Coronavirus: Kritik an App-Zwang-Vorschlag von CVP-Ständerätin Gmür
Contact Tracing heisst das neue Mittel um dem Coronavirus beizukommen. Für ihren Vorschlag, eine App obligatorisch zu machen, kassiert Andrea Gmür viel Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Bald soll eine Contact-Tracing-App in der Schweiz verfügbar sein.
- CVP-Ständerätin Gmür will diese für Bürger obligatorisch machen.
- Damit löste sie bei anderen Politikern grossen Widerstand aus.
In der Krise um das Coronavirus gibt es ein Thema, das die Menschen speziell emotional werden lässt: der Überwachungsstaat. Für die einen ist die Schweiz mit ihren Massnahmen und Einschränkungen der persönlichen Freiheiten auf dem besten Weg dorthin. Für die anderen ist klar, dass die Massnahmen temporär für die Krisenzeit sind. Das betonen auch der Bundesrat und die Fachexperten der Departemente immer wieder.
Heikle Kontakt-Rückverfolgung
Die Einführung der Contact-Tracing-App «DP-3T» ist darum besonders heikel. Ein pan-europäisches Open-Source-Projekt, an dem auch ETH/EFPL beteiligt sind, will ermöglichen, Kontakte nachzuverfolgen. Dazu wird per Bluetooth festgestellt, in wessen Nähe man sich aufgehalten hat. Wenn sich jemand später als mit dem Coronavirus infiziert herausstellt, kann man so zurückverfolgen, mit wem die Person Kontakt hatte.
Das Prinzip ist einfach und sehr effektiv. Aber nur, wenn auch eine grosse Anzahl Menschen mitmachen. Von einem Zwang zur Benutzung der App, das wurden BAG und Bundesrat nicht müde zu betonen, dürfe jedoch nicht die Rede sein. Die Teilnahme am Projekt soll rein freiwillig sein.
Mit App-Zwang gegen das Coronavirus
Anders sieht das Andrea Gmür (CVP). Die Ständerätin sorgte auf Twitter mit einer brisanten Forderung für Aufsehen. «Damit die App volle Wirkung erzielen kann, muss sie während der akuten Notphase obligatorisch sein», schrieb Gmür. Und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus.
Die Nationalräte Corina Gredig (GLP) und Christian Wasserfallen (FDP) widersprachen ihr beispielsweise heftig. Cédric Wermuth (SP) zeigte sich überrascht, dass der Vorschlag aus der politischen Mitte kam. Gegenüber Nau.ch meldet er starke Bedenken an.
Mit Händen und Füssen
«Ich bin der App gegenüber grundsätzlich skeptisch eingestellt», so Wermuth. «Es ist auch für mich nicht erwiesen, dass die App das epidemiologische Wundermittel ist, zu dem es jetzt teilweise hochstilisiert wird», so Wermuth.
Und weiter: «Es kann nicht sein, dass der Staat eine Zwangsapp verordnet. Dagegen werde ich mich mit Händen und Füssen wehren. Wir haben ein Verfassungsrecht auf Privatsphäre und mit einem Zwang zur Benutzung dieser App würde eine rote Linie überschritten.»
Abwägen in der Notsituation
Andrea Gmür, als ständerätliche Urheberin des Vorschlags, weht derzeit also ein scharfer Wind entgegen. «Ich habe nur wenige positive Rückmeldungen bekommen», gibt sie gegenüber Nau.ch zu. «Aber auch ich will natürlich weder einen Überwachungsstaat noch den gläsernen Bürger.»
«Jede Verpflichtung, die App zu benutzen muss auf Basis des Epidemiengesetzes geschehen und sowohl zeitlich als auch örtlich klar berschränkt werden. Wir befinden uns in einer Notsituation, da gilt es abzuwägen.»
Kaum Chancen für Gmürs Forderung
Abzuwägen zwischen was? Gmür präzisiert: «Klar wäre eine kurzzeitige App-Pflicht auch ein staatlicher Eingriff, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir dafür andere Freiheitsrechte zurückgewinnen, die jetzt eingeschränkt sind. Wir können uns früher wieder frei bewegen, die Versammlungsfreiheit könnte wiederhergestellt werden.»
Gmürs Forderung wird in den Räten wohl chancenlos bleiben. Der Widerstand des Bundesrates und der Räte dürfte zu gross sein.