«Harter Tag» bei Twitter: Riesiger Hack prominenter Accounts
Wenn Berühmtheiten wie Barack Obama, Elon Musk und Jeff Bezos etwas auf Twitter schreiben, hat das Gewicht. Umso schwerer wiegt es, wenn die Prominenten-Accounts in einem gross angelegten kriminellen Hack missbraucht werden.
Das Wichtigste in Kürze
- In einer beispiellosen Hacker-Attacke auf Twitter haben Unbekannte Profile prominenter Nutzer wie Ex-US-Präsident Barack Obama und Amazon-Chef Jeff Bezos gekapert und einen Bitcoin-Betrug beworben.
Twitter versprach Aufklärung darüber, ob die Angreifer sich auch Zugang zu Informationen der betroffenen Accounts verschaffen konnten. Die Bundeskriminalpolizei FBI erklärte am Donnerstag, Ermittlungen aufgenommen zu haben. Der Hackerangriff dürfte nicht ohne Folgen für das Vertrauen in die Plattform bleiben - zumal von der Attacke verifizierte Accounts betroffen waren und der Angriff offenbar von innen heraus erfolgte. Bitcoin ist eine virtuelle Währung, die im Gegensatz zu regulären Währungen nicht von einer zentralen Institution gemanagt wird.
Nach ersten Erkenntnissen des Kurznachrichten-Dienstes wurden in einer koordinierten Attacke Twitter-Mitarbeiter mit Zugang zu internen Systemen ins Visier genommen. Seit Beginn der Corona-Krise arbeitet ein Grossteil der Twitter-Beschäftigten von Zuhause aus. Zugleich berichtete die Website «Vice» unter Berufung auf einen angeblichen Angreifer, sie hätten auch einen Twitter-Insider für seine Hilfe bezahlt. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig bestätigen.
Wenn Berühmtheiten wie Barack Obama auf ihren verifizierten Accounts - gut erkennbar durch das blau unterlegte Häkchen neben dem Namen - etwas schreiben, hat das Gewicht. «Ich gebe meiner Community wegen Covid-19 etwas zurück»: Mit diesen Worten und in Anspielung auf die Coronavirus-Krise begann die am Mittwoch verbreitete Botschaft, in der versprochen wurde, eingeschickte Bitcoins doppelt zurückzuzahlen.
Dafür missbraucht wurde nicht nur Obamas Profil, sondern auch das des demokratischen Präsidentschaftsanwärters Joe Biden, des früheren New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg, des Rappers Kanye West, des Microsoft-Gründers Bill Gates sowie des Tesla-Chefs Elon Musk. Zumindest Musk war bislang nicht als Wohltäter aufgefallen, das hätte viele User misstrauisch machen können, die arglos auf den Link in dem Tweet geklickt haben.
Der Account des US-Präsidenten Donald Trump war nicht betroffen. Für Trump ist Twitter ein zentraler Kommunikationskanal, auf denen er immer wieder folgenschwere politische Entscheidungen verkündet.
Besonders alarmierend an der Attacke ist, dass es den Angreifern trotz aller Sicherheitsvorkehrungen gelang, in grossem Stil ihre Botschaften auch über sehr gut geschützte Twitter-Accounts zu verbreiten. Mit diesem Zugang hätten sie statt einer kruden Bitcoin-Betrugsmasche zum Beispiel auch versuchen können, über falsche Tweets Aktienkurse zu manipulieren.
«Wir alle bedauern, dass dies passiert ist», schrieb Twitter-Chef Jack Dorsey. «Ein harter Tag für uns bei Twitter.» Sobald die Firma «ein besseres Verständnis» von dem habe, was passiert sei, werde man die Öffentlichkeit so ausführlich wie möglich darüber informieren.
Auf ein in den Twitter-Nachrichten genanntes Bitcoin-Konto wurde schnell Kryptowährung im Wert von über 100.000 Dollar eingeschickt. Viele der Twitter-Accounts wurden zeitweise gesperrt, waren aber kurze Zeit später ohne die betrügerischen Nachrichten wieder online.
Mehrere Stunden lang konnten verifizierte Twitter-Profile grösstenteils gar nicht twittern, weil der Dienst so eine weitere Verbreitung der Bitcoin-Betrugsmasche stoppen wollte. Ein US-Meteorologe, Derrick Snyder, sah sich gezwungen, eine offizielle Tornado-Warnung über seinen privaten statt über einen verifizierten Account des Nationalen Wetterdienstes abzusetzen. «Was für ein Chaos», schrieb Snyder mit Blick auf den Hackerangriff.
Twitter hatte in der Vergangenheit immer wieder mal Probleme mit dem Kapern von Accounts - aber noch nie auf so breiter Front und bei so vielen prominenten Namen auf einmal. Schon das Ausmass der Attacke legt nahe, dass diesmal nicht wie bei früheren Fällen etwa eine mit Twitter-Accounts verknüpfte App ausgenutzt wurde, sondern dafür direkt Systeme von Twitter eingesetzt wurden.
Die Accounts der Prominenten dürften mit komplexen Passwörtern sowie der sogenannten Zwei-Faktor-Authentifizierung geschützt sein, bei der zusätzlich noch ein frisch zugeschickter Code für die Anmeldung auf einem weiteren Gerät erforderlich ist. Über den Zugriff auf Twitter-Systeme liessen sich diese Sicherheitsvorkehrungen jedoch ganz offensichtlich aushebeln.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Handel im US-Senat, Roger Wicker, drückte in einem Brief an Dorsey seine Beunruhigung über den Zwischenfall aus und forderte eine Unterrichtung des Ausschusses durch Twitter-Mitarbeiter. Der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo äusserte Sorge mit Blick auf die anstehende US-Wahl: «Der Twitter-Hack und die Übernahme vieler verifizierter Twitter-Konten sind zutiefst beunruhigend und werfen Bedenken hinsichtlich der Cybersicherheit unserer Kommunikationssysteme auf, die bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen von entscheidender Bedeutung sind.»
Twitter hatte die Sicherheitsvorkehrungen weiter verschärft, nachdem Unbekannte vor knapp einem Jahr Nachrichten über den Account des Firmenchefs Jack Dorsey verbreitet hatten. Der Dienst erklärte damals, seine Systeme seien nicht gehackt worden, aber eine Sicherheitslücke bei Dorseys Mobilfunk-Anbieter habe das Versenden der Tweets per SMS zugelassen. Zuletzt gelang es Ende Januar einer Gruppe, die sich «OurMine» nennt, auf den Accounts mehrerer amerikanischer Football-Teams zu posten. Man habe damit zeigen wollen, «dass alles hackbar ist», hiess es damals.
Der wahrscheinliche Herausforderer von US-Präsident Trump reagierte auf den Hack mit einem Aufruf für neue Wahlkampfspenden. Er werde seine Anhänger nie um Bitcoins bitten, schrieb Biden am Donnerstag auf Twitter. «Aber wenn Sie mithelfen wollen, sicherzustellen, dass Donald Trump nur eine Amtszeit haben wird, können Sie das hier tun», schrieb er - und verwies auf eine Spendenseite für seinen Wahlkampf.