) glich einem Offenbarungseid, der in der jüngsten BVB-Geschichte seinesgleichen sucht. «Das war mit die schlimmste erste Halbzeit, die wir hier seit vielen Jahren im eigenen Stadion gesehen haben», kommentierte Zorc.

Im Beisein von Favre liess die Mannschaft am Morgen nach dem Spiel den peinlichen Auftritt gegen Paderborn Revue passieren. Deshalb begann das Training mit zweistündiger Verspätung. «Die Mannschaft hat sich heute mit dem Trainer zusammengesetzt und intensiv diskutiert. Viele haben sich zu Wort gemeldet, das war sehr selbstkritisch», verriet Zorc.

Selbst die Tore von Jadon Sancho (47.), Axel Witsel (84.) und Marco Reus (90.+2) zum glücklichen Remis konnten die Fans nicht besänftigen. Mit lauten Pfiffen und vereinzelten «Favre-raus»-Rufen bekundeten sie ihren Unmut. «Diese Pfiffe gab es heute absolut zurecht», kommentierte Abwehrchef Mats Hummels, «das war von uns in fast allen Belangen einfach viel zu wenig.» Kapitän Reus pflichtete bei: «Man hat sich richtig geschämt. So dürfen wir nie, nie wieder auftreten. Das war absolute Scheisse.»

Die Gründe für die anhaltende Talfahrt des selbsterklärten Titelaspiranten sehen beide Profis jedoch weniger bei Favre als vielmehr bei der Mannschaft. «Ich würde mal ganz deutlich sagen, dass das nichts mit der Trainerposition zu tun hat, wenn wir einfach ohne Druck die Bälle herschenken», befand Hummels. Ähnlich äusserte sich Nationalspieler Reus: «Der Trainer stellt uns immer gut ein, aber wir bekommen es nicht auf den Platz. Jeder muss sich an die eigene Nase fassen. Darüber müssen wir reden, nicht über unseren Trainer

Fraglich ist, ob diese Fürsprache zum Verbleib von Favre beiträgt. Der 62-Jährige wirkte ähnlich niedergeschlagen wie die Vereinsbosse und seine Profis. «Wir werden das zusammen analysieren, das ist sehr, sehr nötig. Das kann nicht so weitergehen», bekannte er. Seinen Glauben an einen Verbleib beim BVB hat er jedoch noch nicht aufgegeben: «Das einzig Gute war, dass wir nach dem 0:3 eine Reaktion gezeigt haben. Ich versuche weiter, positiv zu denken.»

Auf die Frage, ob er sich von seinem Team im Stich gelassen gefühlt habe, antwortete er: «Nein, nein, ich stehe immer hinter meiner Mannschaft. Aber natürlich sind wir alle enttäuscht. Diese Leistung ist schwer zu erklären.»

Mehr und mehr gehen dem Coach die Argumente aus. Trotz der üppigen Sommer-Investitionen in den Kader von 130 Millionen Euro entwickelt sich sein Team im Vergleich zur vergangenen Vizemeister-Saison eher zurück. Zudem geniesst er auch in Fan-Kreisen keinen Rückhalt mehr. Die wenigen Anhänger, die sich am Samstag vor dem verschlossenen Trainingsgelände ein Bild von der Lage machen wollten, waren einer Meinung. Die wachsende Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit kann nur ohne Favre wieder geschlossen werden.

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