Energiekrise: Schweizer verbrauchen nach Entwarnung wieder mehr
Der Bundesrat spricht in Sachen Energiekrise eine leichte Entwarnung aus. Was heisst das für die Konsumenten? Zwei Experten ordnen ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Laut Bundesrat ist die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz nicht gefährdet.
- Welche Auswirkungen hat das auf das Energiesparverhalten der Menschen?
- Das Communiqué des Bundes verleite die Bevölkerung «in alte Muster», meint ein Experte.
Am Mittwoch gibt der Bundesrat punkto Energiekrise leichte Entwarnung. Die Stromversorgungssicherheit der Schweiz im Winter 2022/2023 sei nicht gravierend gefährdet. Zudem könne der Energieverbrauch «in den wahrscheinlichsten Szenarien» gedeckt werden. Versorgungsengpässe könnten jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Das Vorgehen der Regierung wirft Fragen auf. Nachdem der Bund zuletzt viele Warnungen aussprach und vermehrt Massnahmen gegen die Energiekrise kommunizierte, tritt er jetzt auf die Bremse.
Welche Auswirkungen könnte diese Kommunikation auf die Konsumenten und deren Sparverhalten haben?
«Verleitet zur Rückkehr in alte Muster»
Kommunikationstechnisch sei das Wechselspiel zwischen Vorsicht und Entwarnung ein schmaler Grat, sagt Marketing-Experte Felix Murbach zu Nau.ch. Der Bund spreche bewusst von einer «leichten» Entwarnung. «So, dass er im Fall eines Anstiegs der Energieknappheit nie von einer klaren oder eindeutigen Entwarnung gesprochen hat.»
Gleichzeitig könne die Aussage der leichten Entwarnung ein Gefühl von «es ist ja gar nicht so schlimm» auslösen, meint Murbach. «Das verleitet die Bevölkerung punkto Energieverbrauch eher wieder zur Rückkehr in alte Muster.»
Also: Fertig mit Duschen zu zweit, für die Pizza endlich wieder den Ofen vorheizen!
Sparanstrengungen «deutlich reduziert»
Robert Tobias, Sozialpsychologe und Verhaltensforscher an der Uni Zürich, meint: Zwar seien Vermutungen bezüglich der Entwicklung des Energiesparverhaltens im Moment noch rein spekulativ. «Aber ich würde erwarten, dass das Communiqué des Bundesrates die Energiesparanstrengungen der Bevölkerung deutlich reduziert.»
Gründe dafür nennt Tobias mehrere. Beispielsweise seien die Vorgaben bisher eher unklar gewesen. Zudem habe ohnehin Unsicherheit bezüglich der Notwendigkeit des Sparens und der Verteilung der Last in der Bevölkerung bestanden.
Die Idee der Mitteilung sei wohl, dass Personen nun einige besonders harte Massnahmen lockern können, vermutet der Experte. «Sofern sie solche überhaupt schon umgesetzt hatten.» Das könne sehr unterschiedlich von den Konsumenten aufgefasst werden: von «Zurück in den Vor-Krisen-Zustand» bis zu «Jetzt wo es freiwillig ist, machen wir es erst recht».
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Laut Robert Tobias könne das Vorgehen des Bundes während der Energiekrise auch zu einem «Vertrauensgewinn für die Regierung» führen. «Dieser könnte im Fall des Aufrufs zu stärkeren Sparmassnahmen positiv wirken.»