Neuenburg stimmt über Recht auf digitale Unversehrtheit ab

Neuenburg will das Recht auf digitale Unversehrtheit in der Kantonsverfassung verankern.

Der Kanton Neuenburg: Am 24. November entscheidet die Stimmbevölkerung über das Recht auf digitale Unversehrtheit. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

In Neuenburg soll das Recht auf digitale Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger in der Kantonsverfassung verankert werden. Am 24. November entscheidet die Stimmbevölkerung über das vom Grossen Rat angenommene Dekret. Alle Parteien ausser der FDP sind dafür. Sie hat Stimmfreigabe beschlossen.

Als digitale Unversehrtheit oder digitale Integrität wird allgemein die ungestörte Existenz der Person in der digitalen Welt bezeichnet. Diese soll analog der körperlichen und geistigen Unversehrtheit geschützt werden.

Konkret geht es etwa um den Schutz vor Datenmissbrauch, die Sicherheit im Internet oder das Recht auf Vergessenwerden. Dieses neue Grundrecht in der Neuenburger Verfassung hätte lediglich eine Wirkung auf die Beziehung zwischen dem Kanton sowie seiner Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern.

Denn der Kanton kann keine Gesetze zur Datenverarbeitung durch Unternehmen und Privatpersonen erlassen. Dies fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundes.

Befürworter verteidigen digitale Souveränität

Die Befürworter dieser Verfassungsänderung im Kanton Neuenburg sagen: «Dieses neue Grundrecht wird es ermöglichen, die digitale Souveränität zu verteidigen, sowohl als individuelles Eigentum der Bürger als auch als kollektives Gemeingut.»

Die Befürworter dieser Verfassungsänderung fordern auch das Recht auf ein Offline-Leben ein. Der Staat müsse weiterhin den Zugang zu einem menschlichen Ansprechpartner in der Verwaltung anbieten.

Zudem wollen sie, dass die Ausbildung und Information der Bevölkerung im Umgang mit neuen Technologien und die Sensibilisierung für die Herausforderungen der Digitalisierung gefördert wird. Weiter fordern sie das Recht ein, dass man sich ausserhalb der Arbeitszeiten von seinen beruflichen Verpflichtungen abkoppeln kann.

Andere Kantone folgen dem Beispiel

Vorreiter bei diesem Thema in der Schweiz war Genf, der 2023 als erster Kanton ein Grundrecht auf digitale Integrität in der Verfassung festgeschrieben hatte. In anderen Westschweizer Kantonen wie Jura, Waadt, Neuenburg sind ähnliche Pläne weit fortgeschritten.

In Zürich hat die Piratenpartei im vergangenen August eine Initiative mit genügend Unterschriften beim Kanton eingereicht. Zu einer Abstimmung dürfte es in den nächsten Jahren kommen.

Im Wallis lehnte das Stimmvolk im vergangenen März einen entsprechenden Gesetzestext mit der gescheiterten Verfassungsrevision ab. Im Kanton Neuenburg hatte der Grosse Rat hat die Verfassungsänderung im Frühjahr mit 66 Ja-Stimmen, 29-Nein-Stimmen sowie 3 Enthaltungen gutgeheissen.

Regierung sieht Recht als symbolisch

Lediglich die FDP und einige Abgeordnete der Grünliberalen sprachen sich gegen das Dekret aus oder enthielten sich der Stimme. Auch der Staatsrat war dagegen, obwohl er die vorgebrachten Bedenken teilte.

Nach Ansicht der Regierung ist dieses Recht vor allem symbolisch, da sein Umfang begrenzt und auf die Beziehungen zwischen dem Staat und den Bürgern beschränkt sei.

«Das Risiko einer nur symbolischen Bestimmung mit sehr begrenztem Umfang besteht darin, dass in der Öffentlichkeit unverhältnismässige Erwartungen geweckt werden, die nicht erfüllt werden könnten», hatte die für digitale Angelegenheiten zuständige Staatsrätin, Crystel Graf (FDP), vor den Abgeordneten erklärt.