Russischer Sputnik-Impfstoff als Schweizer Hoffnungsträger?
Das Wichtigste in Kürze
- Politiker fordern angesichts der Engpässe den Kauf weiterer Impfstoffe.
- Russlands Kandidat «Sputnik V» wird bereits in vielen Ländern verwendet.
- Weder in der Schweiz noch in der EU wurde jedoch ein Antrag auf die Zulassung gestellt.
Gerade erst haben die Kantone ihre Impfkampagnen ins Rollen gebracht, schon gerät der Impf-Fortschritt wieder ins Stocken: Es fehlt an Nachschub – die bisherigen Partner Biontech und Moderna können noch nicht genügend liefern.
Die Politik wirft den Behörden Versagen vor und fordert die schnelle Zulassung weiterer Vakzine. Ginge es nach SVP-Präsident Marco Chiesa, hätte sich das BAG bereits um die Beschaffung des russischen Impfstoffs «Sputnik V» gekümmert.
Doch es gibt noch kein grünes Licht für «Sputnik V»: Die Fachwelt zweifelt noch immer an den russischen Studien – und Swissmedic wartet auf einen Zulassungs-Antrag.
«Sputnik V» 91,6 Prozent wirksam?
Zu Beginn zweifelte die internationale Fachwelt an der Wirksamkeit des Vakzins des Moskauer Gamalejia-Instituts: Als der Impfstoff in Russland zugelassen wurde, waren noch keine Ergebnisse der Studien einsehbar. Phase III der Studie war noch nicht einmal abgeschlossen. Angesichts dessen wurde die Zulassung als verfrüht erachtet.
Am 2. Februar publizierten die Wissenschaftler eine zweite Studie im Fachmagazin «The Lancet». Demnach ist der russische Impfstoff zu 91,6 Prozent wirksam und wäre damit deutlich wirksamer als das ähnlich produzierte Präparat von AstraZeneca.
Doch auch damit sind Zweifel noch nicht aus der Welt geschaffen. Der italienische Impfforscher Enrico Bucci äusserte sich jüngst gegenüber dem «Spiegel»: «Der Beschluss der russischen Regierung, den Impfstoff vor der Phase III verfügbar zu machen, ist weiterhin inakzeptabel.»
Insgesamt führt Bucci sechs Punkte auf, in welchen auch die neueste Studie noch zweifelhaft ist. So verringerte sich beispielsweise die Zahl der Probanden seit den ersten veröffentlichten Studien – ein Indiz für möglicherweise geschönte Daten.
Kein Antrag bei europäischen Zulassungsbehörden
Schlussendlich entscheiden nicht die Produzenten über die Sicherheit eines Präparats, sondern die Zulassungsbehörden. Insgesamt haben 18 Länder den Impfstoff zugelassen, darunter Weissrussland, Serbien und der Iran. Doch weder bei Swissmedic noch bei der Europäischen Arzneizulassungsbehörde EMA ist ein derartiger Antrag bisher eingetroffen.
Wie die EMA gestern Mittwoch mitteilte, habe das Gamaleja-Institut jedoch «wissenschaftliche Beratung» im Entwicklungs- und Zulassungsprozess erhalten.
Auch bei der Schweizer Zulassungsbehörde sei noch kein Antrag eingetroffen, erklärt Swissmedic-Mediensprecher Lukas Jaggi. Dafür müssten ohnehin noch Hürden genommen werden: Das Gamaleja-Institut verfügt über keinen Partner oder eigenen bewilligten Standort in der Schweiz. Dies ist jedoch Voraussetzung für die Zulassung, schliesslich muss das Unternehmen Qualität und Sicherheit seiner Präparate gewährleisten können.
Über mögliche Vorbesprechungen, wie sie mit der EMA stattgefunden haben, herrscht bei Swissmedic Schweigepflicht. «Solche Gespräche werden hinsichtlich Covid-19-Präparaten intensiv geführt», kommentiert Jaggi bloss.
BAG verteidigt Verzicht auf Sputnik V
Zulassung hin oder her – gekauft werden die Impfstoffe bereits im Voraus. Die Forderung nach einer Beschaffung von Sputnik V wird immer lauter – zuletzt wurde sie von SVP-Präsident Marco Chiesa formuliert. Sputnik V ist nicht auf der Bestell-Liste des BAG zu finden.
Nach Meinung von BAG-Chefin Anne Levy habe die Schweiz bei der Auswahl dennoch auf die richtigen Impfstoffe gesetzt: «Wirksamkeit und Sicherheit sind wichtige Kriterien», erklärte sie Anfang Monat an einer Medienkonferenz. «Wir beschaffen Impfstoffe, die voraussichtlich auch zugelassen werden.»