Sensations-Doppel in Wimbledon Mitfavorit: «Alles möglich»
Wie in Paris wollen sich die deutschen Sensationssieger auch in Wimbledon nicht unter Druck setzen. Doch Andreas Mies und Kevin Krawietz halten auch den Titel für möglich. Boris Becker warnt.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit einem Blick aufs Handy vergewissern sich die beiden Sensationssieger Kevin Krawietz und Andreas Mies ab und an, dass ihr Tennis-Coup von Paris wirklich wahr ist.
«Hey, du bist Grand-Slam-Champion». Oder: «Du bist French-Open-Sieger, vergiss das nicht.» Solche Nachrichten schicken sich die beiden manchmal spontan zu. Auch zum Auftakt von Wimbledon haben Mies und Krawietz noch nicht ganz realisiert, was ihnen vor gut drei Wochen gelungen ist. «Für uns klingt es immer noch so unwirklich», sagte Mies in London der Deutschen Presse-Agentur.
Der Coup hat viel verändert. Bis vor wenigen Wochen kannten nur Insider das Duo. Beim dritten Grand-Slam-Turnier der Saison gehören die Deutschen in der Doppel-Konkurrenz plötzlich zu den Mitfavoriten. Am 8. Juni hatten der 28-jährige Kölner Mies und der ein Jahr jüngere Coburger Krawietz bei den French Open sensationell den ersten Grand-Slam-Titel eines deutschen Doppels seit 82 Jahren gewonnen. Auf einmal waren die Tennisspieler im «Sportstudio» des ZDF zu Gast, Boris Becker schwärmte von ihnen.
«Jetzt heisst es natürlich, diese Leistung zu bestätigen», sagte Becker. Die beiden seien nun keine Aussenseiter mehr. «Das spielt sich anders», warnte der dreimalige Wimbledonsieger, der im Deutschen Tennis Bund auch als Herren-Chef tätig ist, im ZDF: «Tennis ist ein Kopfspiel. Man muss mit den eigenen Erwartungen zurechtkommen, auch mit denen der anderen.»
Dass es nicht immer leicht ist, mit einer sportlichen Sensation umzugehen und nicht immer erfolgreich weitergeht, haben die French-Open-Gewinner schon erfahren. Nach dem Triumph von Paris verlor das Tennis-Duo bei den nächsten beiden Turnieren in der ersten Runde. In Wimbledon aber erhofft sich das Doppel jetzt von seinem Grand-Slam-Premierentitel einen positiven Schub und will sich vom ungewohnten Trubel nicht ablenken lassen.
«Uns beflügelt das mehr, als das es uns belastet. Das ist eine riesige Motivationsspritze für die Zukunft», sagte der Kölner Mies, «dass wir gesehen haben, wir können alles schaffen. Wir wissen, dass im Doppel alles möglich ist - von der ersten Runde bis zum Turniersieg ist alles drin.» In der am Mittwoch beginnenden Doppel-Konkurrenz beim Rasenklassiker im All England Lawn Tennis Club sind sie an Position 13 gesetzt. Marcelo Demoliner aus Brasilien und Divij Sharan aus Indien heissen die machbaren Auftaktgegner.
Vor einem Jahr spielten Mies und Krawietz in Wimbledon erstmals gemeinsam ein Grand-Slam-Turnier und kamen über die Qualifikation prompt bis ins Achtelfinale. Sollten sie diesmal nicht bis zum Ende mitspielen, werden sie womöglich zu Gegnern.
Denn am Tag vor dem Finale im Herren-Doppel treffen ihre Tennis-Clubs TC Grosshesselohe und Kölner THC aufeinander. Die French-Open-Gewinner verdienen auch in der Bundesliga ihr Geld. Viel lieber als ein Liga-Einsatz wäre ihnen natürlich das Wimbledon-Finale. «Wir können nicht nur die Rolle des Jägers, wir können auch die Rolle des Gejagten ausfüllen», sagte Mies.