Suche nach Tornado-Überlebenden dauert an
Die Tornados in den USA haben besonders im Bundesstaat Kentucky viele Menschen das Leben gekostet. Das genaue Ausmass der Katastrophe ist weiterhin unklar. Kentuckys Gouverneur hofft auf ein Wunder.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach den verheerenden Tornados in den USA mit vermutlich Dutzenden Toten geht die Suche nach Vermissten in dem besonders schwer betroffenen Bundesstaat Kentucky weiter.
«Wir hoffen immer noch auf ein Wunder, dass wir mehr Menschen finden und die Zahl der Todesfälle hoffentlich geringer ist als erwartet», sagte Kentuckys Gouverneur Andy Beshear am Sonntag (Ortszeit) bei einem Besuch in dem von Zerstörung gezeichneten Ort Mayfield. Beshear ging weiterhin von Dutzenden Toten alleine in Kentucky aus.
Die genaue Zahl der Todesopfer, Verletzten und Vermissten sei aber unklar, sagte er. «Das Ausmass der Verwüstung macht es einfach schwierig, konkrete Zahlen zu haben.»
Die Tornados hatten in der Nacht zu Samstag eine Kerzenfabrik in Mayfield dem Erdboden gleichgemacht, in der wegen der Weihnachtszeit rund um die Uhr gearbeitet wurde. Beshear sagte am Sonntag, man gehe wie am Vortag von 110 Menschen in der Fabrik aus, von denen nur rund 40 gerettet worden seien. «Das Unternehmen sagt derzeit, dass es andere Informationen hat, aber bis wir das überprüfen können, sind wir immer noch auf dem Stand von gestern.» Der Gouverneur fügte hinzu: «Ich bete dafür, dass die ursprünglichen Schätzungen über diejenigen, die wir verloren haben, vielleicht falsch waren. Wenn ja, wäre es ziemlich wunderbar, aber es ist noch viel zu früh.»
100 Todesopfer befürchtet
Beshear sagte mit Blick auf die befürchtete Zahl der Toten: «Das Beste, worauf wir hoffen können, sind 50. Aber ich denke, es wird deutlich schlimmer werden als das. Denken Sie daran, dass wir immer noch Leichen finden.» Der Gouverneur war am Samstagmorgen zunächst von mindestens 50 Toten ausgegangen. Am Sonntagmorgen rechnete er dann mit mehr als 80 und womöglich sogar mehr als 100 Todesopfern. Offiziell bestätigt waren diese Zahlen aber nicht. Beshear betonte bei der Pressekonferenz am Sonntag, der Ausfall von Handynetzen erschwere die Suche nach Vermissten zusätzlich.
Seit Samstag sei keiner mehr lebend aus den Trümmern geborgen worden, berichteten US-Medien. Zehntausende Menschen seien zeitweise ohne Strom. Tausende seien Schätzungen von Gouverneur Beshear zufolge obdachlos. Notunterkünfte seien geöffnet worden, um Betroffene aufzunehmen. Die nächtlichen Temperaturen in der Region lagen zuletzt um den Gefrierpunkt.
Rund 300 Mitglieder der Nationalgarde seien im Einsatz, sagte Beshear. Sie gingen «von Tür zu Tür», um Überlebende zu finden und um Schutt zu beseitigen. Dort, wo keine Türen mehr stünden, gingen sie «von Trümmerberg zu Trümmerberg».
«Es geschah so schnell»
Kyanna Parsons-Perez ist nach Informationen des Senders CNN eine der Glücklichen, die aus den Trümmern der Kerzenfabrik geborgen werden konnte. Sie habe während des Tornados in der Fabrik gearbeitet. Plötzlich sei das Gebäude über ihr und ihren Kollegen eingestürzt. «Es geschah so schnell», sagte sie dem Sender. «Wir wurden hin und her geschaukelt und dann bumm, alles fiel auf uns hinunter». Sie sei am Kopf getroffen und ihre Beine seien eingeklemmt worden.
Irgendwann habe Parsons-Perez angefangen, sich im Dunkeln zu filmen und über Facebook live zu senden. Sie habe um Hilfe gebeten und stets versucht, ihre Kollegen zu beruhigen. «Als ich da rauskam, konnte ich nichts anderes tun, als Gott zu danken». Rettungskräfte berichteten ihr später, sie habe unter rund 1,5 Meter Trümmern gelegen.
Auch in anderen Bundesstaaten kostete das Sturmsystem mehrere Menschen das Leben, Kentucky wurde aber mit Abstand am härtesten getroffen. CNN berichtete von insgesamt mehr als 30 Tornados in Kentucky, Mississippi, Missouri, Arkansas, Illinois und Tennessee. Bis das volle Ausmass der Katastrophe bekannt wird, dürften Tage vergehen. Nach Angaben Beshears schlug ein Tornado über eine Strecke von 227 Meilen (365 Kilometer) eine Schneise der Verwüstung, 200 Meilen davon in Kentucky. «Nichts, was in der direkten Linie dieses Tornados stand, steht noch», sagte der Gouverneur.
Stürme, Überflutungen, Waldbrände
Für die USA ist es die jüngste einer ganzen Reihe von Naturkatastrophen. Allein in diesem Jahr hatte es zuvor schon zahlreiche Stürme, Überflutungen und Waldbrände gegeben. Präsident Joe Biden sieht in der Häufung und Heftigkeit der Katastrophen eine Folge des Klimawandels, dessen Bekämpfung er zu einer seiner Top-Prioritäten gemacht hat.
Beshear dankte Bidens Regierung und zahlreichen Unterstützern aus den ganzen USA für ihre Hilfe. «Wir sind dankbar für die grosse Liebe, die uns entgegengebracht wird.» Biden hat einen Besuch im Katastrophengebiet in Kentucky in Aussicht gestellt, sobald er die Rettungsoperationen nicht mehr behindere.