Biden fehlt nur noch ein US-Bundesstaat

Gespannt schauen Amerika und die Welt auf Pennsylvania, North Carolina, Georgia und Nevada. Dort zeichneten sich denkbar knappe Ergebnisse der Präsidentschaftswahl ab. Biden mahnt, dass jede Stimme gezählt werden müsse. Trump fordert ein Ende der Auszählung.

Ein Wahlhelfer im Bezirk Clark County, zu dem Las Vegas gehört. Foto: John Locher/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Auch zwei Tage nach der Präsidentschaftswahl in den USA war nicht entschieden, wer die nächsten vier Jahre im Weissen Haus regiert.

Der republikanische Amtsinhaber Donald Trump meldete sich mit ungeduldigen Tweets zu Wort und sprach erneut von Betrug, ohne jeden Beleg.

Der demokratische Herausforderer Joe Biden mahnte zu Geduld und zeigte sich weiter optimistisch, die nötige Mehrheit von 270 Stimmen in der Wahlversammlung zu erreichen.

Dazu fehlte Biden noch die Mehrheit in einem der noch nicht entschiedenen Staaten - vorausgesetzt in Arizona bestätigen sich die Meldungen der Nachrichtenagentur AP und des TV-Senders Fox, wonach der Demokrat die Wahl am Dienstag dort gewonnen hat.

Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur AP und des TV-Senders Fox News hat Biden bislang die Stimmen von 264 Wahlleuten sicher. Andere Medien wie der Sender CNN und die «New York Times» sahen Biden erst bei 253 Stimmen. Grund dafür ist, dass sie den Staat Arizona noch nicht für entschieden halten. Am frühen Donnerstagabend (MEZ) stellte sich die Lage so dar:

PENNSYLVANIA (20 Stimmen für die Wahlversammlung):

Der Vorsprung für Trump schrumpfte mit der anhaltenden Auszählung von Briefwahlstimmen. Zuletzt waren rund 550.000 Stimmzettel noch nicht ausgezählt, wie Staatssekretärin Kathy Boockvar dem TV-Sender CNN mitteilte. Auf die Frage, ob bis zum Ende des Tages (Freitagmorgen MEZ) ein Gewinner in Pennsylvania bekanntgegeben werden könnte, antwortete sie: «Ja, das könnten wir definitiv.» Bei einem Auszählungsstand von 92 Prozent lag Trump mit 50,2 Prozent der Stimmen knapp vor Biden mit 48,5 Prozent.

NORTH CAROLINA (15 Stimmen):

Auch in dem Ostküsten-Staat gibt es noch keine Entscheidung. Bei einem Auszählungsstand von schätzungsweise 95 Prozent lag Trump mit 50,0 Prozent vor Biden (48,6 Prozent). In North Carolina werden auch noch Briefwahlstimmen gezählt, die bis zum 12. November eingehen.

GEORGIA (16 Stimmen):

In dem Südstaat gibt es ein denkbar enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Trump führte dort mit 49,5 Prozent vor Biden mit 49,2 Prozent. Es standen nur noch rund 60.000 Stimmen zur Zählung aus. «Ich denke, wir sind uns alle einig, dass eine genaue und faire Zählung viel wichtiger ist als eine schnelle Zählung», sagte Gabriel Sterling, ein leitender Mitarbeiter des Wahlamtes.

NEVADA (6 Stimmen)

In Nevada führte Biden mit 49,5 Prozent der Stimmen knapp vor Trump (48,5 Prozent). Biden lag dort nach Auszählung von etwa 87 Prozent der Stimmzettel knapp 12.000 Stimmen vor Trump.

In ARIZONA hielt das Trump-Lager am Donnerstag weiter die Hoffnung hoch, das Ergebnis für Biden noch kippen zu können. Die bei der Bekanntgabe von Ergebnissen sehr zurückhaltende AP hatte in Arizona bereits in der Wahlnacht eine Entscheidung für Biden gemeldet, ebenso der TV-Sender Fox. Am Donnerstag führte Biden bei einem Auszählungsstand von 86 Prozent mit 50,5 Prozent vor Trump mit 48,1 Prozent. Am Donnerstag erklärte AP-Chefredakteurin Sally Buzbee: «Die Associated Press beobachtet und analysiert weiterhin die Auszählungsergebnisse der Stimmen aus Arizona, während sie eintreffen.» Sie betonte: «Wir werden den Fakten in allen Fällen folgen.»

Die Wahlkampfmanager beider Seiten erklärten, ihre Kandidaten seien siegessicher und würden sich die noch offenen Bundesstaaten sichern. «Unsere Daten zeigen, dass Joe Biden der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein wird», sagte Bidens Wahlkampfmanagerin Jen O'Malley Dillon. Trumps Wahlkampfleiter Bill Stepien sagte, der Präsident stehe gut da und werde die Wahl gewinnen. «Donald Trump ist am Leben, und es geht ihm gut», sagte er.

In mehreren Staaten schickte Trumps Wahlkampfteam Anwälte mit Klagen los, um gegen eine drohende Niederlage vorzugehen. Trump selbst forderte über Twitter einen Stopp der Stimmauszählung. Trumps Wahlkampagne kündigte an, in Wisconsin mit Blick auf «Unregelmässigkeiten» eine Neuauszählung der Stimmen beantragen zu wollen. In Michigan hat sie nach eigenen Angaben Klage bei einem Gericht eingereicht und einen sofortigen Stopp der weiteren Auszählung verlangt, bis den Republikanern Zugang zu den Wahllokalen gewährleistet werde. In Pennsylvania wollen die von den Republikanern beauftragten Anwälte verhindern lassen, dass Briefwahlstimmen als gültig gewertet werden, die bis Freitag eintreffen - diese Regelung hatte das Oberste Gericht der USA zugelassen.

O'Malley Dillon bezeichnete die rechtlichen Schritte Trumps als Verzweiflungstat eines Verlierers. Trump hatte bereits in der Wahlnacht den Sieg für sich beansprucht - obwohl zu dem Zeitpunkt noch Millionen Stimmen auszuzählen waren.

In New York, Portland, Detroit, Chicago, Philadelphia und Phoenix war es am Mittwochabend zu Protesten gekommen. Zum Teil forderten dabei Anhänger Bidens die korrekte Auszählung aller Stimmen, Anhänger Trumps forderten einen Stopp der Auszählung und sprachen von Betrug.

Der US-Präsident wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von Wahlleuten. Deren Stimmen gehen mit Ausnahme der beiden Staaten Nebraska und Maine vollständig an den Sieger in dem jeweiligen Bundesstaat. Die Wahlversammlung kommt am 14. Dezember zusammen.

Bei den Teilwahlen zum Kongress, die gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl stattfanden, zeichnete sich unterdessen ab, dass es zu keinen grösseren Verschiebungen in beiden Häusern kommt. Demnach könnten die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus behaupten. Die Republikaner haben dagegen gute Chancen, ihre Mehrheit im Senat zu verteidigen. In Georgia kommt es zu mindestens einer Stichwahl um einen Senatssitz am 5. Januar 2021. In dem Bundesstaat ist auch das Rennen um einen weiteren Senatssitz so knapp, dass eine Stichwahl nicht ausgeschlossen erscheint.

Erstmals wurden zwei schwarze Abgeordnete ins Repräsentantenhaus gewählt, die sich zu ihrer Homosexualität bekennen - Mondaire Jones und Ritchie Torres.