Thomas Tumler: Mit 34 Jahren passt es endlich
Das Wichtigste in Kürze
- Thomas Tumler ist diese Saison der siebtbeste Riesenslalom-Fahrer der Welt.
- Mit 34 Jahren geht beim Bündner der Knopf endlich auf.
- Klappt es beim Saison-Final in Saalbach gar mit einem Podestplatz?
«Stehe einmal mehr auf als du hingefallen bist.» Thomas Tumler hat sich diese Weisheit verinnerlicht, er hat sie auf seiner Website verewigt.
Den Satz, in dem sich für ihn sehr viel Wahres bündelt. Er ist die kürzestmögliche Version für den Beschrieb des Skirennfahrers aus Samnaun. Überspitzt formuliert die Wiedergabe einer Karriere in acht Worten.
Fährt Thomas Tumler beim Saisonfinal in Saalbach auf das Riesen-Podest?
Thomas Tumler ist oft hingefallen, mehr als die meisten seiner Konkurrenten – und immer wieder aufgestanden. Stets aufs Neue beseelt vom Gedanken, es trotz allen Widrigkeiten und Zweifeln doch noch nach oben zu schaffen. Getrieben vom Selbstverständnis, dafür das nötige Können mitzubringen.
Wenn gesund, stand der Skisport an erster Stelle
Tumler hat (noch) keine Berge versetzt, aber manche Klippe übersprungen. Er hat sich aus Lagen befreit, die für andere Fahrer längst den Zeitpunkt bedeutet hätten, den Bettel hinzuschmeissen. Solche Phasen hat auch er durchlebt, wenn auch nur kurzzeitige.
Dann, wenn der Körper den Belastungen nicht mehr standgehalten hat. Dann hat sich auch Tumler oft die Sinnfrage gestellt, sind bei ihm Gedanken an die Zeit nach der Karriere hochgekommen. Daran, auch im Alter von 40 oder 50 Jahren noch uneingeschränkt seinen Hobbys nachgehen zu können. «Wenn ich aber wieder gesund war, stand der Skirennsport wieder an erster Stelle.»
Die Sorgen um den Rücken ziehen sich wie ein roter Faden durch Tumlers Werdegang vom Jungspund zum Routinier. Das Kreuz mit dem Kreuz hat vor gut sieben Jahren in einen Bandscheibenvorfall und vorzeitigem Saisonende gemündet. Auf eine Operation hat Thomas Tumler verzichtet, Therapien haben ihn wieder auf die Beine gebracht.
Der Tiefpunkt nach dem Coup
Knapp vier Jahre später meldete sich der Bandscheibenvorfall nach einem Sturz im Training zurück. Wieder versuchte Tumler, dem Problem mit konservativer Behandlung Herr zu werden. Um Wochen später doch einen operativen Eingriff vornehmen zu lassen.
Die Saison war für ihn gelaufen, bevor sie richtig begonnen hatte. Zwei Jahre nach seinem Coup in Beaver Creek war Tumler an einem nächsten Tiefpunkt angelangt.
In Colorado hatte Tumler im Riesenslalom aus dem Nichts heraus Platz 3 erreicht. Nachdem er zuvor in dieser Disziplin nie über Rang 26 hinaus gekommen war.
Er war es, der als 1. Schweizer sieben Jahre und neun Monate nach Carlo Jankas Sieg in Kranjska Gora wieder aufs Riesenslalom-Weltcup-Podest stieg. Das verlieh dem Coup eine noch kitschigere Note.
Die Bestätigung des Resultats, das für Tumler «viele Wunden heilte», blieb aus. Die 2. Weltcup-Klassierung unter den ersten drei, Zweiter im Parallel-Riesenslalom in Chamonix in Hochsavoyen 14 Monate später, half nur bedingt.
Es sollten vier weitere Jahre mit Misserfolg und Enttäuschungen ins Land ziehen. Die Operation am Rücken hinterliess Spuren. Thomas Tumler kam das Vertrauen abhanden, er konnte sich nicht überwinden, die innere Handbremse war blockiert. Erst die temporäre Zusammenarbeit mit einem Mental-Trainer schaffte Abhilfe.
Thomas Tumler stand vor dem Ende – und dann...
Das Ende des Skirennfahrers Tumler war trotzdem nah. Doch der Bündner zog den Kopf zwei weitere Male aus der Schlinge. Zweimal tat sich in Kranjska Gora Entscheidendes zu seinen Gunsten.
Im vorletzten Winter reichte Platz 22 im zweiten Riesenslalom in der slowenischen Station, um den Verlust des Kaderstatus abzuwenden. Er reichte, um die Trainer um Chefcoach Tom Stauffer von Tumlers Willen und dessen Einstellung zu überzeugen. Für einmal machte die Rückversetzung aus der Nationalmannschaft ins C-Team einen Fahrer glücklich.
Vor Rennbeginn war Tumlers Gefühlswelt eine ganz andere. Miserabel sei es ihm gegangen, blickt er zurück auf die Tage, an denen es um Sein oder Nichtsein ging. «Kurz vor dem Start hatte ich Tränen in den Augen.»
Die Leistung war aus seiner Sicht trotz besserer Klassierung eine schlechtere als tags zuvor. Tumler sah darin «ein Zeichen. Das Schicksal wollte, dass ich weiterfahre».
Der Wendepunkt
Zwölf Monate später stand Thomas Tumler vor der Anreise nach Kranjska Gora erneut am Scheideweg. Im zweiten Riesenslalom am Podkoren holte er Platz 16. Und damit die nötigen Punkte, um in der Disziplinen-Wertung unter die besten 25 Fahrer vorzurücken. Und sich die Teilname am Finale in Soldeu zu sichern.
Was er damals nicht wusste: Er hatte den Grundstein gelegt, um die lang ersehnte Wende zum Guten einzuleiten. Rang 5 in Andorra war auch ein klares Signal. Das bis dahin zweitbeste Ergebnis im Weltcup-Riesenslalom war Beleg für einen Fahrer, bei dem die entscheidenden Parameter endlich stimmen.
Thomas Tumler fährt ähnliche Latten wie Marco Odermatt
Tumler nennt die Komponenten, die es ihm erlauben, das abzurufen, wozu er sich schon vor Jahren befähigt gesehen hat. Er erwähnt die Zusammenarbeit mit dem Servicemann und den Trainern. Die Harmonie im Team, den guten internen Austausch. Und natürlich die vor vier Jahren begonnene Partnerschaft mit der Firma Stöckli.
Aus deren Palette fährt er mittlerweile Ski mit härterer Struktur. Ähnlich jenen Latten, die Marco Odermatt bevorzugt.
Die härteren Modelle machen für Tumler seit seinem neuesten Vorstoss in der Startliste Sinn. «In Zeiten, als ich noch mit hohen Nummern fuhr, kam dieser Ski für mich nicht in Frage.»
Hohe Startnummern gehören für Thomas Tumler gottlob der Vergangenheit an. In der Disziplinen-Wertung nimmt er Rang 7 ein, in der Weltcup-Startliste Platz 8. Nach dem verletzungsbedingten Ausfall des Österreichers Marco Schwarz liegt er auch hier faktisch auf Position 7.
Im nächsten Weltcup-Riesenslalom wird Tumler somit zum ersten Mal zur Top-Gruppe mit den besten sieben gehören. Nach der Absage des Rennens in Kranjska Gora muss er sich mit der Premiere bis zum Saisonfinale in Saalbach gedulden.
Tumler kann es verkraften. Sieben Tage sind ein Klacks für einen wie ihn, der sich während Jahren in Geduld hat üben müssen. Der so oft wieder aufgestanden ist – und der hoffentlich so schnell nicht mehr hinfällt.