FC Sion: Anton Miranchuk im Interview
Anton Miranchuk, prominenter Neuzugang beim FC Sion, spricht im Interview über seine Kindheit mit Zwillingsbruder Aleksey, die Karriere und den Start im Wallis.
Das Wichtigste in Kürze
- Der FC Sion verpflichtet kurz vor Schluss des Transfermarktes Anton Miranchuk.
- Nau.ch hat den russischen Nationalspieler im Wallis zum Interview getroffen.
- Miranchuk spricht auch über seine Kindheit mit Zwillingsbruder Aleksey.
- Am Sonntag im Heimspiel gegen Lugano (16.30 Uhr) könnte er zum Debüt kommen.
28 Mal hat Anton Miranchuk bisher für die russische Nationalmannschaft gespielt. Kurz vor Transferschluss hat der 28-Jährige in der Super League beim FC Sion unterschrieben. Nau.ch hat ihn zum grossen Interview getroffen.
Nau.ch: Sie sind in Slavyans am Schwarzen Meer aufgewachsen, wie waren Ihre Kindheit und Jugend?
Anton Miranchuk: Meine Eltern haben sich getrennt, als mein Zwillingsbruder und ich noch klein waren und wir sind bei der Mutter aufgewachsen. Wir hatten eine wunderbare Kindheit, ich habe schöne Erinnerungen. Auch unser Cousin war stets in der Nähe und wir haben oft draussen gespielt, natürlich meistens Fussball.
Nau.ch: Wie sind Sie denn zum Fussball gekommen?
Miranchuk: Alles hat im Quartier auf den Strassen angefangen. Es gab viele Jungs in unserem Alter und so haben wir angefangen, jeden Tag zu kicken. Später hat sich ein Trainer um uns gekümmert, ein Team gebildet und wir machten bei Turnieren mit. Aber es waren keine Clubstrukturen vorhanden, alles war sehr ungezwungen.
Nau.ch: Wie ist es, mit einem Zwillingsbruder aufzuwachsen, der ebenfalls Fussball spielt?
Miranchuk: Es war natürlich das grosse Thema, es drehte sich fast alles um den Fussball. Mein Bruder war und ist ein bisschen der ruhigere Typ und ich bin ein bisschen emotionaler. Wir sind zwar Zwillinge, aber dennoch unterschiedliche Menschen.
Nau.ch: Gab es einen Konkurrenzkampf zwischen Ihnen und Aleksey?
Miranchuk: Ja, ich denke schon. Es war uns damals vielleicht nicht ganz bewusst, aber letztlich war es eine dauernde Konkurrenz. Aber auf eine gute Art und Weise.
Nau.ch: Dann sind Sie ins weit entfernte Moskau, zuerst zu Spartak und dann zu Lokomotive, gegangen. Wie ist das damals passiert?
Miranchuk: Talentsucher von Spartak Moskau waren in der Region unterwegs und haben uns entdeckt. Insgesamt waren wir etwa zehn Jungs, die die Möglichkeit hatten, nach Moskau zu gehen und in die Akademie von Spartak einzutreten. Wir waren alle ungefähr 12 Jahre alt.
Nau.ch: Hat das Ihre Mutter erlaubt?
Miranchuk: Das ist eine spezielle Geschichte. Meine Mutter war Kindergärtnerin von Beruf und hat den Club angefragt, ob es in der Akademie noch einen Job als Betreuerin gab. Es hat geklappt und wir gingen alle drei nach Moskau.
Nau.ch: War das wichtig für Sie, dass Ihre Mutter auch nach Moskau mitkam?
Miranchuk: Ja, sehr. Viele Jungs hatten starkes Heimweh, für meinen Bruder und mich war es einfacher, weil unsere Mutter da war. Das hat uns sehr geholfen und wir konnten uns auf den Fussball und die Schule konzentrieren.
Nau.ch: Später wechselten Sie beide zu Lokomotive Moskau und haben sehr lange dort gespielt.
Miranchuk: Ja, wir waren fast 13 Jahre lang bei Lok. Die technische Ausbildung, auf die bei Spartak grossen Wert gelegt wird, hat uns geprägt. Aber dann erhielten wir bei Lok bessere Möglichkeiten.
Nau.ch: War es kein Problem, zu einem Stadtrivalen in Moskau zu wechseln?
Miranchuk: Nein, eine sehr intensive Rivalität gibt es zwischen Spartak und ZSKA Moskau. Für die Fans von Lok ist Torpedo Moskau der grosse Rivale. Aber Torpedo ist schon länger nicht mehr in der höchsten Liga.
Nau.ch: Was bedeutete das für Sie? Sind sie trotz der Vergangenheit bei Spartak ein Lok-Spieler?
Miranchuk: Ich denke schon. Lok ist ein sehr familiärer Verein, man hat grossen Respekt untereinander. Auch das Verhältnis zwischen dem Club, den Spielern und den Fans ist sehr positiv.
Nau.ch: 2020 wechselte Ihr Bruder Aleksey zu Atalanta Bergamo nach Italien. Wie war die Trennung für Sie?
Miranchuk: Es war nicht so schlimm, wie man vielleicht annehmen würde. Klar, wir sind Zwillinge und waren unser ganzes Leben zusammen. Aber wir waren vorbereitet, weil wir wussten, dass wir wahrscheinlich nicht immer zusammen beim selben Club spielen würden. Und er hat ein grosses Ziel erreicht und mit Atalanta die Europa League gewonnen, das ist wunderbar.
Nau.ch: Jetzt spielt Ihr Bruder in den USA, wie halten Sie Kontakt über die grosse Distanz?
Miranchuk: Die zeitliche Differenz passt eigentlich ganz gut. Wenn ich hier bei Sion das Training fertig habe, rufe ich ihn an und kann ihm einen schönen Tag wünschen (lacht).
Nau.ch: Jetzt sind Sie in der Schweiz. Was bedeutet das für Sie?
Miranchuk: Ich bin froh, wieder einen Club gefunden und diese Chance erhalten zu haben. Jetzt ist alles noch neu, aber ich werde mich schnell zurechtfinden. Im Moment lebe ich noch im Hotel, bald werden meine Frau und mein kleiner Sohn auch in die Schweiz kommen, darauf freue ich mich. Dann werden wir eine Wohnung in der Region suchen.
Nau.ch: Was wussten Sie vorher über die Schweizer Liga?
Miranchuk: Natürlich wusste ich nicht allzu viel, aber ich habe mich entsprechend informiert. Und ich habe mit Anton Mitryushkin gesprochen, der einst in Sion gespielt hatte. (Mitryushkin spielte von 2016 bis 2020 bei Sion und ist jetzt bei Lok Moskau unter Vertrag, Anm. d. Red)
Nau.ch: Und was hat er gesagt?
Miranchuk: Er hat nur Gutes erzählt (lacht)!
Nau.ch: Wie ist eigentlich der Kontakt zu Sion zustande gekommen?
Miranchuk: Bart und Christian Constantin haben über meinen Berater Kontakt aufgenommen und mir schliesslich eine Offerte unterbreitet. Ich habe in aller Ruhe mit meinem Bruder und meiner Frau darüber gesprochen und dann habe ich zugesagt.
Nau.ch: Welches ist der erste Eindruck vom Wallis und vom FC Sion?
Miranchuk: Ich habe viel über die Schweiz gelesen und Bilder gesehen. Aber als ich dann hier ins Wallis kam, war ich überwältigt. Es ist ein sehr schöner Ort. Beim Club fühle ich mich sehr gut, die Stimmung im Team ist gut und ich bin gut aufgenommen worden.
Nau.ch: Was haben Sie für sportliche Erwartungen mit Ihrem neuen Club?
Miranchuk: Ich hoffe natürlich, mit dem Club Erfolge zu feiern und möglichst einen Pokal zu gewinnen. Darum geht es schliesslich im Fussball – ums gewinnen.
Nau.ch: Und persönlich?
Miranchuk: Es geht in den nächsten Tagen und Wochen darum, das Spielsystem kennenzulernen und meine Rolle zu finden. Wir sind mit dem Trainer und dem Staff daran, zu erarbeiten, auf welche Art ich der Mannschaft am meisten bringen kann.
Nau.ch: Welches ist Ihre Lieblingsposition?
Miranchuk: Ich sehe mich als offensiven Mittelfeldspieler und Spielmacher. Aber ich spiele natürlich dort, wo mich der Trainer braucht. Ich freue mich schon auf meine ersten Einsätze und das erste Heimspiel. Ich bin gespannt auf die Stimmung im Stadion.
Nau.ch: Werden Sie am Sonntag im Spiel gegen Lugano schon bereit sein für einen Einsatz?
Miranchuk: Ich hoffe es, es sieht gut aus. Ob ich von Anfang spiele oder auf der Bank sitze, entscheidet der Trainer. Aber grundsätzlich bin ich bereit.