Tausende Flüchtlinge auf Lesbos ohne Unterkunft und Essen

Nach der Brandkatastrophe im Flüchtlingslager Moria sind auf der Insel Lesbos noch tausende Menschen ohne Unterkunft und Nahrung auf sich gestellt.

Nacht auf der Strasse: Flüchtlinge am Donnerstag auf Lesbos - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Fähre soll Familien aus Lager Moria aufnehmen.

Verzweifelte Familien, oft mit kleinen Kindern, irrten nach einer zweiten Nacht im Freien über die Insel, wie AFP-Reporter berichteten. «Man hat uns im Stich gelassen, ohne Essen, Wasser oder Arzneimittel», sagte Fatma aus Syrien, ihr zweijähriges Kind im Arm. Die griechischen Behörden suchten derweil hektisch nach Lösungen zur Unterbringung der Menschen.

Griechenland wollte noch am Donnerstag - vorerst Familien und besonders bedürftigen Menschen - eine neue Unterkunft beschaffen. Eine Fähre mit Platz für hunderte Menschen wurde zur Insel Lesbos entsandt, wie das Migrationsministerium in Athen mitteilte. Zwei griechische Marine-Schiffe sollen demnach zusätzliche Schlafmöglichkeiten bieten.

Auch drei Flugzeuge wurden den Angaben zufolge nach Lesbos geschickt, um 406 unbegleitete Minderjährige aufs Festland nach Nordgriechenland zu bringen. Sie wurden zuvor auf das neuartige Corona-Virus getestet. Die EU hatte zuvor angeboten, diese Unterbringung zu finanzieren. Zudem soll nach Angaben der Regierung in Athen an Sammelpunkten auf Lesbos Essen für die Flüchtlinge ausgegeben werden - zusammen mit Hilfsorganisationen.

EU-Vize-Kommissionspräsident Margaritis Schinas wurde am Donnerstag auf Lesbos erwartet. Dort war das völlig überfüllte und schon seit Jahren als unmenschlich kritisierte Flüchtlingslager Moria am Dienstagabend durch einen Grossbrand in weiten Teilen zerstört worden.

Durch ein zweites Feuer am Mittwochabend verbrannte dann der verbleibende Teil des Lagers fast vollständig, wie das Ministerium mitteilte. Ernsthaft verletzt wurde durch die Brände niemand, fast 13.000 Menschen wurden aber obdachlos und mussten auf der Strasse oder in Olivenhainen schlafen.

Überlegungen, übergangsweise neue Zelte auf Lesbos für die Flüchtlinge aufzustellen, stiessen auf Widerstand der einheimischen Bevölkerung und der Behörden vor Ort. «Wir haben Schwierigkeiten, Zelte für die Unterbringung dieser Menschen aufzustellen», räumte Giorgos Koumoutsakos vom Migrationsministerium im Sender SKAI TV ein.

Die Bevölkerung von Lesbos mit seinen 85.000 Einwohnern, die anfangs die vielen Flüchtlinge freundlich aufgenommen und ihnen geholfen hatten, hat über die Jahre eine zunehmend ablehnende Haltung entwickelt. Nach Ausbruch der Brände im Lager Moria hatten manche Griechen sogar die Zugänge zu naheliegenden Orten für Flüchtlinge blockiert.

Migrationsminister Notis Mitarachi erklärte am Mittwoch, die Feuer seien ausgebrochen, «als die Asylbewerber gegen die verhängte Quarantäne protestierten». Wenige Stunden zuvor hatte das Ministerium mitgeteilt, dass 35 Lagerbewohner positiv auf das Coronavirus getestet worden seien.

Seit den Bränden wurden lediglich acht der 35 Infizierten ausfindig gemacht und mit Kontaktpersonen isoliert. Ärzte der Weltgesundheitsorganisation wollten ab Donnerstag auf Lesbos Corona-Tests starten.

Die griechische Präsidentin Katerina Sakellaropoulou erklärte am Donnerstag, die Probleme müssten ohne «Verzögerung, Schwarze-Peter-Spiel, Kriegsgeschrei» gelöst werden. Vor allem dürfe «Europa nicht wegsehen». Das Flüchtlingsthema sei in erster Linie ein europäisches Problem.

In der EU ist aber wie schon seit Jahren umstritten, wie die Flüchtlinge in den südlichen Mitgliedstaaten auf andere Länder verteilt werden könnten. Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), nannte die EU-Flüchtlingspolitik am Donnerstag eine «europäische Schande». Sie plädierte im ZDF dafür, dass sowohl Deutschland jetzt schnell Flüchtlinge aus Moria aufnimmt und zugleich weiter nach einer europaweiten Lösung gesucht wird.

Sie nannte es «absurd», dass viele Städte und Gemeinden in Deutschland bereit seien, Flüchtlinge aufzunehmen, was sie wegen des Widerstands in Berlin aber nicht dürfen.