Blauzungenkrankheit: Verheimlichen Bauern kranke Tiere? Das droht

In mehreren Kantonen wurde seit Ende August bei Tieren die Blauzungenkrankheit nachgewiesen. Ein Bauer glaubt, dass einige Landwirte die Krankheit verschweigen.

Die Blauzungenkrankheit kann bei Schafen zum Tode führen. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In neun Kantonen wurden seit Ende August Fälle der Blauzungenkrankheit nachgewiesen.
  • Ein neuer Subtyp der Krankheit kann für eine hohe Sterblichkeit bei Schafen sorgen.
  • Wer die Blauzungenkrankheit feststellt und nicht meldet, dem droht eine saftige Busse.

Die Blauzungenkrankheit hat Ende August die Schweiz erreicht. Neben einem Fall von Blauzungenkrankheit des Untertyps 8 (BTV-8) im Kanton Waadt wurden dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) erste Infektionen mit dem Untertyp 3 (BTV-3) gemeldet. Derzeit sind schweizweit total 41 Betriebe betroffen.

Infektionen des Stereotyps BTV-3 wurden in den Kantonen Bern, Basel-Land, Basel-Stadt, Jura, Luzern, Schaffhausen, Solothurn und Thurgau nachgewiesen. «Die Blauzungenkrankheit ist eine nicht ansteckende Viruserkrankung der Wiederkäuer und Kameliden, die durch kleine Mücken (Gnitzen) übertragen wird», erklärt das BLV auf Anfrage.

Die Infektion mit BTV-3 verursache insbesondere bei Schafen schwere Symptome. Dazu würden Fieber, Entzündungen der Schleimhäute, Ödeme und Lahmheit gehören.

Auch bei Rindern kann die Blauzungenkrankheit des Untertyps 3 starke Symptome hervorrufen, meistens verläuft die Krankheit aber milder als bei Schafen. - keystone

«Die Sterblichkeit kann hoch sein. Bei Rindern verläuft die Krankheit oft milder, aber auch sie können teilweise starke Symptome und einen Rückgang der Milchleistung zeigen», sagt Mediensprecherin Sarah Camenisch über BTV-3.

Kein regulär zugelassener Impfstoff in Europa

Für den Menschen sei der Erreger nicht gefährlich. Fleisch und Milchprodukte könnten bedenkenlos konsumiert werden.

Die Tiere vollständig vor den Mücken zu schützen, sei aber kaum möglich. Netze und physische Barrieren könnten aber die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass Mücken die Tiere stechen und das Virus verbreiten. Der Einsatz von Insektiziden und Mückenmittel könne zusätzlich helfen, die Anzahl Mücken im Stall und in der Umgebung der Tiere zu reduzieren.

Im Gegensatz zu BTV-8 gebe es gegen BTV-3 in Europa keinen regulär zugelassenen Impfstoff. Impfstoffhersteller könnten bei Swissmedic eine Zulassung beantragen. Swissmedic sei bereit, Zulassungsgesuche priorisiert und beschleunigt zu behandeln.

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Brisant: Der Thurgauer Bauer Urs Maier glaubt, dass sich in seinem Kanton schon viel mehr Schafe mit der Blauzungenkrankheit angesteckt haben, als offiziell bekannt sei: «Es gibt wahrscheinlich Bauern, die das Virus nicht melden», erzählt er dem «St. Galler Tagblatt». Denn wer infizierte Tiere habe, dem werde eine Betriebssperre von 120 Tagen verhängt. Das wollen betroffene Bauern angeblich verhindern.

Bei Nicht-Melden droht Busse von bis zu 40'000 Franken

Doch was droht Bauern, wenn sie der Meldepflicht nicht nachkommen?

«Werden diese Meldepflichten nicht eingehalten, so kann dies sowohl zu einer verwaltungsrechtlichen als auch einer strafrechtlichen Sanktionierung führen. Verstösse gegen die gesetzliche Meldepflicht können mit einer Busse von bis zu 40'000 Franken bestraft werden», erläutert Robert Hess vom Thurgauer Veterinäramt auf Anfrage von Nau.ch.

In schweren Fällen droht sogar eine «Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr». Daneben drohen auch verwaltungsrechtliche Sanktionen und Massnahmen.

So könne insbesondere eine allfällige Entschädigung für erlittene Tierverluste gekürzt oder ganz verweigert werden. Einen Verstoss gegen die Meldepflicht habe das Veterinäramt – entgegen der Annahme von Bauer Maier – bisher nicht festgestellt.

Martin Brügger, Kantonstierarzt und Vorsteher des Veterinärdienstes des Kantons Luzern, hat ebenfalls keine Kenntnis von solchen Fällen. Wer der Meldepflicht nicht nachkomme, müsse im Kanton Luzern mit einer Strafanzeige rechnen und für den durch die Verbreitung der Tierseuche entstandenen Schaden aufkommen.

«Dies betrifft sowohl den eigenen Betrieb (keine Entschädigungszahlungen für gestorbene Tiere) als auch Schäden, die in anderen Betrieben aufgrund der fehlenden Meldung entstanden sind, sowie die Aufwendungen für die Bekämpfung der Tierseuche in solchen Fällen durch die zuständige Behörde.»

Bei der Meldepflicht ginge es vor allem um das Wohl der Tiere, erklärt die Solothurner Kantonstierärztin Chantal Ritter. Die nötigen Massnahmen könne ein Bauer nicht alleine bewältigen. Zudem sei Nicht-Behandeln tierschutzrelevant. Auch sie hält fest: «Wir haben keine Kenntnisse von verheimlichten kranken Tieren.»

Auch Marie-Luoise Bienfait, Kantonstierärztin Basel-Land, hält fest, dass es im Interesse der Tierhalter sei, dass Verdachtsfälle abgeklärt werden. «Ich gehe jedoch davon aus, dass sowohl die Beratung durch Tierärzte als auch die Sorge der Landwirte um ihre Tiere ausreichen, um auf die Vornahme der Meldungen im Verdachtsfall vertrauen zu können.»

Bauernverband fordert «rasch die Zulassung für einen Impfstoff»

Der Schweizer Bauernverband betrachtet die Lage um die Blauzungenkrankheit schon als kritisch. «Weil sich die Krankheit so extrem schnell ausbreitet», sagt Mediensprecher Michel Darbellay gegenüber Nau.ch.

Erst wenn der Mückenflug durch tiefere Temperaturen gestoppt werde, sei eine Entspannung der Lage in Sicht. Doch Darbellay warnt: «Weil aber das Virus nun in der Schweiz ist, wird es im nächsten Jahr viel früher losgehen.»

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Die Abwehr der Mücken gestalte sich schwierig. Nur durch Impfungen könnten die Tiere einigermassen geschützt werden.

«Was wir über die im Ausland vorhanden Impfstoffe gegen den Serotyp BTV-3 wissen, ist, dass bei geimpften Tieren die Krankheit milder verläuft. Und die Tiere weniger neue Viren bilden.»

Die Forderung des Bauernverbands ist deshalb klar: «Wir brauchen rasch die Zulassung für einen Impfstoff, spätestens für Anfang nächstes Jahr. Alle Akteure müssen helfen.»

Zudem müsste auch in der Schweiz die Möglichkeit geschaffen werden, in solchen Situationen rasch notfallmässig Impfstoffe einzusetzen. Auch wenn diese noch nicht ordentlich zugelassen seien. Und: «Stark betroffene Betriebe brauchen auch finanzielle Hilfe.»