Coronavirus: Was bringt die Verlängerung des Impfdosen-Abstands?
Die Rufe nach einer Abstandsverlängerung zwischen den Impfdosen gegen das Coronavirus werden lauter: Mehr Menschen könnten so schon die erste Dosis erhalten.

Das Wichtigste in Kürze
- Experten und Politiker schlagen vor, im Abstand von 12 Wochen ein zweites Mal zu impfen.
- Damit hätten grössere Teile der Bevölkerung schneller Zugang zur ersten Dosis.
- Dem Schweizer Arzneimittelsystem fehlt jedoch ein Mechanismus, der dies erlauben würde.
Wie schnell kann die Schweizer Bevölkerung geimpft werden? Vieles dreht sich derzeit um diese Schlüsselfrage in der Bekämpfung des Coronavirus. Jede geimpfte Person verringert die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs und bringt uns damit einen Schritt näher Richtung Normalität.
Es kann eigentlich gar nicht schnell genug gehen mit der Impfkampagne – doch der Fortschritt wird durch begrenzte Liefermengen limitiert. Es gäbe jedoch einen Weg, wie man schneller mehr Menschen gegen das Coronavirus impfen könnte: Indem man den Abstand zwischen den Impfungen vergrössert.

Die Rufe nach einem Abstand von 12 Wochen zwischen Erst- und Zweitimpfung werden angesichts dessen immer lauter. Auch international wird die Verlängerung diskutiert, so plädiert etwa der deutsche Impf-Papst Karl Lauterbach dafür.
(5) Mit einer 12 Wochen Biontech/Moderna Strategie würde man daher mehr Leben retten, schwere Verläufe verhindern, und Mutationen reduzieren. Bis 1. Juli hätten wir kaum mehr Todesfälle und Intensivpatienten. Die STIKO sollte dies prüfen.
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) April 7, 2021
Dennoch ist es im schweizerischen Arzneimittelsystem äusserst unwahrscheinlich, dass dies umgesetzt wird.
Alle Impfwilligen bis Anfang Juni gegen Coronavirus geimpft?
In den kommenden Wochen dürfte eine grosse Impf-Offensive beginnen: «Von April bis Ende Juli erhält die Schweiz voraussichtlich 8,1 Millionen Impfdosen», so eine BAG-Sprecherin zu Nau.ch.
«Davon jeweils 3 Millionen im Mai und Juni.» Im Vergleich zu den ersten drei Impf-Monaten dürfte sich die Menge der Impfstoffe gegen das Coronavirus also drastisch vergrössern: Bis Ende März wurden insgesamt etwas mehr als 1,5 Millionen Dosen verimpft.

Egal, welcher Abstand zwischen den Dosen gewählt wird: Bis alle Impfwilligen beide Dosen erhalten haben, dauert es in etwa gleich lang. Doch auch eine Impfdosis gegen das Coronavirus bietet bereits einen relativ guten Schutz: Eine israelische Studie kommt im Fachmagazin «The Lancet» bereits bei der ersten Pfizer-Dosis auf eine Schutzwirkung von 90 Prozent.
Das BAG rechnet bei Einhaltung des 4-Wochen-Abstands damit, dass erst Ende Juli 75 Prozent der Erwachsenen mindestens eine Dosis erhalten. Würde der Abstand zur Zweitimpfung auf 12 Wochen vergrössert, fallen vorerst viele Zweitimpfungen weg. Damit könnten bereits Anfang Juni alle Impfwilligen eine Dosis erhalten haben – also knapp zwei Monate vorher.
Bereits jetzt sind die Lagerbestände der Kantone so gut gefüllt wie noch nie. Dies liegt unter anderem daran, dass Zweitdosen zurückgehalten werden müssen. Eine längere Frist würde den Kantonen erlauben, die Lagerbestände vorerst zu verimpfen. Am vergangenen Mittwoch lagerten mehr als 500'000 Dosen in den Kantonen.
Hohe Hürden bei Swissmedic für die Abstands-Verlängerung
Vieles deutet darauf hin, dass ein Abstand von drei Monaten schneller für mehr Schutz sorgen würde. Doch derzeit bleibt es bei Indizien – und das ist zu wenig für das Schweizer Arzneimittel-System.

Während sich BAG und Armeeapotheke um Beschaffung und Verteilung von Arzneimitteln kümmern, bestimmt Swissmedic über deren Zulassung. Immer wieder hörte man aus Politik und Expertenkreisen zuletzt Forderungen nach erweiterten oder schnelleren Zulassungen. Doch diese Forderungen prallen an der Behörde ab.
«Swissmedic trifft Entscheidungen basierend auf wissenschaftlichen und medizinischen Kriterien», so Swissmedic-Sprecher Alexander Josty. Um die Integrität der Zulassungs-Aufsicht zu gewährleisten, ist diese nicht direkt der Bundesverwaltung untergeordnet. «Diese Organisationsform wurde bewusst so gewählt, dass Swissmedic seine Arbeit unabhängig ausüben kann», erklärt Josty.
Kein Mechanismus für politische Einflussnahme
Die Zulassungsbedingungen sind klar definiert: Was nicht vom Hersteller glaubhaft bestätigt werden kann, wird nicht zugelassen.
Hier sitzt das entscheidende Problem des 3-Monate-Abstands. «Lancet»-Studien hin oder her: Erst, wenn der Impfstoffhersteller selbst belegen kann, dass die Verlängerung des Abstands keine Risiken birgt, prüft Swissmedic die Unterlagen. Diesen Beweis haben Pfizer und Moderna noch nicht selbst erbracht – also wird der 3-Monate-Abstand nicht zugelassen.
«In anderen Ländern gibt es Notfallzulassungen», erklärt Josty. «Diese stecken den rechtlichen Rahmen so ab, dass Impfstoffe auch unter Berücksichtigung der aktuellen epidemiologischen Lage zugelassen werden können. In der Schweiz gibt es die Notfallzulassung nicht, Swissmedic entscheidet nur aufgrund von wissenschaftlich-medizinischen Kriterien.»
Sollte man den Impfstoff anders als gemäss der zugelassenen Herstellerangaben verimpfen wollen, ginge dies also nur mit einer derartigen Notfallzulassung. Doch dafür fehlt der rechtliche Rahmen.