Frauen-WM rückt in den Fokus - FIFA-Boss sieht «neue Ära»
Die 8. Weltmeisterschaft in Frankreich soll den Frauenfussball auf dem Globus auf die nächste Ebene heben. Der wiedergewählte FIFA-Boss Infantino spricht von einer «neuen Ära» und einer «Explosion des Frauenfussballs». Doch bis zur Gleichstellung ist der Weg noch weit.
Das Wichtigste in Kürze
- Schon bevor der Anpfiff zur Frauenfussball-WM in Frankreich ertönt, verspricht der gerade wiedergewählte FIFA-Chef Gianni Infantino eine «Explosion des Frauenfussballs».
Der Schweizer prophezeite vor der Eröffnung am 7. Juni (21.00 Uhr/ZDF) mit dem Spiel des Gastgebers gegen Südkorea im Pariser Prinzenpark gar: «Die WM wird die beste Frauen-Endrunde aller Zeiten.»
In der Tat könnte die achte Auflage der WM ein Meilenstein werden. Ein Mammutturnier ist es schon jetzt. Vom 7. Juni bis 7. Juli bestreiten 24 Teams - darunter die WM-Neulinge Chile, Jamaika, Schottland und Südafrika - über 31 Tage 52 Spiele in neun französischen Städten. «Der Frauenfussball boomt», betont der 49 Jahre alte Infantino. «Er füllt die grössten Stadien der Welt und stösst bei Fans und Medien weltweit auf immenses Interesse. Er steckt in einer neuen Ära.»
Vollmundig verspricht der Weltverband in seinem Strategieplan für den Frauenfussball, die Zahl der Spielerinnen binnen zehn Jahren weltweit auf 60 Millionen zu erhöhen. Auf einer zweitägigen Frauenfussball-Tagung diskutieren Persönlichkeiten und Führungskräfte aus Sport, Politik und Gesellschaft bis Freitag in Paris erstmals gemeinsam über die Zukunft, Entwicklungs- und Vermarktungspotenziale des beliebtesten Sports für Mädchen und Frauen.
Ein zentrales Thema des Kongresses ist auch die neu aufflammende Diskussion um die Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Bezahlung im professionellen Fussball. «Die sehnlichst erwartete WM wird eindrucksvoll zeigen, dass sportliche Klasse nicht vom Geschlecht abhängt, und junge Frauen für den Fussball begeistern und sie dazu inspirieren, diesen Sport auf eine noch höhere Stufe zu hieven», sagt FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura. Mit dem Kongress wolle die FIFA «ein starkes Zeichen setzen» und den Willen bekräftigen, den Fussball für alle zu öffnen und geschlechtsbedingte Diskriminierung zu bekämpfen.
Die Forderungen nach gleicher Behandlung bei Prämien werden immer lauter. Im Land des WM-Titelverteidigers USA gibt es schon lange eine von Ex-Nationaltorhüterin Hope Solo angeführte Bewegung zur Gleichstellung vom kickenden Männern und Frauen, zumal die Mannschaft um Starspielerin Alex Morgan erheblich erfolgreicher ist als die männlichen Kollegen. Einige Spielerinnen verklagten sogar bereits den US-Fussballverband, um gleiche Rechte zu erstreiten.
Als einer der wenigen Verbände zahlen die Norweger ihren Spielerinnen mittlerweile die gleichen Prämien wie den Nationalspielern. Ada Hegerberg genügte das erstrittene Entgegenkommen nicht. Aus Frust und nach einem heftigen Streit mit dem Verband über die ihrer Meinung nach unfaire Behandlung und Benachteiligung der Nationalspielerinnen erklärte die 23-Jährige vom Champions-League-Sieger Olympique Lyon vor zwei Jahren nach 66 Länderspiele ihren Rücktritt aus dem Nationalteam. Sie fühlte sich in dem Zwist «mental gebrochen», erklärte sie kürzlich dem norwegischen Fussball-Magazin «Josimar».
Für das Team ist ihr Fehlen bei der WM ein schmerzlicher Verlust, denn die 2018 mit dem «Ballon d’Or» ausgezeichnete Stürmerin ist sportlich nicht zu ersetzen. Bei der Ehrung als beste Fussballerin der Welt war es zum Eklat gekommen, als der französische TV-Moderator sie aufforderte, mit dem Po zu wackeln. Nicht zuletzt deshalb geht es Hegerberg um mehr als Geld, es geht um Respekt und die gleichen Chancen für Mädchen, ihre Träume zu verwirklichen. «Es kann hart sein, allein für etwas einzustehen, an das man glaubt», erklärte die Stürmerin, die für ihre harte Haltung auch Kritik einstecken muss, dem TV-Sender CNN. Aber sie bereit, «das auszuhalten, um für meine Werte und Überzeugungen einzustehen und meinen Weg zu gehen.»
Die Diskussionen werden weitergehen, doch von Freitag an tritt das Sportliche in den Vordergrund. Die Auswahl von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gehört wie sieben, acht weitere Teams zum Kreis der Titelanwärter und greift am 8. Juni (15.00 Uhr/ARD und DAZN) mit ihrem Auftaktspiel in Rennes gegen China ins Geschehen ein.
Ob der zweimalige Welt- und achtmalige Europameister nach einer Durststrecke wieder um den WM-Sieg spielen kann, ist schwer zu sagen. Das Potenzial des DFB-Teams ist vielleicht so gross wie bei keiner anderen Mannschaft. Aber: «Die Leistungsdichte ist viel grösser geworden», betonte die 51-jährige Voss-Tecklenburg. «Wenn wir unsere Leistung auf dem Platz bringen, kommen wir auch sehr weit.»