Fussball-Talk: «U21-Exploit gegen Franzosen ist möglich!»
Das Wichtigste in Kürze
- Die U21-Nati hat an der EM Probleme in der Defensive, kann aber noch weiterkommen.
- Am Mittwoch (20.45 Uhr) kommt es zum Showdown gegen die favorisierten Franzosen.
- Nach dem Abgang von Marius Müller wird Pascal Loretz (20) die neue Nummer 1 beim FCL.
- Sportchef Christoph Böhlen und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: Ein Sieg gegen Norwegen, eine Niederlage gegen Italien. Wie fällt Eure Zwischenbilanz zur U21-EM aus Schweizer Sicht aus?
Mischi Wettstein: Nach der ersten Halbzeit gegen Norwegen wollte ich den TV ausschalten… Zum Glück habe ich es nicht gemacht, die U21-Nati hat danach gezeigt, dass sie es besser kann. Die erste Halbzeit gegen Italien hat halt einfach das Leid von individuellen Fehlern demonstriert. Die Böcke von Becir Omeragic und Lewin Blum führen zum Rückstand. Doch ich bin von beiden überzeugt, es sind richtig gute Kicker. Solche Fehler gehören zum Entwicklungsprozess dazu.
Nau.ch: Die Schiedsrichter-Entscheidungen haben der Nati auch nicht gerade in die Karten gespielt?
Mischi Wettstein: Einen Wunsch habe ich: Bitte jetzt nicht den nicht-gepfiffenen Penaltys nachweinen. Nach dem zweiten Tor blieb mehr als genug Zeit für den Ausgleich. Und wer solche Chancen vergibt, wie sie Darian Males hatte, muss sich an die eigene Nase fassen.
Christoph Böhlen: Da muss ich dir widersprechen: Natürlich darf man den beiden Penaltys nachweinen! Das sind für mich zwei glasklare Fehlentscheide, die auf diesem Niveau nicht passieren dürfen! Und obwohl ich ein überzeugter VAR-Gegner bin, ist es fragwürdig, warum er bei einer offiziellen Endrunde fehlt. Zur Nati: Ich bin enttäuscht über die Auftritte der Schweizer. Gerade in der Defensive ist das Team sehr anfällig, zudem fehlte mir bei Goalie Amir Saipi die Ausstrahlung. Es wirkt nicht so, als würde er seinen Vorderleuten Sicherheit verleihen.
Nau.ch: Am Mittwoch kommt es zum Showdown gegen Frankreich. Wie schätzt ihr die Chancen der Schweizer ein?
Mischi Wettstein: Leider ist Frankreich noch nicht fix weiter. Um sicher zu sein, brauchen sie noch einen Punkt und werden deshalb nicht mit angezogener Handbremse spielen. Doch wenn die Schweiz die beiden ersten Halbzeiten vergisst und an die beiden zweiten Halbzeiten anknüpft: Warum sollten sie dann die Überraschung nicht schaffen? Klar ist aber auch: Allein der Blick auf die «Marktwert-Tabelle» bei den Franzosen zeigt, wie minim diese Chance ist. Dort steht es 436 zu 74 Millionen Franken...
Christoph Böhlen: Wie bereits erwähnt: Vor allem in der Defensive ist das Team von Patrick Rahmen zu anfällig. Das wird gegen Arnaud Kalimuendo oder Bradley Barcola nochmal schwieriger als gegen Italien. Mit einem absoluten Exploit traue ich der U21 vielleicht ein Remis zu. Aber dann muss schon alles für die Schweizer laufen.
Nau.ch: Während die U21-EM läuft, haben alle Clubs der Super League die Vorbereitung wieder aufgenommen. Was ist Euch aufgefallen?
Mischi Wettstein: Bei mir ist es der Abgang von Marius Müller beim FC Luzern. Es wird für den jungen Pascal Loretz (20) jetzt eine neue Situation sein, denn: Es ist ein Unterschied, ob man für ein paar Spiele einspringt oder ob man fix als neue Nummer 1 ins Rennen geht. Der FCL wird sich seine Gedanken gemacht haben. Er ist ein sehr talentierter Goalie, wird aber kaum fehlerfrei durch seine erste Saison kommen. Vielleicht wird der FCL den einen oder anderen Punkt unter «Lehrgeld bezahlen» abbuchen müssen. Das ist aber verschmerzbar, wenn es sonst gut läuft.
Christoph Böhlen: Der sportliche Verlust ist noch das eine, aber ich frage mich beim FCL: Was haben die Innerschweizer eigentlich gegen Routiniers? Mit Schürpf, Sorgic, Dräger und eben Marius Müller gibt der FCL mal eben die Erfahrung von rund 600 Super-League-Spielen ab. Das sind alles gestandene Spieler und Leadertypen.
Mischi Wettstein: Das stimmt, man verliert vor allem auch eine Persönlichkeit. Marius Müller war immer direkt und hat stets Ross und Reiter genannt. Solche Typen gefallen mir, ich werde «Mülli» vermissen.
Nau.ch: Was habt Ihr sonst für erste Eindrücke gewonnen?
Christoph Böhlen: Nach meinem Gespräch mit Bochum-CEO Ilja Kaenzig freue ich mich richtig auf den neuen YB-Stürmer Silvère Ganvoula. Der 26-Jährige muss offenbar über eine unglaubliche Physis verfügen. Doch es bleibt aus YB-Sicht zu hoffen, dass Trainer Raphael Wicky und sein Staff Ganvoulas Tor-Blockade lösen können. Ein Stürmer, der seit zwei Jahren auf einen Treffer wartet, dürfte mit sehr wenig Selbstvertrauen anreisen.
Mischi Wettstein: Was mir noch aufgefallen ist: Der FC Winterthur hat gemerkt, an welchen Schrauben gedreht werden muss. Das Kader wird deutlich verbreitert und gewinnt Qualität dazu. Das schürt den Konkurrenzkampf. Nach Turkes, Sidler, Stillhart oder Jankewitz kommt jetzt auch Luca Zuffi nach Hause auf die Schützenwiese zurück.