Corona-Verschärfung: Warum droht Boris Johnson mit der Armee?
Die Engländer sollen sich an die verschärften Corona-Regeln halten. Ansonsten droht Premierminister Boris Johnson die Armee aufzubieten. Das steckt dahinter.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Dienstag hat Boris Johnson eine Verschärfung der Corona-Massnahmen angekündigt.
- Verstösse werden mit bis zu 10'000 Pfund bestraft.
- Grund sind die steigenden Zahlen bei den Infektionen auf der Insel.
Harte Keule von Boris Johnson. Der britische Premier hat gestern Dienstagabend in einer Ansprache an die britische Nation drastische Anti-Corona-Massnahmen angekündigt.
So müssen Restaurants und die Pubs England-weit bereits um 22 Uhr schliessen. Gäste dürfen nur noch an Tischen bedient werden. Nicht Coronavirus-sichere Geschäfte müssen komplett schliessen. Wenn möglich, soll zu Hause gearbeitet werden.
Hochzeiten werden auf 15 Teilnehmer beschränkt und die Maskenpflicht wird ausgeweitet – etwa auf Taxis, Geschäfte, Pubs und Restaurants.
Insbesondere die Home-Office-Empfehlung erscheint wie eine Kehrtwende, hatte Johnson die letzten Wochen noch eine grosse «Back to Office»-Kampagne gefahren.
Aber dem Premierminister scheint es ernst zu sein: Verstösse gegen die Massnahmen werden mit mindestens 1000 Pfund (rund 1160 Franken) und bis zu 10'000 Pfund bestraft.
Boris Johnson droht mit Militär
Aber nicht nur das. Die Polizei-Präsenz soll massiv erhöht werden und man werde die Massnahmen streng überprüfen. Und Johnson droht: «Wenn nötig, schicken wir die Armee zur Unterstützung.»
Grund für den harten Tonfall: In Grossbritannien schiessen die Corona-Fallzahlen in die Höhe. Seit Anfang Woche gibt es täglich über 4000 Neuinfizierte. Die Infektionszahlen verdoppeln sich etwa alle sieben Tage.
Gesundheitsexperten warnen: Verbreite sich das Virus im gleichen Tempo, könnten Mitte Oktober täglich fast 50'000 Fälle hinzukommen. Bisher zählt das Königreich 41'000 Todesopfer – europaweiter Rekord.
Selbst an Corona erkrankt
Das mit dem Coronavirus nicht zu spassen ist, musste Boris Johnson am eigenen Leib erfahren. Zu Beginn der Pandemie verharmloste er das Virus noch und berichtete stolz, dass er weiterhin überall die Hände schüttle.
Doch dann erkrankte der Premier Ende März selbst am Virus. Musste zwischenzeitlich gar auf der Intensivstation gepflegt werden. Johnson bedankte sich daraufhin bei den Krankenhaus-Mitarbeitern: «Ich verdanke ihnen mein Leben.»
Insgesamt aber brillieren Boris Johnson und seine Regierung wenig mit strikten Massnahmen, sondern sorgen eher für Verwirrung. Wenn Schutzmassnahmen eingeführt werden, geschieht das abrupt und willkürlich.
Man erklärte etwa das Tragen von Masken zunächst für unnötig, um dann auf einen Schlag die Maskenpflicht im ÖV einzuführen. Man sah zunächst auch von Quarantänebestimmungen ab, um sie dann kurz vor den Sommerferien einzuführen. Vier Wochen später sind sie wieder abgeschafft.
Brexit-Folgen mit Corona-Krise vertuschen?
Die Regierung führt diesen Wackelkurs auf die sich stetig verändernde Situation zurück. Man müsse flexibel sein und die Reaktionen der Faktenlage anpassen.
Mit ein Grund dürfte aber auch der Brexit sein. Ende Jahr droht der finale Cut mit der Europäischen Union. Mehrmals wurde bereits der Vorwurf laut, Johnson wolle die Folgen des EU-Austritts der Coronavirus-Krise in die Schuhe schieben.
Derzeit boxt Johnson ein Gesetz im Unterhaus durch, dass das Binnenmarktgesetz des gültigen Brexit-Deals in Teilen aushebeln will. Das sorgte nicht nur innerhalb der EU für Verstimmung – in deren Leseart handelt es sich um einen Rechtsbruch. Sondern auch bei der Opposition und einigen Tory-Leuten sorgt er damit für rote Köpfe. Sie befürchten, dass Johnson so das Ansehen Grossbritanniens beschädige.
Mit seiner Militär-Drohung nimmt nun Johnson die grosse Rhetorik-Keule à la Donald Trump hervor. Und gleich wie bei Trump bleibt der schale Beigeschmack, Johnson wolle mit der einen Krise von der anderen ablenken.