ETH-Forscher Reto Knutti kritisiert CO2-Kompensation der Swiss
Swiss und MyClimate haben unterschiedliche Modelle, um CO2 zu kompensieren. Nau hat bei einem ETH-Forscher nachgefragt, welches mehr der Realität entspricht.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei der Swiss können Passagiere den CO2-Ausstoss des Fluges kompensieren.
- Bei MyClimate werden noch andere Emissionen in die Rechnung aufgenommen.
- Für ETH-Forscher Reto Knutti ist das MyClimate-Modell für ehrlicher.
Früher war es ein Prestige, mit dem Flieger in die Ferien verreisen zu können. In Zeiten von Klimastreiks hagelt es dafür vermehrt Kritik. Fakt ist: Die Luftfahrt belastet die Umwelt stark. Trotzdem: Da fliegen so billig ist, wächst die Branche stark.
Alleine zwischen 2010 und 2015 nahm in der Schweiz die Anzahl Flugreisen um 57 Prozent zu. Wir fliegen im Vergleich zu unseren Nachbarländern rund doppelt so viel. Die Fliegerei macht etwa 18 Prozent des menschgemachten Klimaeffekts der Schweiz aus.
Um den Einfluss auf das Klima zu reduzieren, können Passagiere den Flug kompensieren. Heisst: Die Emissionen des Fluges werden anderswo eingespart. Etwa durch den Bau von Solaranlagen oder durch Aufforstung.
Bekannter Anbieter ist die Stiftung MyClimate. Die Airline Swiss bietet auf ihrer Webseite selbst eine Kompensationsmöglichkeit an.
Swiss rechnet anders
Nur: Die beiden Rechner kommen auf ganz unterschiedliche Resultate. MyClimate errechnet einen rund doppelt so hohen Ausstoss wie die Lufthansa-Tochter.
Warum? Einerseits, weil die Swiss mit Daten der eigenen Flotte rechnet. Diese ist recht neu, und der Ausstoss damit geringer als der Branchen-Schnitt. Zudem wird bei der Swiss nur CO2 kompensiert, bei MyClimate werden andere Emissionen berücksichtigt – etwa Wasserdampf und Stickoxid.
Die Swiss argumentiert, dass «über die tatsächliche Wirkung weiterer Emissionen wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen.» MyClimate hingegen findet, dass «unsere Methodik von aktuellen Studien bestätigt wurde.»
Wer liegt also richtig? Im Prinzip habe die Swiss mit den Unsicherheiten recht, findet ETH-Forscher Reto Knutti. «Aber es ist eine fragwürdige Haltung. Zusätzliche Emissionen gibt es und deren Effekt ist erwiesen.»
Das wisse man bereits über 20 Jahre. «Es ist unbestritten: Luftschadstoffe, die zusätzlich kommen, haben Einfluss auf Wolkenbildung.» Ein Beispiel dafür sind Kondensstreifen.
Dadurch entsteht ein zusätzlicher Treibhauseffekt. Unklar ist allerdings, wie stark dieser ausfällt.
Knutti: «Gibt eine gewisse Spannbreite»
Der Professor für Klimaphysik erklärt: Man müsse mit dem Faktor zwei rechnen, um den ungefähren Klimaeffekt eines Fluges zu errechnen. «Mit einer Spannbreite von 1,5 bis 3 – je nach Untersuchung.» Einfluss haben hier etwa die Wetterlage, das Triebwerk, die Flughöhe und die Unsicherheiten, wie die Wolken reagieren.
Unter dem Strich hält Knutti die Rechnung von MyClimate für ehrlicher. «Hier werden die bestmöglichsten Informationen genutzt.»