Vertrauter wird zum Feind: Wer ist Putin-Söldner Prigoschin?

Jewgeni Prigoschin (62) fordert den russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) offen heraus. Wer ist der Anführer der Söldner-Armee Wagner?

Jewgeni Prigoschin forderte Präsident Putin am 23. Juni öffentlich heraus. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Jewgeni Prigoschin galt lange als einer der engsten Vertrauten von Wladimir Putin.
  • Wie weite Teile seiner Söldner-Truppe hat der Geschäftsmann eine kriminelle Vergangenheit.
  • Experten vermuten Ambitionen Prigoschins, selbst in den Kreml einzuziehen.

Seit Monaten legt sich der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, mit der Militärführung in Moskau an. Nun aber fordert der 62-Jährige auch Kremlchef Wladimir Putin offen heraus. Inzwischen geht es um viel mehr als um die richtige Taktik gegen Kiew.

Früher mied der langjährige Vertraute Putins die Öffentlichkeit. Doch zuletzt griff er besonders Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow immer wieder an. Er warf ihnen vor, die regulären Truppen nicht ordentlich zu führen. Oft beklagte er sich über mangelhafte Versorgung seiner Kämpfer mit Munition und militärischer Ausrüstung.

USA fahnden nach «Putins Koch»

Prigoschin gilt als skrupelloser Geschäftsmann mit krimineller Vergangenheit; er und Putin kennen sich lange. Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb ist der Russe, der früher wegen Raubes in Haft sass, unter dem Namen «Putins Koch» bekannt.

Einst enge Vertraute: Wladimir Putin und Prigoschin. - Alexei Druzhinin/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Der Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf ist Chef des Firmenimperiums Concord. Mit seiner auf Desinformation spezialisierten Internet-Trollfabrik soll er sich 2020 auch in die US-Präsidentenwahl eingemischt haben. Deshalb haben ihn die Vereinigten Staaten zur internationalen Fahndung ausgeschrieben. Die Wagner-Truppen gelten im Westen als «Terrororganisation», verantwortlich für Kriegsverbrechen in vielen Ländern.

Söldner-Truppe seit mindestens 2014 aktiv

Im letzten September – ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn – räumte Prigoschin erstmals öffentlich die Gründung der Söldnertruppe ein. Er habe die Einheit schon 2014 für den Einsatz auf russischer Seite im ukrainischen Donbass gebildet. Deren Mut und Tapferkeit sei die «Befreiung» vieler Gebiete in Luhansk und Donezk zu verdanken gewesen.

Zuvor hatte Prigoschin seine Verbindung zu den Söldnern nie eindeutig bekannt. Auch Moskau bestritt die Existenz der Kampftruppe jahrelang vehement.

Am Freitag meldete sich Jewgeni Prigoschin von einem unbekannten Ort aus per Video zu Wort. - keystone

Als zweiter Gründer ist der ehemalige Geheimdienstler Dmitri Utkin bekannt, der offizielle Wagner-Kommandeur. Ihm wird eine Vorliebe für den deutschen Komponisten Richard Wagner nachgesagt – daher auch der Name der Truppe. Im Ukraine-Krieg spielt die Gruppe eine zentrale Rolle: Als Prigoschins grösster militärischer Erfolg gilt die blutige Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut. Die Gruppe soll auch an dem Massaker in Butscha beteiligt gewesen sein.

Wagner-Kämpfer waren auch in Syrien und anderen arabischen Ländern sowie in Afrika und Lateinamerika im Einsatz. Und sie sind es auch heute noch. Dort liegt auch eine Geldquelle der Truppe: Die Gruppe bietet skrupelloses Personal und Dienstleistungen.

Dafür gibt es Geld und Rohstoffe wie Gold. In Russland verdient Prigoschin Geld mit der Essensversorgung beim Militär, aber auch in Schulen und Kindergärten.

Söldner-Dienste statt langer Haftstrafen

Die Wagner-Gruppe rekrutiert ihre Mitglieder unter Freiwilligen – im Ukraine-Krieg auch unter Häftlingen. Ihr Chef lockt Schwerverbrecher mit dem Versprechen, dass sie nach halbjährigem Kriegsdienst begnadigt werden. 32'000 Ex-Gefangene sollen so schon in Freiheit gekommen sein.

Etwa 10'000 frühere Häftlinge wurden nach Prigoschins Angaben allerdings allein im Kampf um Bachmut getötet. Zudem drohen den Kämpfern bei Fluchtversuchen Hinrichtungen. Für internationales Entsetzen sorgte ein Video, das zeigen soll, wie ein abtrünniger Wagner-Kämpfer mit einem Vorschlaghammer getötet wird.

Russische Spezialkräfte am Samstag am Hauptsitz der Wagner-Truppe nahe St. Petersburg. - keystone

Prigoschin meutert nun offensiv gegen die russische Militärführung. Seine Leute haben nach eigenen Angaben wichtige militärische Objekte in Rostow am Don im Süden Russlands besetzt. Klar ist, dass er sich nicht wie von Putin gefordert ergeben will.

In einem Video droht er mit dem Vormarsch nach Moskau. Experten sagten ihm schon eigene Ambitionen aufs Präsidentenamt nach, was er stets bestritt.