Neuer Regierungschef Tusk will führende Rolle für Polen in der EU
Donald Tusk will das Verhältnis zwischen Polen und der EU wieder deutlich verbessern. Sein Land soll eine führende Rolle in der Union einnehmen.
Polens neuer Regierungschef Donald Tusk hat eine grundlegende Wende in der Europapolitik seines Landes angekündigt.
Polen müsse durch gute Zusammenarbeit zu einem Anführer in der EU werden, sagte Tusk am Dienstag in seiner Regierungserklärung. Er betonte auch, dass Polen sich in EU und Nato für weitere Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine einsetzen werde.
Eine ursprünglich für den Nachmittag geplante Vertrauensabstimmung über die Koalitionsregierung des 66-jährigen Politikers wurde auf den Abend verschoben, weil mehr als 250 Abgeordnete Fragen angemeldet hatten. Da sich Tusks Regierung auf 248 von 460 Abgeordneten stützen kann, sollte das Vertrauensvotum keine Probleme bereiten. Am Mittwoch will Präsident Andrzej Duda den neuen Regierungschef und seine Minister vereidigen.
Das Dreierbündnis aus Tusks liberalkonservativer Bürgerkoalition, dem christlich-konservativen Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica hatte bei der Parlamentswahl am 15. Oktober eine Regierungsmehrheit errungen. Jedoch hatte die bisherige nationalkonservative PiS-Regierung den Machtwechsel mit Hilfe von Duda lange hinausgezögert.
In seiner Regierungserklärung mahnte Tusk die Einhaltung der Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an. «Was wirklich eine Gemeinschaft formt, sind Rechtsstaatlichkeit, die Verfassung, die Regeln der Demokratie, sichere Grenzen und ein sicheres Landesgebiet – das sind die Dinge, über die wir uns nicht streiten dürfen», sagte er.
In den zurückliegenden acht Jahren lag die PiS-Regierung wegen der Reform des polnischen Justizwesens im Dauerclinch mit Brüssel. Die EU-Kommission hatte mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet und blockiert einen milliardenschweren Corona-Hilfsfonds. Tusk gab sich zuversichtlich, dass sich das bald ändern werde. «Ja, ich werde die ersehnten Milliarden Euro aus Brüssel herbringen», sagte der ehemalige EU-Ratspräsident, der von 2007 bis 2014 schon einmal polnischer Regierungschef war.
Unter seiner Regierung werde Polen durch gute Zusammenarbeit die Position eines «Anführers innerhalb der EU» erreichen, sagte Tusk. «Wir sind umso stärker, umso souveräner, je stärker die Europäische Gemeinschaft ist.» Es sei auch ein Grund für den Sieg des proeuropäischen Dreierbündnisses bei der Parlamentswahl gewesen, dass viele Wähler in Polen sich gewünscht hätten, dass das Land in der EU eine entscheidende Rolle spiele.
Tusk hob hervor, Polen bleibe ein wichtiges und starkes Nato-Mitglied und ein treuer, stabiler und selbstbewusster Verbündeter der USA. Er kündigte an, seine Regierung werde den Westen zu mehr Unterstützung für die angegriffene Ukraine bewegen. Er könne es nicht mehr hören, wenn manche westliche Politiker von einer Ermüdung durch die Situation in der Ukraine sprechen würden. «Wir werden laut und entschieden die volle Mobilisierung der freien westlichen Welt für die Unterstützung der Ukraine in diesem Krieg verlangen.» In ein paar Stunden reise er zum EU-Gipfel nach Brüssel. Dort wolle er «anders als bisher» Wege finden, um Polens traditionelle Verbündeten von der Notwendigkeit der Hilfe zu überzeugen, sagte Tusk weiter.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gehörte Polen zu den wichtigsten politischen und militärischen Unterstützern seines Nachbarlandes. Zuletzt war es aber unter der Vorgängerregierung zu Spannungen zwischen Warschau und Kiew gekommen.
Tusk stellte auch sein Kabinett vor. Neuer Aussenminister wird der bisherige EU-Parlamentarier Radoslaw Sikorski. Der 59-Jährige war bereits von 2007 bis 2014 Polens Chefdiplomat, davor diente er als Verteidigungsminister. Sikorski gilt als überzeugter Transatlantiker. Das Verteidigungsressort und zugleich das Amt des Vize-Regierungschefs übernimmt Wladyslaw Kosiniak-Kamisz. Der im Ausland wenig bekannte 42-jährige Arzt ist einer der Chefs der Partei Dritter Wegs. Neuer Justizminister wird der 46 Jahre alte Verfassungsrechtler Adam Bodnar. Er war von 2015 bis 2021 Polens Menschenrechtsbeauftragter.