YB: Rahmen-Entlassung vertretbar – aber YB-Führung mitschuldig!
Dass YB sich von Patrick Rahmen trennt, überrascht nach den letzten Wochen nicht. Doch der Trainer ist nicht der Alleinschuldige an der Krise. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach neun Spielen belegt YB mit sechs Punkten den letzten Tabellenplatz.
- Der Meister zieht die Reissleine und trennt sich von Trainer Patrick Rahmen.
- Doch der 55-Jährige ist nicht der Alleinschuldige an der Krise.
- Ein Kommentar von Nau.ch-Sportchef Christoph Böhlen.
Die Amtsdauer von Patrick Rahmen als YB-Trainer hält nur gerade 100 Tage. Nach dem 0:1 in Basel gibt der amtierende Schweizer Meister die Trennung bekannt.
Sportlich findet man für das frühe Ende Rahmens Argumente: Die Berner holen in der Liga nur einen Sieg, stehen am Tabellenende.
Abgesehen von den Spielen im CL-Playoff gegen Galatasaray überzeugt Gelbschwarz selten. Zu Hause holt YB unter Rahmen keinen Heimsieg in der Liga, ist zudem offensiv harmlos – und defensiv sehr anfällig.
Doch die Schuld nur beim Coach zu suchen, greift deutlich zu kurz! YB muss sich nach dem verpatzten Start in die Saison hinterfragen – und zwar kritisch!
YB lässt sich vom Meistertitel blenden
Dass die Mischung im Kader nicht stimmt, fiel schon letzte Saison auf. Zwar wurden die Berner Meister, aber die zwölf Punkte Vorsprung, haben am Ende in der Beurteilung geblendet. Und führten zu einer Fehleinschätzung der Situation. Es wurden einige falsche Schlüsse gezogen.
Leader wie Fabian Rieder, Christian Fassnacht oder Cédric Zesiger werden nicht adäquat ersetzt. Von den Neuzugängen kann kaum einer überzeugen – am ehesten noch Innenverteidiger Tanguy Zoukrou.
Der junge Franzose erhält seit Saisonbeginn aber wenig Unterstützung: Ali Camara befindet sich nach seiner Verletzung in einem Formtief. Captain Loris Benito ist nach einem Kreuzbandriss noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte.
Innenverteidiger Patric Pfeiffer wird erst spät verpflichtet – und verletzt sich dann ebenfalls. Neben vielen Fehleinschätzungen klebt den Bernern also auch das Pech an den Schuhen.
Wo sind die Leader im YB-Kader?
Nicht nur Verletzungen und Ausfälle sorgen für ein instabiles Team: Bei YB fehlen Leadertypen – und das nicht erst seit gestern!
Die vielen jungen und talentierten Spieler brauchen für ihre Entwicklung eine Achse, auf und neben dem Platz. An der Seite von erfahrenen Spielern mit Führungsqualitäten können sie sich entwickeln.
Bei YB sind diese aber an einer Hand abzuzählen. Und die wenigen, die in diese Rolle schlüpfen könnten, sind aktuell mit sich selbst beschäftigt.
Loris Benito braucht nach seiner schweren Verletzung Zeit. David von Ballmoos befindet sich mit Marvin Keller im Zweikampf um die Nummer 1 im YB-Tor. Und Cedric Itten spielt im Berner Offensiv-Orchester derzeit nur die zweite Geige.
Zudem fehlt im Spiel von YB ein physisch starker Sechser im Mittelfeld, der das Team zusammenhält. Ein Häuptling, wie es zum Beispiel Christopher Martins oder Sekou Sanogo waren.
Diese Baustellen kann man in Bern frühestens im nächsten Transferfenster beheben. Bis dahin muss Interimstrainer Joël Magnin einen Weg finden, das Team wieder zu stabilisieren.
Das ist eine Herkulesaufgabe – eine Wunderheilung ist vorerst nicht zu erwarten. Am ehesten vielleicht mit einer harten Linie, die auf Autorität und Disziplin setzt.
Menschlich hätte Patrick Rahmen eigentlich perfekt zu YB gepasst. Mit einem gut zusammengestellten Kader hätte er mit seiner Fussballidee die Fans begeistern können. Aber er war der richtige Mann zur falschen Zeit.