Kaul, Krause & Co.: Leichtathletik-Asse in der Corona-Krise

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Deutschland,

Johannes Vetter ist ein grosser Gewinner des Leichtathletik-Jahres. Nun muss der Speerwerfer seine Topform ins Olympia-Jahr retten. Die Spitzenathleten starten nach schwierigen Monaten in ihre Olympia-Vorbereitung - weiter unter ungewöhnlichen Bedingungen.

Kommt die Olympia-Verschiebung nicht gerade ungelegen: Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul. Foto: Michael Kappeler/dpa
Kommt die Olympia-Verschiebung nicht gerade ungelegen: Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul. Foto: Michael Kappeler/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Hindernisläuferin Gesa Krause trainiert schon wieder in Kenia, Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul will ab Januar richtig Gas geben, und Speerwerfer Johannes Vetter blickt Tokio 2021 sehnsüchtig entgegen.

Die Stars der deutschen Leichtathletik erleben die Corona-Krise aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die Hoffnung auf Olympia eint alle. Die Deutsche Presse-Agentur hat sich bei Topathleten umgehört: Wie sind sie aus der ungewöhnlichsten Saison ihrer Karriere herausgekommen? Wie sind ihre Pläne?

DER GLÜCKLICHE: Es war für Niklas Kaul Glück im Unglück. Der bislang jüngste Zehnkampf-Weltmeister musste sich neun Monate nach seinem Triumph in Doha/Katar einer Ellenbogen-Operation unterziehen. Die Verlegung der Olympischen Spiele in Tokio ins nächste Jahr kam für den 22 Jahre alten Ausnahmeathleten deshalb sehr gelegen. Er plagte sich zwar schon seit 2017 damit herum, nahm aber an, dass es «nur» der berühmte «Tennis-Arm» sei. Weit gefehlt: Die Ärzte stellten fest, dass das Innenband im Ellenbogen angerissen war.

«Nachdem Olympia abgesagt wurde, war der richtige Zeitpunkt für die OP gekommen», sagte Kaul. «Ich bin ganz froh, dass sich das Zeitfenster so ergeben hat. Das eine Jahr hilft mir mehr als es mir schadet.» Der «Sportler des Jahres» will Anfang Januar wieder richtig ins Training einsteigen und Kurs auf Tokio nehmen. «Ich habe noch nicht das Maximum erreicht», sagte der Mainzer. «Da geht noch mehr.»

DIE SOUVERÄNE: Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo bestritt im Sommer nur Wettkämpfe aus einem verkürzten Anlauf heraus und kam trotzdem auf bemerkenswerte Weiten - bis auf 7,03 Meter in Dessau. Die «Sportlerin des Jahres» von der LG Kurpfalz musste zwar ihre Pläne, künftig in den USA beim früheren Superstar Carl Lewis zu trainieren, auf Eis legen. Sie arrangierte sich aber schnell mit den ungewohnten Bedingungen.

Mihambo nutzte die Zeit auch für ein weiteres soziales Engagement: Die 26-Jährige gründete zum 1. Juli «Malaikas Herzsprung» – einen Verein, der es Kindern und deren Familien ermöglicht, Leichtathletik zu treiben. Derzeit trainiert sie mit Bundestrainer Uli Knapp, oft bei ihm in Saarbrücken oder auch bei ihr in Oftersheim. An eine mögliche Absage der Olympischen Spiele 2021 will sie nicht denken: «Ich versuche Dinge, die ich nicht steuern kann und auf die ich nur sehr wenig Einfluss habe, nicht so nah an mich heranzulassen.»

DIE ZWEIFACHE MUTTER: Zur Zeit hat die Kita von Christina Schwanitz' dreieinhalbjährigen Zwillingen wegen Corona-Fällen zu. Fünf Wochen lang konnte sie «super» trainieren, jetzt ist erstmal Kinderbetreuung und Krafttraining im hauseigenen Fitnessraum im Keller angesagt. Die Kugelstoss-Weltmeisterin von 2015 und WM-Dritte von 2019 hat im Sommer wegen eines Bandscheibenvorfalls keinen Wettkampf bestritten, inzwischen aber nur noch minimale Einschränkungen.

Als Bundeswehrsoldatin fühlt sich die 34-Jährige vom LV 90 Erzgebirge (noch) abgesichert, hat aber alle drei Sponsoren verloren. Wann sie wieder in den Ring steigen kann? «Ich habe mich jetzt mal auf Februar, März eingeschossen», sagt Schwanitz mit Blick auf mögliche Hallen-Wettkämpfe. Olympia bleibt trotz der Ungewissheit ihr grosses Ziel. Ein Karriereende ist auch in schwierigen Zeiten kein Thema für sie - «weil ich noch immer Spass am Training habe und leistungsfähig bin».

DER MARATHONMEDIZINER: Das Laufen und die Medizin sind immer Passion und Profession für Arne Gabius gewesen. Doch nicht zuletzt das Corona-Jahr hat den deutschen Marathon-Rekordhalter zum Nachdenken bewegt: Im März 2021 wird der langgediente Leichtathlet 40, Gabius will sich dann mehr der Familie widmen und seine Arzt-Karriere vorantreiben. Im Herbst soll Schluss sein mit der Rennerei. «Auf das nächste Jahr habe ich noch grosse Lust, aber dann war es das auch, dann ist gut, dann ist Schluss - sonst kann ich meinen Allgemeinmediziner-Facharzt im Rentenalter machen», erzählte Gabius, der zur Zeit am Klinikum Ludwigsburg als Assistenzarzt in der Kardiologie tätig ist. Er will später mal als Hausarzt arbeiten.

Um sich im Sommer noch seinen Olympia-Traum zu erfüllen, muss er die Anfang Oktober im Londoner Dauerregen verpasste Normzeit im Frühjahr noch einmal angreifen. Seine drei Sponsoren - Nike, die AOK Baden-Württemberg und hep (Unternehmen für Solarkraftwerke) - halten ihm die Treue. «Natürlich hab' ich Verluste. Aber das ist bei mir nicht existenzbedrohend», meinte der Wahl-Stuttgarter.

DIE KÄMPFERIN: Nach kräftezehrenden Trainingslagern hatte Gesa Krause bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig überraschend erschöpft und geschlagen aufgegeben. Die Europameisterin und zweimalige WM-Dritte über 3000 Meter Hindernis brach daraufhin ihre Saison ab: «Ich habe mir zum ersten Mal eingestanden, dass mein Körper eine Pause braucht», sagte die 28-Jährige vom Verein Silvesterlauf Trier.

Die genoss Krause in ihrem neuen Haus bei Dillenburg - und im Urlaub auf Mykonos, Santorin und Milos und mit dem Roller an der Amalfi-Küste. «Erst einmal alle Kraft auf Tokio fokussieren und danach immer noch nicht stehenbleiben. Ich will auch noch den nächsten Olympia-Zyklus bis zu den Spielen 2024 als Läuferin bestreiten», sagte sie im «Zeit»-Interview. Deshalb ist die Ausdauerspezialistin dieser Tage zum 20. Mal in ihrer Karriere ins Höhentrainingslager nach Kenia geflogen.

DER AUSSERGEWÖHNLICHE: In der Corona-Krise gehörte Johannes Vetter zu den wenigen Leichtathleten auf der Welt, der seine Leistungsgrenze nach oben verschieben konnte. Der Weltmeister von 2017 katapultierte seinen Speer Anfang September im polnischen Chorzow auf 97,76 Meter und verfehlte damit den 24 Jahren alten Weltrekord von Jan Zelezny (Tschechien) um nur 72 Zentimeter. «Ich bin superfit durch die Saison gekommen», erklärte der zuletzt oft durch Verletzungen geplagte 27-Jährige von der LG Offenburg seinen grossen Wurf.

Der deutsche Rekordhalter hofft nun, sein Leistungsvermögen in Tokio abrufen zu können: «Die obere Priorität ist, gesund zu bleiben und Olympia-Gold anzugreifen. Wenn die Spiele nicht stattfinden können, befürchtet Vetter Schlimmstes: «Die ganze olympische Sportwelt würde mit so einer Absage zusammenbrechen.» Vielleicht kann er auch noch in diesem Jahr einen grossen Sieg feiern: Schliesslich ist er für die Wahl zum «Welt-Leichtathleten des Jahres» nominiert worden.

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