Trump für schnelle Nachfolge für Ginsburg (†87) im Obersten Gericht
Die US-amerikanische Justiz-Ikone Ruth Bader Ginsburg ist tot. Die älteste Richterin am höchsten Gericht der USA wurde 87 Jahre alt.
Das Wichtigste in Kürze
- Richterin Ruth Bader Ginsburg ist im Alter von 87 Jahren ihrer Krebserkrankung erlegen.
- Sie wünschte sich, dass erst nach den US-Wahlen über ihre Nachfolge entschieden wird.
- Die republikanische Mehrheit im Senat will ungeachtet der Wahl darüber abstimmen.
Die älteste Richterin am höchsten Gericht der Vereinigten Staaten, dem Supreme Court, starb am Freitag im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung, wie das Gericht in Washington mitteilte. Sie starb demnach im Kreis ihrer Familie.
Der Supreme Court hat eine prägende Rolle für die Gesellschaft und Politik in den USA. Das Gericht verhandelt hochumstrittene Themen wie Abtreibung, Waffenrecht, Gleichberechtigung und Einwanderung.
Nicht selten haben die neun Richter das letzte Wort in Auseinandersetzungen um weichenstellende Gesetze und Verfügungen. Die gefällten Entscheidungen sind häufig von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten über Jahre, teils Jahrzehnte.
Ginsburg übte ihr Amt an dem hochpolitischen Gericht bis zuletzt aus und galt als prominenteste Vertreterin des liberalen Flügels. Sie war in diesem Jahr mehrfach kurzzeitig im Krankenhaus behandelt worden.
Ginsburg wünschte Nachfolge erst nach Präsidentenwahl
Ginsburg wollte einem Bericht zufolge, dass ihre freiwerdende Richterstelle am höchsten US-Gericht erst in der nächsten Präsidenten-Amtszeit besetzt wird.
«Mein inbrünstigster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident im Amt ist», habe Ginsburg wenige Tage vor ihrem Tod gesagt, berichtete der Rundfunksender NPR unter Berufung auf ihre Enkelin Clara Spera.
Republikaner im Senat planen mit Abstimmung über Ginsburg-Nachfolge
Die republikanische Mehrheit im US-Senat will ungeachtet der nahenden Präsidentenwahl über ihre Nachfolge am Obersten Gericht abstimmen. Das kündigte Mehrheitsführer Mitch McConnell wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Todes von Ginsburg an.
Sollte US-Präsident Donald Trump zum dritten Mal in seiner Amtszeit die Chance bekommen, einen Supreme-Court-Richter zu ernennen, könnte er damit das politisch äusserst wichtige Gericht auf Jahre beeinflussen.
Der Republikaner hat sich bereits entschlossen gezeigt zu dem Versuch, den Richterposten auch noch in den letzten Monaten seiner aktuellen Amtszeit nachzubesetzen. «Ich würde es machen. Absolut. Ganz sicher», sagte Trump vergangenen Monat in einem Radio-Interview.
Der US-Präsident äusserte sich bereits auf Twitter zu Ginsburgs Tod. Er bezeichnete die Richterin als «Titanin des Rechts». Mit ihren Urteilen unter anderem zur Gleichberechtigung von Frauen und Menschen mit Behinderungen habe sie «alle Amerikaner und Generationen grossartiger juristischer Denker inspiriert», erklärte Trump.
US-Präsident Donald Trump hat deutlich gemacht, dass er die Stelle der verstorbenen Verfassungsrichterin noch in seiner auslaufenden Amtszeit neu besetzen möchte. Er appellierte am Samstag an die Republikaner, schnell dafür zu sorgen. Zugleich ging Trump aber nicht so weit, anzukündigen, dass er einen Kandidaten nominieren werde.
«Wir wurden in die Position der Macht gebracht, um Entscheidungen für die Menschen zu treffen, die uns gewählt haben», schrieb Trump am Samstag auf Twitter an die Adresse der Republikaner. Die wichtigste Aufgabe davon sei es, Richter des Supreme Court zu ernennen. «Wir haben diese Verpflichtung, ohne Aufschub!»
Obama und Biden pochen auf Nachfolge nach Wahlen
US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat dazu aufgerufen, in der aktuellen Amtszeit von Präsident Donald Trump keinen Nachfolger für die verstorbene Richterin Ruth Bader Ginsburg am Obersten Gericht der USA zu ernennen.
«Ohne Zweifel sollten die Wähler den Präsidenten aussuchen, und der Präsident sollte den Richter dem Senat vorschlagen», sagte Biden am Freitag über die Reihenfolge der zu treffenden Entscheidungen. Das sei die Position, die der Senat einnehmen müsse.
Auch der frühere US-Präsident Barack Obama hat sich den Forderungen angeschlossen, die Position von Ginsburg im Obersten Gericht der USA nicht in der aktuellen Amtszeit seines Nachfolgers Donald Trump nachzubesetzen.
Im Wahljahr 2016 hätten die Republikaner «das Prinzip erfunden, dass der Senat eine Vakanz im Supreme Court nicht füllen sollte, bevor ein neuer Präsident vereidigt wird», erklärte Obama in der Nacht zum Samstag.
Ein Grundsatz von Recht und Fairness sei, dass Regeln einheitlich angewendet werden, und nicht abhängig davon, was gerade vorteilhaft sei. Die Republikaner im Senat hatten vor vier Jahren einen von Obama nominierten Kandidaten unter Verweis auf den unpassenden Zeitpunkt im Wahljahr blockiert.
Clinton nominierte Ginsburg
Ginsburg wurde 1993 vom damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton für den Supreme Court nominiert – und wurde zur wohl bekanntesten Richterin.
Die damals 60-Jährige war die zweite Frau überhaupt an dem Gericht. Auch in ihrer Studienzeit war sie eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne.
Einen Namen machte sich Ginsburg mit ihrer scharfen Argumentationsweise. Bekannt war sie auch als Vorreiterin für Frauen- und Bürgerrechte.
Ihr Leben und Wirken ist Gegenstand mehrerer Filme und Bücher. Viele Liberale feiern sie als Ikone. Ihr Gesicht findet sich auf Souvenirs und als Graffiti an Hausfassaden.
Ginsburg musste mehrmals operiert werden
Ginsburg hatte sich im August 2019 wegen eines bösartigen Tumors in der Bauchspeicheldrüse einer Strahlentherapie unterziehen müssen. Bereits im Jahr davor war sie an der Lunge operiert worden, nachdem Ärzte zwei bösartige Knoten gefunden hatten.
Nach mehreren Krankenhausaufenthalten teilte sie im Juli 2020 mit, dass sie erneut an Krebs erkrankt sei und sich einer Chemotherapie unterziehe. Konsequenzen für ihren Posten am Supreme Court zog sie nicht: «Ich habe oft gesagt, dass ich Mitglied des Gerichts bleiben werde, so lange ich die Arbeit mit voller Kraft erledigen kann», hatte sie bei Bekanntgabe der Erkrankung erklärt.
Die Besetzung eines Richterpostens am Supreme Court ist ein grosses Politikum. Mit der Ernennung kann der Präsident die Linie des obersten Gerichts mit seinen neun Richterstellen auf viele Jahre hinaus beeinflussen, denn die Richter werden auf Lebenszeit gewählt. Schon jetzt hat das oberste Gericht ein konservatives Übergewicht. Mit dem Tod Ginsburgs könnte sich dieses womöglich für lange Zeit festigen.
Derzeit gelten fünf Richter als konservativ, nach Ginsburgs Tod verbleiben noch drei im liberalen Block. Trump ernannte während seiner Amtszeit Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh. Die Berufung Kavanaughs war wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe in den 1980er Jahren heftig umstritten.