Benzin und Diesel: Zocken Tankstellen Autofahrer mit Gebühren ab?
Zocken Schweizer Treibstofffirmen ihre Kunden bei Benzin und Diesel ab? Der Verdacht liegt nahe, wie eine aktuelle Recherche aufzeigt.

Das Wichtigste in Kürze
- Wälzen Schweizer Treibstofffirmen einen Teil ihrer Abgaben gesetzeswidrig auf Kunden ab?
- Der Verdacht liegt nahe, wie eine neue Recherche zeigt.
- Massnahmen gegen die Abzocke lassen sich aber nur schwer umsetzen.
CO₂ schadet der Umwelt und muss entsprechend kompensiert werden. Während auf Heizöl eine CO₂-Abgabe erhoben wird, gibt es bei Benzin und Diesel eine Kompensationspflicht.
Heisst: Importeure müssen Klimaschutzprojekte finanzieren. Laut CO₂-Gesetz dürfen Treibstofffirmen für diese Finanzierung maximal fünf Rappen pro Liter auf den Preis aufschlagen.
Die Stiftung Klimaschutz und CO₂-Kompensation (kurz Klik) kümmert sich um die Organisation der Kompensationen. Sie kauft die Kompensationszertifikate und berechnet den Treibstofffirmen dafür eine Gebühr.
Gebühr pro Liter Benzin erhöht
Diese Gebühr lag bis Ende 2023 bei fünf Rappen pro Liter Benzin. Seit Anfang 2024 hat Klik diese auf acht Rappen pro Liter erhöht. Sprich: Der neue Preis ist nun höher als die im CO₂-Gesetz festgelegte Obergrenze.
Jetzt steht die Frage im Raum: Geben die Treibstoffhändler die höheren Kosten an die Kundschaft weiter – obwohl das illegal wäre?
Der «Beobachter» hat bei verschiedenen Treibstofffirmen nachgefragt. Die Antworten? Wenig transparent.
«Das kann man leider nicht so pauschal beantworten», richtete die A. H. Meyer & Cie AG, Betreiberin der Avia-Tankstellen, aus. Überraschend, denn gesetzlich ist es ja verboten, mehr als 5 Rappen Kompensationsaufschlag weiterzureichen.
Darauf angesprochen, antwortete die Firma nicht mehr.
Migrol antwortet offen: «Der Aufschlag war von 5 auf 8 Rappen, dieser wurde dem Markt weitergegeben und ist in den aktuellen Säulenpreisen enthalten.»
Konfrontiert mit der Tatsache, dass es illegal ist, mehr als 5 Rappen auf den Benzinpreis umzulegen, machte Migrol eine Kehrtwende. Die Antwort könne wohl «missverständlich ausgelegt werden», hiess es nun. Man halte sich an die Gesetze.
Der «Beobachter» schrieb rund 30 Firmen an. Die allermeisten antworteten nicht oder wichen aus. Nur Shell wies auf die Deckelung von fünf Rappen hin.
Es geht um fast 100 Millionen Franken
Drei Rappen wirken auf den ersten Blick nicht von grosser Bedeutung. Für ein Fahrzeug, das mit Normalverbrauch pro Jahr 10'000 Kilometer zurücklegt, macht das jährlich 20 Franken aus.
Doch: In der Schweiz gibt es 4,8 Millionen Personenwagen. Bei einer Differenz von 3 Rappen sind das allein bei den Personenwagen fast 100 Millionen Franken.
Konsequenzen haben die Treibstofffirmen aber nicht zu befürchten, das CO₂-Gesetz sieht keine Sanktionen vor. Trotzdem prüft das Bundesamt für Umwelt derzeit, «ob der zulässige maximale Kompensationsaufschlag überschritten wird».
Es könnte zum Beispiel eine «Verfügung zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes» erlassen.
Dann müsste das zu viel gezahlte Geld für Benzin und Diesel der Kundschaft zurückerstattet werden. Doch wie das praktisch umgesetzt werden könnte, bleibt fraglich.
Erste Politiker werden aktiv
Der Konsumentenschutz äussert sich deutlich: «Sollten die zusätzlichen Kosten tatsächlich auf die Konsumentenpreise abgewälzt werden, wäre das klar rechtswidrig. Die zuständige Bundesbehörde müsste einen solchen Preisaufschlag unterbinden.»
Auch aus dem Parlament gibt es kritische Stimmen. Stefan Müller-Altermatt, Nationalrat (Mitte), bestätigt: «Das Weitergeben von mehr als 5 Rappen an Kompensationskosten verstösst gegen geltendes Recht.»