Fussball-Talk: Rot bei Görtler gaga, YB-Titel kein Selbstläufer
Meister YB zeigt in Basel ein schwaches Spiel und verliert, der FCZ kassiert eine Derby-Pleite – Und in St.Gallen ist man hässig. Willkommen beim Fussball-Talk.
Das Wichtigste in Kürze
- Der FC Basel gewinnt gegen ein schwaches YB und bestätigt den Aufwärtstrend.
- Eine Rote Karte gegen FCSG-Görtler gibt beim 1:4 gegen Lugano zu reden.
- Luzern dreht in Unterzahl ein Spiel gegen Lausanne.
- Sportchef Christoph Böhlen und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: Erstmals seit Juli 2020 gewinnt der FC Basel gegen YB. Wie habt Ihr das Spiel gesehen?
Mischi Wettstein: Ich habe gar nicht gewusst, dass der amtierende Meister so schlecht spielen kann. Aber ich glaube: Diese Mannschaft, ohne Nsame, Garcia und die Afrika-Cup-Kicker, ist gar nicht viel besser. Trotzdem bin ich überzeugt: Wenn Elia und Camara bei YB zurück sind, sieht es wieder ganz anders aus.
Christoph Böhlen: Nach guten Startminuten war bei YB nach dem 0:1 der Stecker gezogen. Es fehlten die Ideen und die Leidenschaft. Was mir auffällt: Nach den wichtigen Abgängen in dieser Saison fehlten bei den Bernern die Leaderfiguren. Gerade aus dem Zentrum kam zuwenig, man konnte das Zepter zu selten in die Hand nehmen. Dem FCB genügte eine kämpferische und solidarische Leistung – viel mehr war gegen dieses YB nicht nötig.
Nau.ch: Wird das Meisterschaftsrennen jetzt doch wieder spannend?
Mischi Wettstein: Nein! Dazu hätten die St.Galler gestern die Chance nach dem YB-Ausrutscher nutzen müssen.
Christoph Böhlen: Ich zweifle daran, dass der nächste Titel für YB ein Selbstläufer wird. Die ungewohnte Unruhe um Nsame oder die Zukunft von Trainer Wicky sorgen zumindest im Umfeld für Diskussionen. Zudem wirkt YB derzeit auf und neben dem Platz längst nicht so souverän, wie in anderen Jahren. Was bisher für die Berner spricht: Auch von den Verfolgern macht niemand einen unwiderstehlichen Eindruck.
Nau.ch: Rücken für den FC Basel jetzt die Top-6 näher?
Mischi Wettstein: Sie müssen einfach diese Pace beibehalten, dann stimmt die Richtung. Es wartet aber jetzt die Woche der Wahrheit für das Team von Fabio Celestini: Holen die Bebbi gegen Winterthur und Lugano sechs Punkte, sieht es schon recht freundlich aus.
Man sieht: Benjamin Kololli und Nicolas Vouilloz sind clevere Zuzüge, die dem FCB sofort weiterhelfen. Für den endgültigen Aufwärtstrend fehlt jetzt eigentlich nur noch das langersehnte Liga-Tor von Thierno Barry.
Christoph Böhlen: Celestini hat den Hebel zumindest am richtigen Ort angesetzt: Die Basler Defensive ist deutlich stabiler geworden, seit vier Spielen hat man kein Gegentor kassiert. Ob das alleine reicht? In der Offensive haben mich die Bebbi bisher noch nicht überzeugt – Barry, Jovanovic und Co. lassen grüssen.
Nau.ch: Blicken wir auf den ersten YB-Verfolger: Der FCSG kassiert eine frühe Rote Karte und verliert dann gegen Lugano erstmals in dieser Saison ein Heimspiel.
Mischi Wettstein: Da bin ich einfach fassungslos, als Fussball-Fan kann ich nur noch den Kopf schütteln. Dann höre ich, wie Schiri Fähndrich über den Platzverweis gegen Görtler sagt: «Mein Fussballer-Herz schmerzt, aber die Regel ist so.» Da muss ich sagen: Dann lasst doch den Mist und pfeift so, wie ihr es empfindet. So macht das keinen Sinn, ich verstehe den Ärger der Ostschweizer zu 100 Prozent!
Trotzdem: Man kann diese Niederlage nicht nur der Roten Karte und der Geubbels-Verletzung zuschieben. Dass es auch mit zehn Mann gehen kann, hat der FC Luzern bewiesen.
Christoph Böhlen: Hier muss ich Schiri Fähndrich in Schutz nehmen: Es ist die Regel, die das ganze so unverständlich macht – nicht der Entscheid. Aber klar: Diese Regel müsste dringend angepasst werden.
Dass es ausgerechnet wieder bei einem Spiel von Fähndrich passiert, der vor Wochenfrist mit Gelb-Rot gegen FCB-Beney für Ärger sorgt, hat natürlich die Emotionen zusätzlich angeheizt.
Nau.ch: Was hat denn der FC Luzern in Unterzahl gegen Lausanne besser gemacht, als der FCSG gegen Lugano?
Mischi Wettstein: Die Lausanner haben wohl bis heute nicht verstanden, wie sie das Spiel verlieren konnten. Doch es ist ganz einfach: Hätten Sie ihre Chancen genützt, wären sie wohl nicht punktelos nach Hause gefahren. Aber man kann sagen: Beim FCL scheint die Mentalität zu stimmen, wenn man so ein Spiel zu zehnt noch dreht. Kompliment an Mario Frick.
Christoph Böhlen: Auch der frühe Platzverweis gegen Luzerns Beloko ist streng. Aber im Gegensatz zu FCSG-Görtler stellt er sich in dieser Szene schon sehr ungeschickt an. Diese Karte kann man geben, muss man aber nicht.
Aber Mischi, jetzt muss ich aber auch noch in deine Wunde stechen: Was sagst du zum GC-Sieg im Zürcher Derby?
Mischi Wettstein: Fussball kann brutal sein. Ausgerechnet Lindrit Kamberi unterläuft dieser spielentscheidende Bock vor dem 1:2. «Lindi» ist einer, der sonst immer seine Leistung abruft. Was man aber auch noch erwähnen muss: An einem guten Tag steht Goalie Brecher besser und es bleibt beim 1:1.
Christoph Böhlen: Tatsächlich sah das Gegentor zum 1:2 nicht unhaltbar aus. GC-Siegtorschütze Pascal Schürpf hat bei dir im Interview ja auch etwas überrascht gewirkt, landete sein Ball im Tor.
Aber die Hoppers scheinen nach dem Besitzerwechsel neuen Mut gefunden zu haben und wollten LAFC-Boss John Thorrington, der im Stadion war, etwas bieten. Schon gegen YB waren sie recht nahe am Punktgewinn, im Derby hat Trainer Berner am Sonntag gut gewechselt. Ich würde GC im Rennen um Platz 6 noch nicht abschreiben.
Nau.ch: Was ist euch sonst noch aufgefallen?
Mischi Wettstein: Ich sah am Freitag im Brügglifeld eine schwache erste Halbzeit. Doch mit der klaren Leistungssteigerung nach Pause hat das Team von Alex Frei einen knappen aber verdienten Sieg geholt.
Und im Ländle muss man sich auf Abstiegskampf einstellen, wie auch FCV-Sportchef Franz Burgmeier im Nau-Interview bestätigt. Meine Prognose: Baden und Vaduz werden den letzten Platz unter sich ausmachen. Schaffhausen wird sich dank seiner Verstärkungen unten rauskämpfen.
Christoph Böhlen: Der FC Winterthur hat seit vier Spielen nicht mehr verloren und kann jetzt im Rennen um Rang 6 ein Statement setzen. Mit dem FCB (zuhause) und GC (auswärts) hat das Team von Patrick Rahmen zwei direkte Konkurrenten vor der Brust. Ich traue den Eulachstädtern durchaus eine Überraschung zu!