Afghaninnen erhalten in der Regel weiterhin Asyl

Afghanische Frauen und Mädchen erhalten in der Schweiz weiterhin Asyl – die im Sommer 2023 eingeführte Asylpraxis bleibt bestehen.

Pascal Broulis (FDP/VD): «Die Frauen in Afghanistan können nichts mehr tun.» (Archivbild) - AFP

Afghanische Frauen und Mädchen erhalten in der Schweiz in der Regel weiterhin Asyl. Die im Sommer 2023 eingeführte Asylpraxis bleibt bestehen. Auch der Ständerat hat eine Motion abgelehnt, die diesen Entscheid rückgängig machen wollte.

Die kleine Kammer fällte ihren Entscheid am Mittwoch mit 25 zu 14 Stimmen bei zwei Enthaltungen. Der Vorstoss aus den Reihen der FDP ist damit vom Tisch. Der Nationalrat hatte Ende Mai eine Motion mit dem gleichen Anliegen mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hatte die Praxisänderung im Juli 2023 nach einer Empfehlung der Europäischen Asylagentur beschlossen. Die Lage für Frauen und Mädchen habe sich in Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban kontinuierlich verschlechtert, begründete es den Schritt. Die Grundrechte der Frauen seien stark eingeschränkt.

Ständerat warnt vor Sogwirkung neuer Asylpraxis

Im Ständerat argumentierte Damian Müller (FDP/LU), die Praxisänderung könnte eine Sogwirkung entfalten. Nur zwölf von 27 EU-Staaten hätten ihre Praxis angepasst. Er befürchtete namentlich, dass dadurch mehr Afghaninnen in die Schweiz kämen, die sich bereits in sicheren Drittstaaten befänden.

«Das Recht auf Asyl ist nicht mit einem Recht auf wirtschaftliche Besserstellung verbunden. Sonst müsste die Schweiz das ganze Elend der Welt aufnehmen», sagte er. Die Frage sei, ob die Schweiz für Geflüchtete attraktiv sein wolle oder nicht.

Der Bundesrat betonte dagegen, auch mit der neuen Praxis erhalte kein Asyl, wer in einen sicheren Drittstaat zurückkehren könne. Auch hob er hervor, dass weiterhin jeder Fall einzeln geprüft werde.

Ständeratskommission lehnt SVP-Vorstoss zur Asylpraxis ab

Die Mehrheit der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK-S) liess sich von entsprechenden Versicherungen des SEM überzeugen und beantragte die Ablehnung der Motion. Eine SVP-Minderheit der vorberatenden Kommission setzte sich für die Annahme des Vorstosses ein, drang aber nicht durch.

Konkret wollte die Minderheit, dass statt der Staatsangehörigkeit von Asylsuchenden deren Herkunftsland entscheidend sein solle. Pirmin Schwander (SVP/SZ) sagte, Frauen seien in Afghanistan schon immer diskriminiert worden. Er bestritt, dass nun eine flüchtlingsrechtlich relevante Schwelle überschritten worden sei.

In Wirklichkeit habe sich die Situation von Frauen in Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban drastisch verschlechtert, widersprach Daniel Fässler (Mitte/AI). Er stellte infrage, ob die Praxisänderung tatsächlich eine sei. In Wirklichkeit sei durch Gerichtsurteile längst klar, dass das Geschlecht allein für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht ausreiche. Das SEM habe auch das entsprechende Faktenblatt inzwischen angepasst.

Keine Schlechterbehandlung von Afghaninnen bei Asylanträgen

In keinem Land würden Frauen so schlecht behandelt wie in Afghanistan, argumentierte Pierre-Yves Maillard (SP/VD). Dies sei der einzige Faktor, der sich geändert habe. Es gehe lediglich darum, in dieser Lage das Gesetz korrekt anzuwenden. Die Motion anzunehmen, würde hingegen auf eine Schlechterbehandlung von Afghaninnen hinauslaufen.

Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 habe die Schweiz Geflüchtete auch aufgenommen, wenn sie über sichere Staaten ins Land gekommen seien, sagte er, an Müller gerichtet. Es sei schwer zu sehen, wer noch Schutz erhielte, wenn nicht Afghaninnen.

«Die Frauen in Afghanistan können nichts mehr tun», sagte auch Pascal Broulis (FDP/VD). Er warf dem Bundesrat vor, durch unglückliche Kommunikation eine unnötige Diskussion ausgelöst zu haben. Durch diese würden Afghaninnen stigmatisiert.

Ständerat verwirft Motion zur neuen Asylpraxis

Justizminister Beat Jans verwies auf den Flüchtlingsbegriff im Asylgesetz. Afghanische Frauen hätten heute objektiv Grund zu fürchten, Opfer einer diskriminierenden Gesetzgebung und religiös motivierter Verfolgung zu werden, erklärte er. Er betonte auch, die von Müller befürchtete Sogwirkung sei ausgeblieben.

Die kleine Kammer hatte am Mittwoch über eine zweite Motion zum Thema zu befinden. Den Vorstoss erarbeitet hatte die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N). Demnach sollte das SEM die neue Praxis mit verschiedenen flankierenden Massnahmen und Vorkehrungen ergänzen, etwa mit einer verpflichtenden Sicherheitsprüfung für nachziehende Ehepartner.

Der Nationalrat hatte die Motion in der Sommersession angenommen. Eine Mehrheit im Ständerat sah das Anliegen als bereits erfüllt an. Die kleine Kammer verwarf die Kommissionsmotion mit 23 zu 17 Stimmen ohne Enthaltungen. Diese ist damit vom Tisch.