Härtere Strafen bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder geplant
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will sexualisierte Gewalt gegen Kinder härter bestrafen.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesjustizministerin will Strafrahmen nach oben setzen.
Der Verfolgungsdruck «auf diese widerlichen Täter» soll weiter erhöht werden, sagte Lambrecht am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Reformpakets in Berlin. Bislang liegt der Strafrahmen für Kindesmissbrauch bei mindestens sechs Monaten Haft, das soll auf ein Jahr angehoben werden. Auch für den Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie soll das Mindeststrafmass ein Jahr Gefängnisstrafe betragen.
Die Straftatbestände sollen Lambrechts Plänen zufolge künftig nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen eingestuft werden - damit können die Verfahren auch nicht mehr eingestellt werden. «Deswegen wird alles vor Gericht verhandelt werden müssen», sagte Lambrecht.
Demzufolge soll sexualisierte Gewalt mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden können. Zudem will die Justizministerin schwere sexualisierte Gewalt in den Katalog der Schwerkriminalität aufnehmen. Dadurch wäre die Anordnung von Untersuchungshaft auch dann möglich, wenn keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr vorliegt.
Die Verbreitung von Kinderpornos soll einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren bekommen, und der Besitz von Kinderpornografie soll mit bis zu fünf Jahren geahndet werden können. Für die gewerbs- oder bandenmässige Verbreitung ist eine Freiheitsstrafe von zwei bis 15 Jahren vorgesehen.
Taten ohne Körperkontakt wie sexuelle Handlungen vor den Augen eines Kindes sollen als eigener Tatbestand mit dem bisherigen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Lambrecht zeigte sich zuversichtlich, dass das Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet werden kann.
Lambrecht plant auch, den Begriff «Kindesmissbrauch» im Strafrecht abzuschaffen. «Die Wortwahl 'Missbrauch' ist unangebracht, da sie suggeriert, es gebe auch einen legalen 'Gebrauch' von Kindern», heisst es dazu im Papier des Ministeriums. Ersetzt werden soll der Begriff durch «sexualisierte Gewalt gegen Kinder».
Behörden sowie Organisationen der Kinder- und Jugendarbeit sollen ausserdem Zugang zu lange zurückliegenden Verurteilungen erhalten. Das Ministerium sieht zudem eine Regelung für einvernehmliche sexuelle Handlungen annähernd Gleichaltriger vor.
Lambrecht hatte sich zunächst gegen Forderungen aus der Union nach Strafverschärfungen gestellt. Anfang Juni änderte sie jedoch ihre Meinung. Die Debatte hatte wegen des Bekanntwerdens mehrerer Komplexe sexualisierter Gewalt gegen Kinder und zu Kinderpornografie Fahrt aufgenommen. «Mit den erschütternden sexualisierten Gewalttaten, die in den letzten Wochen aufgedeckt wurden, wurde Kindern unermessliches Leid zugefügt», erklärte Lambrecht.
«Dass jetzt über Strafverschärfungen diskutiert wurde, ist ein wichtiger Schritt», sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, der «Passauer Neuen Presse» vom Mittwoch. Allein mit einem schärferen Strafrahmen sei aber «noch nichts erreicht». Er mahnte, das Entdeckungsrisiko für die Missbrauchstäter müsse grösser werden. «Wir hätten viel höhere Erfolgsraten im Kampf gegen Missbrauch im Netz, wenn die IP-Adressen in Deutschland nicht so schnell gelöscht würden.»
Die Grünen stellten unterdessen einen eigenen Vorschlag für ein Handlungspaket zum Schutz von Kindern vor. Wer jetzt reflexhaft ausschliesslich härtere Strafen fordere, «anstatt im Kampf gegen Gewalt an Kindern alle nötigen Instrumente zu nutzen und zu schärfen, kaschiert den wahren Handlungsdruck», hiess es in dem Papier von Parteichefin Annalena Baerbock und der Grünen-Rechtspolitikerin Katja Keul. Sie fordern unter anderem die Stärkung von Jugendämtern und die Aufstockung von Ermittlungsbehörden.