Zweiter Weltkrieg: Diese Rolle spielte die Schweiz
Mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht ging heute vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Doch welche Rolle spielte im Krieg die Schweiz?
Das Wichtigste in Kürze
- Am 8. Mai 1945 war nach knapp sechs Jahren der Krieg in Europa zu Ende.
- Die Schweizer Neutralitätspolitik erfuhr während des Krieges einige Abstriche.
- Dazu gehörte etwa die Abweisung jüdischer Flüchtlinge.
Nach knapp sechs Jahren endete am heutigen Tag vor 75 Jahren der Krieg in Europa. Am 8. Mai 1945 unterzeichnete der Generalfeldmarschall Keitel die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
Der 75. Jahrestag der deutschen Kapitulation bietet auch die Gelegenheit, auf die Rolle der Schweiz während des Krieges zurückzuschauen. Obwohl unser Staat nicht ins Kriegsgeschehen involviert wurde, spielte er doch in einigen Aspekten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Schweiz versuchte zwar Neutralitätspolitik zu betreiben, doch das gelang ihr nur mit einigen Abstrichen.
Der Kauf von Raubgold
So verstiess die Schweiz zum Beispiel im Wirtschaftsverkehr mehrfach gegen die Ausnahmeregeln des Haager Neutralitätsrechts. Dazu gehörte unter anderem der Export von Kriegsmaterial aus bundeseigenen Produktionsstätten. Zwischen 1940 und 1944 gingen 84 Prozent der Schweizer Waffen- und Munitionsexporte an die Achsenstaaten. Diese waren für die deutsche Kriegswirtschaft zwar nicht kriegsentscheidend, aber wichtig.
Zudem gewährte die Schweiz dem Dritten Reich Devisen für den Kauf von Währungsgold der deutschen Reichsbank. Dabei handelte es sich um konfisziertes Raubgold aus besiegten Ländern oder um Gold von Holocaust-Opfern. Die Schweizer Nationalbank zahlte 1212 Millionen Franken, die Schweizer Grossbanken 267 Millionen Franken dafür. Hinzu kam auch noch der Kauf von geraubten Wertschriften im Wert von mindestens 11 Millionen Franken.
Spätestens seit einem im August 1942 erschienenen Artikel der «NZZ» war bekannt, woher das Gold stammte. Dennoch wurde bis April 1945 weiterhin Gold von der deutschen Reichsbank angekauft. Hinzu kamen noch weitere Verstösse gegen die Neutralität. Etwa die ungenügende Kontrolle des Transitverkehrs zwischen Deutschland und Italien über die Gotthard- und die Lötschberg-Simplon-Linie.
Antisemitische Flüchtlingspolitik
Eine unrühmliche Rolle nahm die Schweiz zudem mit ihrer Flüchtlingspolitik ein. Sie betrieb von 1938 an in ihrer offiziellen Haltung gegenüber jüdischen Flüchtlingen eine antisemitische Politik: Sie stimmte bei Verhandlungen mit Deutschland der besonderen Kennzeichnung der Pässe deutscher Juden mit einem Judenstempel zu.
Ab 1942 verweigerte der Bundesrat zudem jüdischen Flüchtlingen Asyl. Bundesrat Eduard von Steiger rechtfertigte diese Massnahme, indem er die Schweiz mit einem bereits stark besetzten Rettungsboot verglich. Die Abweisung an der Grenze bedeutete für viele jüdische Flüchtlinge den Tod. Nach Schätzungen der Bergier-Kommission sollen rund 20'000 Juden abgewiesen worden sein.
Fluchthelfer
Juden wurden erst ab Juli 1944 von der Schweiz als politische Flüchtlinge anerkannt. Während des Zweiten Weltkrieges fanden etwas mehr als 21'000 Juden in der Schweiz Zuflucht. Wenn die Juden dazugerechnet werden, die sich vor 1939 als Emigranten in der Schweiz aufhielten, waren es etwa 28'000. Rund 300'000 Menschen sollen zumindest vorübergehend in der Schweiz Zuflucht gefunden haben.
Einzelne Personen wirkten dieser antisemitischen Flüchtlingspolitik jedoch entgegen. So etwa Paul Grüninger, der als Polizeikommandant des Kanton St. Gallen hunderte jüdische und andere Flüchtlinge vor nationalsozialistischer Verfolgung rettete, indem er sie im Rheintal einreisen liess. Oder Carl Lutz, der als Schweizer Vize-Konsul in Budapest über 60'000 illegale Papiere ausstellte: Damit ermöglichte er ihnen die Ausreise nach Palästina.