Unbekannter streut Fake-Nacktbilder von Frau (20) – Polizei machtlos

Unbekannte haben im Netz Fake-Nacktbilder einer jungen Bernerin gestreut. In ihrer Verzweiflung wandte sich Lena W. an die Polizei – erfolglos.

Eine junge Frau aus Bern wurde über Monate von Unbekannten im Internet belästigt. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Einer jungen Bernerin sind Selfies von ihrem privaten Instagram zum Verhängnis geworden.
  • Unbekannte haben Fotos aus dem Profil mit Nacktbildern kombiniert und im Netz geteilt.
  • Immer wieder schrieben ihr Bekannte, sie hätten ihre Nacktbilder im Internet gesehen.
  • Die Polizei konnte ihr bis jetzt nicht helfen.

Lena W.* aus dem Kanton Bern wurde Opfer sexueller Belästigung – von einem Unbekannten. Über Monate wurde sie von zahlreichen anonymen Accounts terrorisiert, die auf mehreren Plattformen Fotos von ihr teilten. Fotos, die sie so manipuliert hatten, dass sie wie Nacktbilder der jungen Frau wirkten.

«Das Ganze hat mit einer Anfrage auf Instagram angefangen», erzählt W. Die 20-Jährige hat ein privates Konto. «In der Nachrichtenanfrage stand nur ‹it's you› (Deutsch: ‹das bist du›).» Angehängt ist eine Collage mit Instagram-Fotos der jungen Frau und Bilder von Brüsten aus dem Internet. «Es wurden Nacktbilder verwendet, die so aussahen, als könnten sie von mir stammen. Darauf waren zum Beispiel lange blonde Haare zu sehen, wie ich sie habe.»

Lena W. selbst hat jedoch noch nie Nacktfotos verschickt. Weil die Bilder also unmöglich von ihr stammen können, denkt sie sich nicht viel dabei – sie löscht die Nachricht und meldet den Account.

«Leute sagten, sie hätten Nacktbilder von mir gesehen»

Etwa zwei Wochen später wird die Bernerin plötzlich mit neuen Anfragen bombardiert: «Immer mehr Leute schrieben mir, dass Nacktbilder von mir veröffentlicht worden seien.»

Besonders auf der Plattform Reddit werden die Collagen verbreitet. «Der Täter hat die Bilder wohl dort mit dem Namen meines Instagram-Kontos publiziert. Mir wollten daraufhin Dutzende Leute folgen, die ich nicht kannte.»

Die App Instagram des Mutterkonzerns von Facebook, Meta, auf einem Smartphone. - Keystone

Einige Bekannte sagen ihr zudem, dass ihnen ein Account die inszenierten Nacktbilder persönlich geschickt habe. «Er fragte die Leute, ob sie mich kennen und schrieb, dass er mich geil findet und ich riesige Brüste habe.»

Polizei kann bis heute nicht helfen

Schliesslich bekommt Lena W. Panik. «Ich bin mit einer Kollegin, von der ebenfalls solche Collagen gemacht wurden, zur Polizei gegangen.»

Das Problem: Der Täter erstellt immer wieder neue Accounts und löscht die alten. Er setzt auf perfide Maschen, um nicht ermittelt werden zu können.

Umfrage

Wurden Sie schon einmal online belästigt oder gemobbt?

Nein, zum Glück nicht.
82%
Ist mir auch mal passiert.
18%

Die ersten Nackt-Collagen hat Lena im Oktober erhalten – bis heute konnten die Beamten nichts tun. «Nach ein paar Wochen riefen sie mich an, sie hätten die IP- und E-Mail-Adresse eines der Profile erhalten. Die E-Mail-Adresse war allerdings willkürlich zusammengestellt aus Buchstaben und Zahlen.» Seither habe sie nichts mehr gehört.

Täter gab falschen Namen und Wohnort an

Inzwischen hat sich die Situation etwas abgekühlt. «Seit ein paar Wochen bekomme ich weniger Anfragen. Es werden auch weniger Collagen gepostet. Ich versuche einfach, alles zu löschen und zu ignorieren.»

Darüber, wer hinter den Sex-Accounts stecken könnte, kann W. nur mutmassen. «Am Anfang war ich mir sicher, dass es jemand ist, den ich nicht kenne. Ich bekam schliesslich Abo-Anfragen aus der ganzen Welt, nachdem die Collagen veröffentlicht wurden», so die 20-Jährige.

«Als die Bilder dann Leute aus meinem Umfeld erreichten, machte ich mir darüber mehr Gedanken. Einem Freund von mir schrieb der Täter, er sei aus Laupen BE und heisse David.» Das sei allerdings gelogen gewesen, wie die Polizei klären konnte.

Ein Unbekannter streute die Nackt-Collagen auf zahlreichen Internetplattformen. (Symbolbild) - Keystone

Inzwischen kann sich Lena W. gut vorstellen, dass es sich beim Täter um jemanden handelt, der weiss, wer sie ist. «Ich kenne zum Beispiel jemanden, der diesen Seiten mit meinen Nackt-Collagen folgte. Beschuldigen will ich aber niemanden.»

«Könnte auch anderen passieren»

Auch wenn Lena W. das Ganze gut bewältigen kann – die Enttäuschung bleibt. «Dass die Polizei im 21. Jahrhundert noch nicht weit genug ist, um etwas dagegen zu tun, finde ich krass. Ich kann damit umgehen – natürlich ist es nicht schön, so sexualisiert zu werden – aber ich kann mir gut vorstellen, dass das für ein jüngeres Mädchen viel schlimmer wäre.»

Es gebe Menschen, die sich wegen solcher Belästigungen etwas antun würden. «Der Gedanke daran, dass so etwas nicht nur mir passieren kann, macht mir Sorgen. Ich hoffe jetzt, dass ich noch etwas von der Polizei höre, aber ich mache mir nicht allzu grosse Hoffnungen.»

Rechtsexperte: «Lena W. könnte gegen Google klagen»

Auch falls der Täter nicht ermittelt werden kann – völlig machtlos ist Lena W. nicht. Der Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger erklärt auf Anfrage von Nau.ch, welche Möglichkeiten die Bernerin hat.

«Die unbekannte Täterschaft verletzt den Daten- und Persönlichkeitsschutz der jungen Frau», so der Experte. «Das Gleiche gilt für die Plattformen, auf denen die Bilder veröffentlicht werden. Sie könnte dagegen vor Gericht klagen, zum Beispiel gegen die Social-Media-Plattformen oder auch gegen Suchmaschinenbetreiber wie Google

Lena W. könnte gegen Google klagen, weiss ein Rechtsexperte. (Symbolbild) - Keystone

Kann die Polizei den Täter doch noch ausmachen, dürfte ihm eine saftige Strafe drohen. Eine Staatsanwaltschaft oder auch ein Gericht müssten prüfen, ob ein Straftatbestand verletzt würde. Steiger sagt: «Infrage käme beispielsweise das Zugänglichmachen von Pornografie an Personen unter 16 Jahren. Darauf steht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.»

*Name geändert

****

Brauchen Sie Hilfe?

Sind Sie depressiv oder haben Sie Selbstmordgedanken? Dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Dargebotene Hand (www.143.ch).

Unter der kostenlosen Hotline 143 erhalten Sie anonym und rund um die Uhr Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Einzelchat oder anonyme Beratung via E-Mail ist möglich.