Jorge Lorenzo fährt nur noch ratlos im Kreis

Mathias Kainz
Mathias Kainz

Frankreich,

Seine schwere Rückenverletzung nagt zusehends an Jorge Lorenzo. Körperlich verläuft die Heilung gut – mental hingegen leidet der Spanier mehr und mehr.

Jorge Lorenzo
Ein ratloser Blick: Bei Jorge Lorenzo nagen die Zweifel nach seiner schweren Verletzung am Selbstvertrauen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Jorge Lorenzo fährt nach einer Katastrophen-Saison gegen seinen eigenen Kopf.
  • Der schwere Sturz aus Assen samt Wirbelbrüchen nagt am fünffachen Weltmeister.
  • Der mögliche Rücktritt am Ende der laufenden Saison scheint zunehmend wahrscheinlich.

Es gehört auch Mut dazu, ein Scheitern einzugestehen – vor allem für einen Spitzenathleten in einem Egoisten-Sport. Johann Zarco hat es vorgemacht und bezahlt womöglich mit seiner Karriere dafür, dass er sein Scheitern zugab. Bei KTM zog der Franzose mitten in einer desaströsen Saison die Reissleine. Jetzt wartet womöglich eine Zukunft an der Seitenlinie auf den zweifachen Moto2-Weltmeister.

Davon, sein Scheitern einzusehen, ist Jorge Lorenzo noch weit entfernt. Der Spanier müht sich ein ums andere Mal mit Durchhalteparolen ab, spricht von positiven Entwicklungen. Für den Aragon-GP steckte er sich bewusst niedrig das Minimalziel, nicht mehr als 30 Sekunden zur Spitze zu verlieren. Am Ende waren es 47 Sekunden, die Lorenzo und seinen Teamkollegen und Rennsieger Marc Marquez trennten.

Der Assen-Sturz nagt an Jorge Lorenzo

Der einstmals so selbstbewusste, auf dem Motorrad kompromisslose Racer Lorenzo ist nicht wiederzuerkennen. Der Wechsel von Ducati zu Honda war ein Schuss ins eigene Knie. Auf dem für jeden ausser Marc Marquez fast unbeherrschbaren Motorrad fehlt ihm seit Saisonbeginn das Vertrauen. Der Horrorsturz in Assen, bei dem er sich zwei Wirbel brach und vier Rennen verpasste, tat sein Übriges.

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Jorge Lorenzo stürzt im Training zum Assen-GP schwer und fällt danach für vier Rennen aus. - Twitter/MotoGP

Nach dem Aragon-GP am Wochenende machte Jorge Lorenzo klar: Aufgeben kommt nicht infrage. Er will seinen Honda-Vertrag im kommenden Jahr erfüllen, ganz egal, wie hoch der Preis ist. Fraglich ist aber, ob das auch für Honda Sinn ergibt, denn Lorenzo ist in der aktuellen Form keine Verstärkung. In Aragon war er mit Abstand der langsamste der vier Honda-Fahrer, nur KTM-Nachzügler Hafizh Syahrin kam hinter ihm ins Ziel.

Jorge Lorenzo hat nichts mehr zu beweisen

«Ich gebe immer mein Bestes, egal, ob ich das Rennen anführe oder auf Platz 20 bin», so Lorenzo in Aragon. «Ich muss die Situation akzeptieren und das Rennen beenden, eine andere Wahl gibt es nicht. Aber natürlich: Die Verletzung beeinflusst meine Physis und verursacht Schmerzen, wenn ich fahre.»

Für den Spanier macht es in diesem Zustand wenig Sinn, sich weiter zu quälen. Und nach der schweren Rückenverletzung kamen Selbstzweifel auf – das gestand Lorenzo selbst. Der fünffache Weltmeister ist 32 Jahre alt, hat nichts mehr zu beweisen, aber viel zu verlieren.

Jorge Lorenzo
Jorge Lorenzo kämpft mit seinem Körper und mit seiner mentalen Fitness zugleich. - keystone

Honda wartet darauf, dass Jorge Lorenzo selbst die Reissleine zieht – auch aus finanziellen Gründen. Der Vertrag des Ex-Weltmeisters mit dem japanischen Hersteller läuft bis Ende 2020. Ein vorzeitiges Ende seitens des Teams würde wohl mehrere Millionen Abfindung kosten – darauf wartet Lorenzo wohl.

Andere Optionen drängen sich nicht auf

Vom Rücktritt will der Spanier noch nicht sprechen, eine realistische Option ist er dennoch. Bei Ducati ist Jorge Lorenzo vorerst kein Thema mehr, man baut auf Jack Miller, der 2021 ins Werksteam aufrücken soll. Seine Brücken zu Yamaha hat der Spanier beim Abschied selbst verbrannt.

Und auf der Honda wird Lorenzo in diesem Leben nicht mehr glücklich. Ihm fehlt das Vertrauen zum Vorderrad, das schränkt beim Setup ein und führt zu Stürzen wie in Assen. Und wozu sollte Honda die Entwicklungsphilosophie ändern, wo man doch Marc Marquez hat? Der amtierende und bald sechsfache MotoGP-Weltmeister kann auf der schwierigen Honda schnell sein, mehr braucht man nicht.

Jorge Lorenzo
Auf der Honda hat sich Jorge Lorenzo nie wohl gefühlt. - dpa

Anders als viele andere MotoGP-Stars wird sich Jorge Lorenzo keine Gedanken über einen Wechsel in die Superbike-WM machen. Wenn Lorenzo den Helm an den Nagel hängt – 2019 oder 2020, das sei dahingestellt – dann endgültig. Die Zeichen stehen auf Abschied, eher früher als später.

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