Verdacht fährt mit: Vettel misstraut Ferrari
Die ständigen Niederlagen gegen Charles Leclerc setzen Sebastian Vettel zu. Wird der Hesse in seinen letzten Formel-1-Rennen für Ferrari vom Team benachteiligt?
Das Wichtigste in Kürze
- Der Verdacht fährt mit bei Sebastian Vettel.
In sein letztes Italien-Gastspiel mit Ferrari begleitet den frustrierten Vierfach-Weltmeister die finstere Vermutung, von seinem Arbeitgeber benachteiligt zu werden.
«Irgendein Idiot kommt vielleicht nie dahinter, aber ob ich vielleicht ein kompletter Idiot bin? Das wage ich zu bezweifeln», motzte der 33-Jährige zuletzt ins TV-Mikrofon und legte damit die Lunte für einen Hauskrach. Vettels kaum verhohlener Vorwurf: Weil sein erzwungener Abschied zum Saisonschluss schon lange feststeht, bekommt Stallrivale Charles Leclerc das bessere Auto.
Vor dem 13. Saisonlauf am Sonntag in Imola (13.10 Uhr/RTL und Sky) stützen zumindest die Ergebnisse Vettels These. Mit 75 Punkten hat der Monegasse Leclerc mehr als viermal so viele Zähler gesammelt wie der Hesse, der magere 18 Punkte ergattert hat. Nur in Ungarn und Spanien kam Vettel vor dem 23-Jährigen ins Ziel, zehn der zwölf Duelle in der Qualifikation hat der Deutsche gegen seinen Teamkollegen verloren. «Das ist nicht einfach mehr geschlagen werden, das ist eine andere Klasse», klagte Vettel.
Die anhaltende Kritik der vergangenen Monate hat dem früheren Serien-Champion zugesetzt. Die Wunde der kühlen Ausmusterung bei Ferrari schmerzt noch immer, auch wenn seine Zukunft in der Formel 1 durch den Wechsel zu Aston Martin 2021 gesichert ist. Vettel aber ist zu ehrgeizig, um die Schlussrunden bei der Scuderia abzuschenken und die Pleiten über sich ergehen zu lassen. Und so wurmt es ihn gewaltig, dass Leclerc anscheinend immer besser mit dem lahmenden SF1000 zurechtkommt, während er weiter strauchelt.
Es sei ja «offensichtlich: Das andere Auto ist deutlich schneller», stellte Vettel jüngst in Portugal bei RTL fest. Während er sich vergebens abmühe, sehe es bei Leclerc «viel leichter aus». Schon auf den Trainingsrunden in Portimao hatte Vettel am Boxenfunk geraunt: «Das ist alles, was im Auto steckt. Zumindest in diesem Auto.»
Vettels einstiger Backgammon-Spielpartner Bernie Ecclestone bestärkte den Deutschen vor dem Grand Prix der Emilia Romagna in seiner Theorie. Für die Unterlegenheit des 53-maligen Grand-Prix-Siegers gegen Jungspund Leclerc «muss es andere Gründe geben», urteilte der frühere Formel-1-Geschäftsführer bei Sport1. «Ferrari war schon immer ein wenig durchschaubares Team, wo die Innenpolitik immer eine grosse Rolle spielte», fügte der 90-Jährige hinzu.
Davon aber will Teamchef Mattia Binotto nichts wissen. «Die Autos von Seb und Charles sind zweifellos identisch», beteuerte der 50-Jährige. Er hoffe, dass sich Vettel in Imola in der Qualifikation verbessern könne, um auch im Rennen wieder erfolgreicher zu sein. «Charles ist sicher sehr gut. Aber man erwartet vom zweiten Fahrer vielleicht doch etwas mehr», sagte Binotto und lenkte die Kritik damit direkt wieder in Richtung Vettel.
Ein herzlicher Abschied wird daraus in den verbleibenden fünf Saisonläufen wohl kaum noch. «Es tut natürlich weh. Meine eigenen Erwartungen sind ja viel höher als die Erwartungen von aussen», sagte Vettel. Ja, er vertraue «den Leuten um mich herum und in der Garage», versicherte der Heppenheimer zwar. Doch in Wahrheit scheint von diesem Vertrauen nicht mehr viel übrig.