Ski-Saison 2020/21: FIS-Präsident Gian Franco Kasper im Interview
Die Corona-Krise wird auch Auswirkungen auf die kommende Ski-Saison haben. Im Interview spricht FIS-Präsident Gian Franco Kasper über die Pläne für 2020/2021.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Ski-Saison 2020/21 wird wohl auch nicht von der Corona-Krise verschont bleiben.
- FIS-Präsident Gian Franco Kasper erklärt, wie sich der Verband auf die Saison vorbereitet.
Die Corona-Pandemie hat zum vorzeitigen Abbruch des Weltcup-Winters 2019/2020 geführt. Und sie wird Auswirkungen auf den kommenden Winter haben. Welche, das ist unklar und selbst FIS-Präsident Gian Franco Kasper kann im Interview mit Nau.ch keine konkreten Antworten liefern.
Nau.ch: Die Rennfahrerinnen und Rennfahrer stecken im Aufbautraining, aber kaum eine oder kaum einer rechnet mit einem «normalen» Weltcup-Winter. Teilt der FIS-Präsident diese Ansicht, oder besser diese Befürchtung?
Gian Franco Kasper: «Das sind natürlich zum jetzigen Zeitpunkt nur Spekulationen. Wir haben alle die Sorge, dass der Winter nicht in der üblichen Form ablaufen wird. In der südlichen Hemisphäre werden wir mit diversen Änderungen, Rennausfällen und Rennabsagen leben müssen.»
Nau.ch: Da derzeit vieles denkbar und nichts gesichert ist: gibt es bei der FIS Pläne A, B, C oder sogar D? Was sehen diese vor?
Gian Franco Kasper: «Wir haben im Prinzip derartige Pläne oder arbeiten solche auch aus. Aber auch da: Derzeit ist zu vieles noch spekulativ. Vielleicht sind Rennen in einigen Ländern möglich, in anderen nicht. Vielleicht müssen wir uns mit Reisebeschränkungen auseinandersetzen.
Es bringt nichts, wenn wir heute einen Plan B oder C in Kraft setzen, weil dieser auf Spekulationen aufbauen würde. Aber ganz klar: wir müssen damit rechnen, dass wir Ausfälle und Absagen haben werden. Wir beobachten die Entwicklungen genau. Zum Glück ist bis zum Start der Wintersaison noch etwas Zeit.»
Nau.ch: Ist innerhalb der FIS eine Corona-Taskforce gebildet worden, die sich dieser Problematik annimmt?
Gian Franco Kasper: «Nein.»
Nau.ch: Was passiert, wenn auch im Winter noch Reisebeschränkungen bestehen und einzelne Athletinnen/Athleten gar nicht zu den Weltcup-Rennen anreisen können?
Gian Franco Kasper: «Weltcup-Rennen können nur dann durchgeführt werden, wenn für sämtliche Athletinnen und Athleten eine Möglichkeit zur Anreise gegeben ist. Findet ein Weltcup-Rennen beispielsweise in der Schweiz statt, dann müssen sämtliche Sportlerinnen und Sportler einreisen dürfen.
Wenn aber die Amerikaner aufgrund der in den USA geltenden Bestimmungen nicht ausreisen können, wäre eine Durchführung juristisch möglich. Aber selbstverständlich läuft ein solches Szenario komplett entgegen den Ideen der FIS und entspricht nicht der Grundhaltung unseres Verbandes.»
Nau.ch: Sind Rennen ohne Zuschauer denkbar? Wann fällt ein entsprechender Entscheid, damit die Veranstalter nicht unnötig in Zuschauer-Infrastrukturen investieren, die dann gar nicht gebraucht werden können?
Gian Franco Kasper: «Auch das sind, Stand heute, Spekulationen. Eine Entscheidung, ob ein Rennen ohne Zuschauer stattfinden muss, hängt nicht von der FIS ab. Vielmehr kommt es auf die Verordnungen der Regierung des jeweiligen Staates an.
Klar, wenn Orte wie Adelboden, Wengen oder Kitzbühel organisieren müssten, dann wird das für grössere Probleme sorgen. Diese Orte sind auf Zuschauereinnahmen angewiesen. Andernorts fällt es für den Veranstalter nicht so stark ins Gewicht, ob dort nun Zuschauer erlaubt sind, oder eben nicht.
Nau.ch: Einige Weltcup-Orte werden, wenn keine Rennen stattfinden oder keine Zuschauer zu den Rennen anreisen dürfen, in extreme finanzielle Schräglage geraten. Auch nationale Verbände müssten mit enormen Einnahmeverlusten rechnen. Wie kann die FIS hier helfen oder stehen Weltcup-Orte und nationale Verbände komplett in der Eigenverantwortung?
Gian Franco Kasper: «Sowohl als auch. Wir werden für die insgesamt mehr als 1000 abgesagten Rennen die sogenannten Kalendergebühren zurückzahlen.
Lassen Sie mich aber noch etwas festhalten: der Ausfall der Weltcup-Rennen ist die eine Sache. Viel gravierender sind, wie ich finde, die vielen Rennabsagen vorab im Nachwuchsbereich. Das bereitet mir persönlich grössere Sorgen.»
Nau.ch: Wird der Rennkalender 2020/21 wegen der Covid-19-Pandemie und aufgrund ökologischer Überlegungen gegenüber der Planung ein komplett anderes Gesicht bekommen?
Gian Franco Kasper: «Das kann ich im Moment nicht sagen. Selbstverständlich wird innerhalb der FIS, und auch mit den Weltcup-Direktoren und den Organisatoren darüber diskutiert. Eine Veränderung des Rennkalenders gibt es mit heutigem Datum nicht.
Wenn wir in dieser Hinsicht Entscheidungen über Änderungen fällen müssen, dann muss das relativ früh geschehen. Spätestens im Herbst müssten dann Nägel mit Köpfen gemacht werden. Ich gehe davon aus, dass der aktuelle Weltcup-Kalender Veränderungen erfahren wird.»