Thom und Bräutigam: Zwei Karrieren nach dem Mauerfall

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Deutschland,

Die Karrieren von Andreas Thom und Perry Bräutigam entwickelten sich nach dem 9. November 1989 völlig unterschiedlich. Dennoch sind beide zufrieden. Am Samstag treffen ihre Clubs Hertha und Leipzig zum 30. Jahrestag des Mauerfalls aufeinander.

Andreas Thom arbeitet als Individualtrainer bei Hertha BSC. Foto: Britta Pedersen/dpa
Andreas Thom arbeitet als Individualtrainer bei Hertha BSC. Foto: Britta Pedersen/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • An jenem schicksalhaften Abend des 9. November 1989 waren sich Andreas Thom und Perry Bräutigam ganz nah.

Die beiden sassen in der Leipziger Sportschule und bereiteten sich auf das letzte Qualifikationsspiel der DDR in Österreich für die Fussball-WM vor - doch die Gedanken waren plötzlich ganz woanders.

«Wir haben Bilder gesehen, wie Leute über die Grenze gegangen sind und dann fängt es natürlich im Kopf an zu rattern», sagt Bräutigam im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: «Ist das jetzt das Ende der DDR? Kann ich tatsächlich mal in der Bundesliga spielen? In diesem Moment wusste niemand, was los war und was werden würde. Es war eine ergreifende Zeit.»

Heute ist Bräutigam Club-Botschafter von RB Leipzig. Thom ist bei Hertha BSC als Individualtrainer angestellt. Am Samstag werden sie sich beim Bundesliga-Spiel ihrer Vereine im Olympiastadion womöglich über den Weg laufen. Exakt 30 Jahre nach jenem Tag, der ihre Karrieren in so unterschiedliche Richtungen laufen liess.

Thom schrieb Geschichte, als er im Dezember 1989 als erster Spieler vom Osten in den Westen wechselte. Dank der Penetranz von Leverkusens legendärem Manager Reiner Calmund. «Wir wussten gar nicht, welche Gültigkeit unsere Verträge nach FIFA- oder UEFA-Recht hatten», erinnert sich Thom im «Kicker»: «Calmund sagte mir: Ich kümmere mich. Ich sagte: Machen Sie das. Wenn alles geklärt ist, komme ich nach Leverkusen. Ich habe Wort gehalten.»

Thom legte eine europäische Karriere hin. 1992 wurde der hoch veranlagte Angreifer Vize-Europameister mit der DFB-Auswahl, spielte Champions League, wechselte 1995 zu Schottlands Kultclub Celtic und liess seine Laufbahn schliesslich bei Hertha ausklingen. «Ich blicke auf eine ordentliche Karriere zurück», sagte Thom.

Das sagt auch Bräutigam von sich. Obwohl sein Traum von der Bundesliga erst mit 32 Jahren wahr wurde. An einen Wechsel nach dem Mauerfall war nicht zu denken. Denn ein Jahr zuvor hatte man in der DDR erstmals Nicht-Amateurverträge eingeführt. Aus Angst davor, zum BFC Dynamo delegiert zu werden, band sich Bräutigam fünf Jahre an seinen damaligen Club FC Carl Zeiss Jena.

Natürlich gab es für den Torwart Interesse aus dem Westen. Kaiserslautern, Gladbach und Köln wollten ihn verpflichten. «Das Problem war, dass sie mir in Jena sagten, ich sei ihre Lebensversicherung. Und da haben sie eine Ablöse von damals 1,2 Millionen Mark aufgerufen. Das war damals für einen Torwart unfassbar viel Geld», erinnerte sich Bräutigam.

Und so blieb der Schlussmann bis 1994 in Jena, ergriff nach einem Jahr in Nürnberg die Chance, in Rostock erstklassig zu spielen. Vor gut zehn Jahren erhielt Bräutigam einen Anruf aus Österreich. Man wolle in Leipzig einen Verein aufbauen, hiess es, und womöglich gäbe es auch Widerstände. «Ich fand, dass es eine unfassbar schöne und abenteuerliche Aufgabe war und habe zugesagt», erklärte Bräutigam, der zunächst als Torwarttrainer bei RB Leipzig begann.

Heute sieht er seinen Club längst etabliert. «Für mich ist RB ganz klar ein Ost-Verein. Leipzig liegt im Osten und war immer eine grosse Sportstadt mit einer entsprechenden Historie», meinte Bräutigam: «Natürlich haben wir andere Voraussetzungen gehabt, aber wir haben das Geld ja nicht verschwendet. Ich glaube, dass viele Menschen stolz darauf sind, in Leipzig ein Team aus dem Osten in der Bundesliga zu haben.»

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