Jan Ullrich zum Thema Doping: «Wollte kein Verräter sein»
Jan Ullrich redet erstmals ausführlicher über Doping. Ein klares persönliches Geständnis bleibt aus. Dafür thematisiert er die Umstände beim Team Telekom.
Das Wichtigste in Kürze
- 1997 gewann Jan UIlrich als einziger Deutscher die Tour de France.
- Jetzt spricht er über die Doping-Zeit beim Team Telekom.
Jan Ullrich hat erstmals über jahrelanges Doping im Team Telekom gesprochen. Er begründet den Griff zu verbotenen Substanzen mit fehlender Chancengleichheit.
«Die damals weitverbreitete Wahrnehmung war: Ohne nachzuhelfen, wäre das so, als würdest du nur mit einem Messer bewaffnet zu einer Schiesserei gehen.» Das sagte der 49-Jährige dem «Stern».
Nachdem er 1995 zum damaligen deutschen Top-Rennstall gekommen war, habe er «ziemlich schnell gelernt, dass Doping weitverbreitet war». 1997 gewann Ullrich als bisher einziger Deutscher die Tour de France.
Mit der Argumentation der Chancengleichheit wollte er 2006 allerdings nicht an die Öffentlichkeit gehen. Zuvor war er vom Team wegen Verbindungen zum spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes suspendiert worden.
«Ich wollte kein Verräter sein. Ich wollte auch nicht mit Halbwahrheiten raus und schon gar nicht mit der ganzen Wahrheit.» Das sagte Ullrich und begründete es mit juristischen Zwängen. «Da hingen Existenzen dran, Familien, Freunde. Die Anwälte haben mir gesagt: Entweder du gehst raus und reisst alles ein, oder du sagst gar nichts.»
Jan Ullrich: Keine Chance ohne Doping
Für den Satz «Ich habe gedopt» habe ihm in der Vergangenheit die Kraft gefehlt. Er kommt ihm auch in dem «Stern»-Interview nicht über die Lippen. Ullrich redet über Doping ohne explizites Geständnis. Dieses könnte allerdings in der Amazon-Dokumentation «Jan Ullrich – Der Gejagte» folgen, die Ende November erscheint.
Doping war im Radsport Normalität, die Hemmschwelle entsprechend niedrig. «Allgemein überwog die Einstellung: Wenn man das nicht macht – wie will man in einem Rennen bestehen? Dann fährst du im Peloton und weisst, du bist wahrscheinlich einer derjenigen, die nichts drin haben. Und deswegen hast du auch null Chancen», sagte Ullrich.
Mittlerweile bereut Jan Ullrich, sich nicht früher ausführlich über Doping geäussert zu haben. «Aus heutiger Sicht hätte ich reden sollen. Es wäre für einen kurzen Moment sehr hart geworden, aber danach wäre das Leben leichter gewesen», sagte der gebürtige Rostocker. Es mache jedoch keinen Sinn, dem nachzutrauern.
Armstrong half in dunkelsten Stunden
2015 wollte er mit dem Umzug nach Mallorca ein neues Leben beginnen. «Aber es hat nicht funktioniert für mich. Im Gegenteil. Am Ende folgte der Absturz – so tief, tiefer ging es nicht», sagte Ullrich. Aufgrund seiner Alkohol-Eskapaden ging seine damalige Frau Sara mit den drei Kindern zurück nach Deutschland. Dann habe der «Totalabsturz» begonnen.
Ullrich trank bis zu zwei Flaschen Whisky pro Tag, konsumierte Kokain. «Es war ein einziges Betäuben», sagte der Ex-Profi. Unter anderem mit der Hilfe seines einst grössten Rivalen Lance Armstrong kämpfte sich Ullrich aus dem langjährigen Tief. Und fand den Weg zurück in einen geregelten Alltag. «Ich bin wieder hungrig aufs Leben», sagte Ullrich.