Polnische Regionalwahlen als Stimmungstest für Regierungspartei PiS
Die Regionalwahlen in Polen können Jaroslaw Kaczynskis umstrittene PiS-Partei laut Umfragen weiter stärken.
Das Wichtigste in Kürze
- In Polen finden heute Sonntag Regionalwahlen statt.
- Dies gilt als Stimmungstest für die Regierungspartei PiS.
Ungeachtet ihres strikten EU-Konfrontationskurses kann die polnische Regierungspartei PiS auf noch mehr politische Macht hoffen. Bei den landesweiten Regionalwahlen heute Sonntag winken ihr Umfragen zufolge weitere Zugewinne – die Abstimmungen gelten als wichtiger Stimmungstest für den weiteren politischen Weg Polens.
«Die Wahlen haben eine niedagewesene Bedeutung», sagt der renommierte Soziologe Janusz A. Majcherek von der Universität Krakau zur anstehenden Neubesetzung von Posten Zehntausender Lokalpolitiker – vom Bürgermeister bis zum Gemeinderat. «Setzt sich die PiS durch, ist von der Fortsetzung ihres autoritären Kurses auszugehen.»
Europaweite Kritik
Die PiS, die seit 2015 bereits mit absoluter Mehrheit auf nationaler Ebene regiert, steht europaweit unter anderem wegen erheblicher Einschnitte in die Unabhängigkeit der Justiz in der Kritik. Gegen die umstrittenen Zwangspensionierungen von Richtern klagt die EU-Kommission gar vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Trotz des Zwists mit vielen EU-Partnern wollen bei den Regionalwahlen laut einer Umfrage des Instituts CBOS rund 29 Prozent der Polen für die Partei von Jaroslaw Kaczynski stimmen. Die Wahl von Vertretern für Gemeinden, Kreise und die Regionalparlamente der 16 Wojewodschaften stellt in Polen den Auftakt eines regelrechten Abstimmungsmarathons dar: 2019 folgen Europa- und Parlamentswahlen, 2020 dann die Präsidentschaftswahlen.
Politische Kommentatoren in Polen schätzen, dass die PiS, die bisher nur in einem Regionalparlament regiert, diese Zahl nun auf bis zu sieben steigern kann. «Die Institutionen der territorialen Selbstverwaltung sind die letzten, die sich die PiS bisher nicht unterordnen konnte», urteilt Majcherek in einer Analyse für das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt. Auf nationaler Ebene krempelt die PiS das Land bereits seit längerem nach ihren Vorstellungen um und peitscht umstrittenste Reformen mühelos durchs Parlament.
Dem kann die zerstrittene Opposition, der Kritikern zufolge eine programmatische Linie fehlt, kaum etwas entgegensetzen. Landesweit wollen Vorwahlerhebungen zufolge nur 16 Prozent der Polen für die Oppositionsparteien PO und Nowoczesna, die bei der Wahl gemeinsam antreten, stimmen. Damit sehen sie selbst mit vereinten Kräften schwach gegen die PiS aus.
«Steuert auf Polexit zu»
Machtlos gegen die Warschauer Regierung erwies sich bisher auch die EU-Kommission, die neben der EuGH-Klage ein Sanktionsverfahren wegen Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen führt. «Polen steuert auf einen Polexit zu», warnen PiS-Gegner. Die Nationalkonservativen sehen sich gleichwohl im Recht.
«Die Mehrheit der Polen will die Justizreformen», argumentiert Regierungschef Mateusz Morawiecki. Dass die PiS drei Jahre nach ihrem Wahlsieg die Position als stärkste Partei Polens halten kann, liegt allerdings nicht an einer Europaskepsis der Polen. Mehr als 80 Prozent der Menschen befürworten laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Millward Brown für den Sender TVN24 die EU-Mitgliedschaft.
Kaczynskis Partei wird Kritikern zufolge vor allem wegen ihrer umfangreichen sozialen Wohltaten gewählt. «Die PiS spezialisiert sich darauf, politische Unterstützung von Steuergeldern zu kaufen», sagt Wirtschaftspublizist Piotr Maczynski von der Zeitung «Gazeta Wyborcza». Auch den Sieg bei der Parlamentswahl im Jahr 2015 führten Experten auf das von der PiS versprochene Kindergeld zurück. Mit umgerechnet etwa 138 Franken im Monat stellt es für viele Familien ein zusätzliches Einkommen dar. Die PiS senkte ausserdem das Renteneintrittsalter von 67 auf 65 für Männer und 60 für Frauen.
Mehr Geld für Senioren
Nun wirbt die Partei mit mehr Geld für Senioren. Experten zufolge werden die notwendigen Mittel für ein solch grosszügiges Programm bald knapp. Noch deckt die PiS die zusätzlichen Milliardenausgaben durch eine höhere Umsatzsteuer und einen reformierten Steuereinzug ab. «Wenn diese Einnahmen stocken oder sinken, muss die PiS ihre Sozialprogramme kürzen oder Steuern erhöhen», sagt Maczynski. «Wenn das Geld alle ist, wird die Macht der PiS zu Ende sein.»
Die meisten Wähler der PiS, die traditionelle Werte vertreten und der katholischen Kirche nahestehen, sind in ländlichen Regionen im Südosten Polens beheimatet. In Grossstädten wie Warschau oder Danzig ist die Lage umkämpfter – Umfragen zufolge dürfte sich die PiS hier im Kampf um Stadtpräsidentenämter auch am Sonntag nicht durchsetzen. Dort habe die liberaldemokratische Opposition bessere Chancen auf Erfolge, sagt Majcherek. Siege der Opposition dort wären aus seiner Sicht ein wichtiger psychologischer Schub für die PiS-Rivalen. «Es könnte ein erster Schritt zur Wiederherstellung ihrer Macht und demokratischer Standards sein.»