Zoff um Klima-Urteil: Nationalrat lehnt Kündigung der EMRK ab
Nach dem Klima-Urteil wollte die SVP die Europäische Menschenrechtskonvention kündigen. Das Parlament hat die Motion nun klar abgelehnt.
Das Wichtigste in Kürze
- In einer Motion forderte die SVP die Kündigung der Europäische Menschenrechtskonvention.
- Der Nationalrat lehnte die Motion klar mit 121 zu 65 Stimmen ab.
Der Nationalrat will die Europäische Menschenrechtskonvention nicht kündigen. Er hat am Dienstag eine entsprechende Fraktionsmotion der SVP abgelehnt.
Konkret forderte die SVP die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auf den nächstmöglichen Termin. Hintergrund ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall der Klimaseniorinnen vom vergangenen Jahr. Der Gerichtshof hielt darin fest, dass die Schweiz ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen beim Klimaschutz nicht nachgekommen sei.
SVP: «Nicht sehr konsequent!»
Die grosse Kammer fällte ihren Entscheid mit 121 zu 65 Stimmen bei einer Enthaltung. Nur eine Ja-Stimme kam von ausserhalb der SVP-Fraktion.
Dies zeige einmal mehr, dass die SVP die Partei sei, die sich für die Volksrechte einsetze. Denn um diese gehe es, sagt SVP-Präsident Marcel Dettling zu Nau.ch: «Es ist einfach nicht eine sehr konsequente Haltung.»
FDP-Cottier: «Ausstieg wäre Extremlösung»
Denn noch in der letzten Session hatte der Rat das Urteil zugunsten der Klimaseniorinnen scharf kritisiert. Doch direkt aus einer wichtigen Organisation auszusteigen, weil einmal ein Urteil nicht gefällt, sei eine Extremlösung, sagt FDP-Fraktionspräsident Damien Cottier.
Ja, auch die FDP habe das Urteil kritisiert. Aber: «Es ist eines von 8000 in den letzten 50 Jahren». Abgesehen von etwas über 100 habe die Schweiz alle gewonnen. Bei einem Ausstieg würde die Schweizer Bevölkerung auch den Schutz der Menschenrechts-Konvention verlieren.
Ohne EMRK: Wie Russland und Belarus?
«Die Menschenrechte stehen in der Bundesverfassung», hält SVP-Nationalrat Graber dem entgegen. «Und die europäische Menschenrechtskonvention ist noch lange kein Garant dafür, dass die Menschenrechte tatsächlich eingehalten werden.» Damit meint Graber allerdings nicht die Schweiz, sondern die Türkei: EMRK-Mitglied, und trotzdem habe die Schweiz fast am meisten Flüchtlinge aus der Türkei.
Mit einem Ausstieg aus der Europäischen Menschenrechtskonvention wäre die Schweiz gleichauf wie Russland und Belarus, sagte Justizminister Beat Jans in der Debatte. Ein Raunen ging durch die Reihen der SVP, solches hört Michael Graber gar nicht gern.
«Wenn der Justizminister unsere direkte Demokratie mit dem kommunistischen Regime in Russland vergleicht, dann habe ich natürlich extrem Mühe." Das russische Regime sei ja «eher seinem politischen Spektrum näher» – was wohl wiederum SP-Bundesrat Beat Jans nicht gerne hört.
FDP setzt nun auf Ständerat
Die FDP schlage unterdessen etwas anderes vor, betont FDP-Fraktionschef Cottier: Nämlich die morgen im Ständerat traktandierte Motion ihres Ständerats Andrea Caroni. «Diese schlägt vor, das System zu verbessern, aber nicht zu verlassen. Das ist ein konstruktiver Vorschlag.»
So könnten alle Bürgerinnen und Bürger, die finden, die Schweiz habe sie nicht gerecht behandelt, weiterhin vor dieses Gericht gelangen. «In den meisten Fällen – eben 8000 – sagt Strassburg, die Schweiz macht das gut», so Cottier. In allen anderen Fällen entscheide aber so oder so wieder die Politik, wie man dieses Urteil anwendet – die Demokratie bleibe erhalten.
Denn, so räumt Damien Cottier ein: «In einigen Fällen kann man sich verbessern. Niemand ist perfekt, die Schweiz auch nicht.»