YB: Setzt Trainer Raphael Wicky zurecht auf Ganvoula statt Nsame?
Beim 2:2-Remis von YB in Belgrad setzt Raphael Wicky auf Silvere Ganvoula statt Jean-Pierre Nsame. Aber hat sich der YB-Trainer damit richtig entschieden?
Das Wichtigste in Kürze
- Rund um YB stellt sich die Frage nach der Hierarchie der Mittelstürmer.
- Trainer Raphael Wicky setzt hinter Cedric Itten auf Ganvoula, Nsame ist häufig aussen vor.
Es läuft im Marakana von Belgrad die 82. Minute, Silvere Ganvoula hat das 3:1 für YB auf dem Fuss – besser gesagt, auf dem Kopf: Nach einer Flanke von der linken Seite kommt der Kongolese am Fünfmeterraum frei zum Kopfball. Doch statt zum Siegtreffer in die Maschen köpft er den Ball hoch über den Kasten.
Ein folgenschwerer Patzer, der die Berner auf lange Sicht Millionen kosten könnte. Denn statt möglichen drei Punkten nimmt YB aus Belgrad nur einen Zähler mit. Und das führt auch zur Debatte um die Stürmer-Position. Denn mit Jean-Pierre Nsame schmort der aktuell treffsicherste Berner nur noch auf der Ersatzbank.
Setzt Trainer Raphael Wicky hinter Cedric Itten zurecht auf Silvere Ganvoula? Oder müsste der Kongolese für Club-Ikone Nsame weichen? Die Meinungen auf der Nau.ch-Redaktion gehen auseinander.
Christoph Böhlen, Sportchef
«Was ich jetzt schreibe, gleicht eigentlich einer Majestätsbeleidigung. Schliesslich ist Jean-Pierre Nsame in Bern ein verdienter Meisterheld, ist dreifacher Torschützenkönig. Und er hat für YB wettbewerbsübergreifend über 130 Mal eingenetzt!
Trotzdem verstehe ich den Entscheid von Raphael Wicky, dass Silvere Ganvoula in der Mittelstürmer-Hierarchie hinter Itten die Nummer zwei ist. Zwar ist seine Torausbeute bisher überschaubar, physisch ist der Kongolese aber noch mal ein anderes Kaliber als der Kameruner!
Klar ist: Im Strafraum gibt es kaum einen besseren in der Schweiz als Nsame. Das hat der 30-Jährige im letzten Heimspiel gegen Lugano gezeigt, als er zweimal unnachahmlich traf.
Doch im Spiel ohne Ball hat Nsame Schwächen. Das intensive Anlaufen des Gegenspielers ist nicht seine Domäne, Bälle vorne festmachen können andere besser. Gerade in internationalen Spielen gegen starke Gegner ist das aber beides unabdingbar. Darum ist es logisch, setzt Wicky auf Itten – und bringt dann eben Ganvoula.
Dessen Knopf ist zwar (noch) nicht aufgegangen, die Anlagen dazu sind aber da. Der 27-Jährige ist schnell, fleissig und ein starker Wandstürmer, der den Ball gut ablegen oder auch halten kann.
Gut möglich, dass Nsame den Kopfball gestern verwertet hätte. Aber Ganvoulas Laufweg zum Ball hätte ‹Schämpu› wohl eher nicht gemacht.
Am Sonntag gegen den FC Basel wird Nsame aber garantiert zum Einsatz kommen. Und bei bisher zehn Toren in 17 Spielen gegen den FCB, ist ein Treffer des Kameruners durchaus wahrscheinlich.»
Mathias Kainz, Sportredaktor
«Fussball ist ein Zahlenspiel, und ein Blick auf die Zahlen sagt eigentlich schon alles: Es gibt aktuell keine Argumente, die für Silvere Ganvoula sprechen. Der Kongolese kommt in 14 Einsätzen auf magere zwei Treffer. Im Schnitt trifft der 27-Jährige alle 256 Einsatzminuten einmal für YB.
Wenn man die gleiche Mathematik auf Jean-Pierre Nsame anwendet, dann steht der 30-Jährige deutlich besser da: In seinen elf Einsätzen hält Nsame aktuell bei sechs Treffern und einem Assist. Im Durchschnitt trifft er alle 73 Minuten – kein Vergleich mit Ganvoula!
Wir sprechen oft über das «Luxus-Problem», das Raphael Wicky mit den vielen Stürmern im YB-Kader hat. Fakt ist aber: Eigentlich gibt es gar kein Problem, weil nichts dafür spricht, Ganvoula den Vorzug vor Nsame zu geben. Nsame ist der treffsicherste Stürmer im Berner Kader, Ganvoula unter den nominellen Angreifern nur die Nummer vier.
Raphael Wicky macht bei YB vieles richtig, daran gibt es keinerlei Zweifel. Der Trainer sollte aber auch die Charakterstärke besitzen, einzusehen, dass er nicht fehlerfrei ist. Und Ganvoula ist bis zum jetzigen Zeitpunkt sein grosser Fehler. Ich lehne mich sogar aus dem Fenster und behaupte: Nsame hätte den Treffer in Belgrad gemacht.»