Schweizer Spital muss Arzneimittel selbst herstellen
Hiesige Spitäler haben mit Medikamentenmangel zu kämpfen. In Lausanne stellte die Spitalapotheke zum Teil Arzneimittel selber her, andere suchen nach Ersatz.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Anzahl nicht mehr lieferbarer Medikamente ist in den letzten Jahren stark angestiegen.
- Die Spitalapotheken müssen deswegen umdenken und zum Teil selbst produzieren.
- Grund für die prekäre Lage seien schwindende Lieferanten, was eine hohe Nachfrage bewirke.
«Der Lieferant hat uns mitgeteilt, dass es eineinhalb Jahre fehlen wird», sagt Pierre Voirol vor den Kameras des Westschweizer Fernsehens. Der stellvertretende Leiter der Apotheke beim Universitätsspital Lausanne (CHUV) erklärt das grosse Problem: Ein essenzielles Medikament zur Durchführung von Dialysen wird lange nicht mehr erhältlich sein. Auch Desinfektionsmittel für die Haut bekommt das Spital nicht mehr geliefert.
So greift man zu drastischen Mitteln: Mittlerweile habe das Spital ein eigenes Desinfektionsmittel im Hause produzieren können, so Voirol. Und das Medikament für Dialysen habe die Apotheke von den USA importieren lassen. Doch es zeigt, genau diese alltäglich benötigten, viel gesuchten Präparate werden rarer.
Interpharma, der Verband der forschenden Pharma, erklärt: Diese viel gesuchten Mittel seien Gegenstand von starkem Wettbewerb über Gewinnspannen und Preise. «Ihre Produktion begrenzt sich mittlerweile auf einige internationale Standorte», so eine Sprecherin. Deswegen könne es bei einer hohen Nachfrage Lieferengpässe geben.
Marktrückzug, «beschränkt lieferbar», «Ware mit kurzem Verfall erhältlich»
In den letzten fünf Jahren hat sich laut «RTS» die Liste der nicht erhältlichen Medikamente verdoppelt. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) hat diese am Freitag publiziert: Einzelne Arzneimittel werden gar nicht mehr hergestellt, was den Mangel zusätzlich verschärft. Oder es gibt sie, aber sie laufen bald ab.
Einige Arzneimittel kann der Bund noch zur Verfügung stellen, dank Pflichtlagern. Zum Teil stehen aber Hinweise auf der Liste: «Keine Hamsterkäufe tätigen».
Für das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung gibt es durchaus Grund zur Sorge. Heutzutage gebe es für Wirkstoffe nur noch einen oder zwei Lieferanten; früher seien es mehrere gewesen, so Monika Schäublin, Leiterin der Abteilung Heilmittel.
Hinzu komme, dass der Schweizer Markt oft zu klein sei für einen grossen, internationalen Lieferanten: «Dann werden wir einfach keinen Zugang mehr zum Produkt haben.»
Dementsprechend ist nicht nur das Lausanner Spital davon betroffen. Auch die Universitätsspitäler Zürich und Basel bestätigen die Schwierigkeiten.
Unispitäler Zürich & Basel erwarten deutlichen Anstieg an Engpässen
Das UZH schildert gegenüber Nau.ch eine klar verstärkte Mangellage: «2020 und 2021 waren es um die 200 Lieferengpässe pro Jahr», so Mediensprecher Claudio Jörg. Jetzt im September sei die Zahl der 200 Engpässe schon erreicht worden. Die Tendenz sei also steigend.
«Uns ist wichtig zu betonen, dass die Patientinnen und Patienten trotz dieses Umstandes gut behandelt werden können», fügt Jörg hinzu. Denn nicht jeder Unterbruch führe automatisch zu fehlenden Medikamenten. Allerdings bedeute es für das betroffene Personal einen erheblichen Aufwand: Sie müssten Ersatzmittel definieren, die Umstellung kommunizieren, das Lager anpassen und interne Richtlinien sowie Standardabläufe ändern.
Umfrage
Nehmen Sie regelmässig Medikamente?
In Basel verzeichne das Personal seit Anfang Jahr schon 279 Lieferengpässe. Ende 2022 erwarte das Universitätsspital «eine deutliche Steigerung auf zirka 450», sagt Mediensprecherin Caroline Johnson. Eigene Präparate müsse das USB aber nicht herstellen.
In den meisten Fällen gelinge die Umstellung auf das Generikum oder das Original, je nachdem. Oder aber man verwende Produkte mit ähnlichen Wirkstoffen oder Anwendungsgebieten. Allenfalls könne durch Importe aus dem Ausland, wie man es in Lausanne macht, die Lücke geschlossen werden. In jedem Fall aber benötige es immer wie mehr personelle Ressourcen, sagt Johnson.