Freud und Leid am Eröffnungstag
Der Eröffnungstag der Bahn-Europameisterschaften in Grenchen brachte für die Schweiz Freund und Leid. Während der Frauen-Vierer den Landesrekord pulverisiert, setzt es für die Männer eine Enttäuschung ab.
Der Schweizer Bahnvierer gehört bei den Männern bereits seit einigen Jahren zur erweiterten Weltspitze und hat sich zuletzt zweimal in Folge für die Olympischen Spiele qualifiziert. Dahinter steckt jahrelange Aufbauarbeit. Seit 2021 investiert Swiss Cycling auch bei den Frauen in ein Vierer-Projekt. Für die Heim-EM konnte der Verband mit Marlen Reusser eine tempofeste Strassenfahrerin gewinnen.
Das Mitwirken der Olympia- und WM-Medaillengewinnerin im Zeitfahren zeigte trotz schwieriger Vorbereitung mit nur wenig Angewöhnungszeit Wirkung. Angeführt von der Bernerin verbesserte das Quartett mit Fabienne Buri, Jasmin Liechti und Aline Seitz in der Teamverfolgung den seit Oktober 2021 bestehenden Landesrekord über 4000 m um über sieben Sekunden auf 4:21,783 Minuten – ein Quantensprung im Bahnradsport.
«Wir haben unsere Erwartungen voll übertroffen», zeigte sich Reusser überglücklich über ihren ersten Auftritt bei Titelkämpfen auf der Bahn. Angepeilt wurde ein Schweizer Rekord. «Mit einer Zeit von 4:25 Minuten wären sie schon sehr zufrieden gewesen», ordnete Seitz ein. Die Leistungssprung schürt Erwartungen, auch bei der Bahn-Spezialistin: «Es geht noch schneller.»
Die von den Britinnen mit Bahnrekord (4:11,594) gewonnene Qualifikation schlossen die Schweizerinnen im 6. Rang ab. In der Hauptrunde vom Donnerstag kommt es zum Duell mit den siebtplatzierten Spanierinnen. Eine Rangverbesserung scheint durch möglich, büssten Reusser & Co. doch weniger als vier Zehntel auf das vor ihnen liegende Irland ein.
Während die Schweizer Frauen mit ihrem Auftritt überaus zufrieden sein konnten, überwog bei den Männern die Enttäuschung. Nach dem Ausfall von Simon Vitzthum, der sich im Training das Schlüsselbein gebrochen hatte, sah sich Nationaltrainer Mickaël Bouget kurzfristig zu einer Umstellung gezwungen. Er warf den EM-Debütanten Noah Bögli ins kalte Wasser und liess Teamleader Claudio Imhof nicht auf seiner angestammten vierten Position fahren.
Der Plan ging nicht auf. In 3:57,463 Minuten verpassten Valère Thiébaud, Alex Vogel, Bögli und Imhof die angepeilte 52er-Zeit deutlich. «Mir persönlich lief es heute nicht wie gewünscht», zeigte sich Imhof enttäuscht. Der Routinier aus dem Thurgau bekundete auf der zweiten Streckenhälfte überraschend Mühe, den Anschluss an seine Teamkollegen nicht zu verlieren. «Ich bin auf einer für mich ungewohnten Position gefahren und konnte so meine Stärken auf dem letzten Kilometer nicht ausspielen, weil meine Beine zu früh übersäuert waren», bedauerte Imhof, der vor eineinhalb Jahren in Grenchen zusammen mit Thiébaud, Vogel und Vitzthum überraschend EM-Silber gewonnen hatte.
Um am Donnerstag noch in den Kampf um Bronze eingreifen zu können, benötigen die Schweizer als 7. der Qualifikation eine deutliche Leistungssteigerung. Gold werden Titelverteidiger Frankreich, Olympiasieger Dänemark, Weltmeister Grossbritannien und Qualifikationssieger Italien (3:49,587) unter sich ausmachen.