Meta Hiltebrand: «Wein-Food-Pairing ist wie eine Beziehung»
Die Schweizer Starköchin Meta Hiltebrand bricht gerne mit Regeln und kocht überraschende Kreationen. Im Interview verrät sie, woher sie ihre Ideen nimmt.
Nau.ch: Sie haben sich auf Wein-Food-Pairing spezialisiert. Worauf achten Sie, wenn Sie den passenden Wein zum Essen wählen?
Meta Hiltebrand: Mir ist die Harmonie wichtig: Weder das Essen noch der Wein darf Hauptdarsteller sein, die beiden sollen sich ergänzen. Und es ist genau wie in einer Beziehung: Auch wenn zwei total verschieden sind, kann es trotzdem matchen.
Nau.ch: Früher gab es strenge Regeln, beispielsweise dass man zu Fleisch keinen Weisswein und zu Fisch und Fondue nie Rotwein trinkt. Heute ist man offener – Sie auch?
Hiltebrand: Auf jeden Fall! Für mich sind diese alten Regeln passé. Ich serviere gerne mal einen Weisswein zu einem schweren Stück Fleisch – natürlich einen Weisswein, der im Holz ausgebaut wurde, also mehr Struktur und Charakter hat, um mit dem Fleisch mitzuhalten.
Ich dämpfe auch mal einen Fisch im Rotwein oder serviere ihn mit Rotwein – das gibt dem Fisch einen anderen Geschmack. Es muss dann nicht unbedingt ein leichter Rotwein sein, wie manche glauben. Lachs mit seinem kräftigen Aroma kann man sehr gut mit einem kräftigen Rotwein kombinieren.
Nau.ch: Sie sind wagemutig und kochen zum Beispiel Lachs mit Blumenkohlpurée, Passionsfrucht und weissem Schokoladerahm – und servieren dazu einen Weisswein aus dem spanischen Rueda-Gebiet. Wie kommen Sie auf solche Kreationen, und worauf achten Sie?
Hiltebrand: Ich gehe mit offenen Augen durch mein Leben und finde meine Ideen oft im Alltag oder auch nachts im Traum. Und ich habe tolle Partner an meiner Seite, die mich anrufen, wenn etwas im Garten wegmuss oder etwas Besonderes gewachsen ist. Natürlich schaue ich immer auf die Qualität aller Zutaten.
Bei mir gibt es zum Beispiel kein weisses Kalbfleisch, ich versuche auf Babyfleisch generell zu verzichten. Wenn ich Kalbfleisch einsetze, dann stammt es von einem sehr coolen Bauer aus der Region – und so weiss ich: Das Tier hatte es schön. Sein Fleisch ist rosa, weil es draussen geweidet hat.
Nau.ch: Und worauf achten Sie, wenn Sie einen Weisswein zu Lachs mit Schokorahm aussuchen?
Hiltebrand: Dass der Weisswein dazu ausreichend Säure hat und einige wenige Monate im Eichenfass war. Dadurch wird der Wein weicher, runder – und passt zu cremigen Gerichten.
Nau.ch: Worauf achten Sie sonst noch für einen perfekten Match beim Wein?
Hiltebrand: Weissweine werden oft sehr kalt serviert, daher haben sie weniger Aromen. Daher überlege ich mir immer: Wie entwickelt sich der Wein, wenn der Gast am Tisch sitzt und das Glas über längere Zeit trinkt, der Wein also wärmer wird? Nur schon beim Einschenken wird der Wein zwei Grad wärmer. Mein Essen muss so ausbalanciert sein, dass er dann immer noch passt.
Beim Rotwein achte ich darauf, in welchem Holz er ausgebaut wurde. Damit kann man spielen, das hat einen Rieseneinfluss. Wichtig ist zudem, dass die Köchin mit dem Kellner spricht: Neben den Zutaten ist die Zubereitungsart entscheidend, damit es passt.
Nau.ch: Es gibt Weinkenner, die sagen, dass man sogar ein versalzenes Essen mit dem richtigen Wein retten könne. Einverstanden?
Hiltebrand: Nein. Man kann grobe Fehler in der Flasche oder im Teller nicht ausbalancieren. Aber wenn ein Gast sagt, er möge keine Süssspeisen, dann sorge ich für einen kräftigen Wein – und plötzlich mag er das Dessert.
Das finde ich schön und spannend. Trotzdem versuche ich nie, die Gäste zu bekehren: Sie bekommen, was sie wollen. Ich versuche lediglich, sie ab und zu mit neuen Ideen zu überraschen. Und wenn es dann gefällt, revidieren sie eventuell ihre Vorurteile.
Nau.ch: Sie brechen gerne Regeln. Gibt es für Sie dennoch ein absolutes No-Go?
Hiltebrand: Hochprozentiges sollte man nie mit einer Vorspeise kombinieren: Der Gaumen bekommt sonst unweigerlich so viel Feuer ab, dass das Essen nicht mehr mithalten kann. Es wird dann sehr schwierig, Aromen herauszuschmecken. Der Alkohol übertönt alles, und das ist schade.
Nau.ch: Sie haben kürzlich in Ihrem Zürcher Kochstudio ein achtgängiges Menü ausschliesslich mit Weisswein serviert – alle aus dem spanischen Rueda-Gebiet. Wie schneiden diese Weine im Vergleich mit Schweizer Weisswein ab?
Hiltebrand: Spanien ist mein Lieblingsland beim Wein, sie haben tolle Böden und ein geiles Klima, sodass sie ungemein viel produzieren können. Beim Rueda hat es absolute Freaks, bei denen Du einen Schluck nimmst und denkst: Wow!
Rueda und die Schweiz sind sich eigentlich recht ähnlich, weniger wegen des Klimas, sondern wegen der Vielfalt der Weine. Ich habe lange kaum Schweizer Weine getrunken, weil ich sie nicht mochte. Ich mag viel Frucht und viel Tannin – und inzwischen auch Schweizer Weine sehr gerne!
Nau.ch: Welches sind Ihre Lieblingsweine aus der Schweiz?
Hiltebrand: Mein lokaler Lieblingswein ist der «Meta von Salis» aus der Bündner Herrschaft, ein Weisswein aus Chardonnay- und Viognier-Trauben: Er war lange der kräftigste Schweizer Wein, den ich je probiert habe, und er hat mich damals fast umgehauen.
Der Wein trägt meinen Vornamen, und Meta von Salis hat eine coole Geschichte: Sie war eine Vorkämpferin für die Rechte der Frauen und die erste Frau, die in der Schweiz doktorierte. Wunderbar!
Nau.ch: Und aus dem Rueda-Gebiet?
Hiltebrand: Da mag ich den «El Perro verde», das war einer der ersten Weine, die ich als Jugendliche überhaupt getrunken habe. Am Anfang verstand ich ihn nicht: Er war so leicht und ich so dominant in früheren Jahren.
Aktuell brauche ich einen anderen Wein sehr häufig, auch zum Kochen: den Rosé von Valdecuevas. Boah, der hat eine krasse rosa Farbe, er hat starke Beerennoten von ganz vielen verschiedenen Beeren, sodass Du Dich fragst, wie es möglich ist, dass eine Traube überhaupt so schmecken kann!
Nau.ch: Sie gehen mit dem Trend, Rosé wird immer beliebter!
Hiltebrand: Ich vermute eher, dass die Leute mutiger geworden sind: Sie reden eher über Rosé, der früher verpönt war. Lange hat man Roséweine als dünne Wässerchen belächelt, oft zu Unrecht.
Nau.ch: Was hältst Du vom Trend zu lagerfähigen Weiss- oder Roséweinen?
Hiltebrand: Unbedingt! Man hat es beim letzten Weisswein aus dem Rueda, der etwas Holz hatte, deutlich bemerkt: Der wäre noch geiler, wenn er fünf Jahre älter wäre. Weine, die zur Lagerung geeignet sind, werden samtiger, sie verändern sich in der Konsistenz, es gibt einen leicht cremigen Film auf der Zunge.
Und je länger man sie lagert, desto dicker werden sie, desto mehr bedecken sie den Gaumen: Sie verlieren die Zitrusfrische und ermöglichen intensivere Geschmackserlebnisse.
Nau.ch: Trinkt man also auch die Schweizer Weissweine zu jung, brauchen wir etwas mehr Geduld?
Hiltebrand: Wir Schweizer trinken generell unsere einheimischen Weine viel zu früh. An grossen Anlässen beobachte ich, dass man einfach gerne die schnellen, leichten Rotweine trinkt, das funktioniert für viele Menschen. Das ist nicht falsch oder richtig. Aber die Menschen sind unterschiedlich und wir haben zum Glück eine grossartige Auswahl für alle!
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Zur Person: Meta Hiltebrand lernte ihr Handwerk unter anderem bei Anton Mosimann, dem langjährigen Koch der Queen, und wurde mit 23 Jahren die jüngste Küchenchefin der Schweiz. Sie eröffnete fünf Jahre später ihr erstes Restaurant, zwei Jahre später ihr zweites. Jahrelang trat sie bei deutschen und Schweizer Sendern als Fernsehköchin und Jurorin auf. Heute veranstaltet sie Kochkurse, exklusive Anlässe und Firmenevents – in ihrem eigenwillig gestalteten Kochstudio «cookcouture.ch» im Zürcher Kreis 5.
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Ob das beste Wein-Gadget, Schweizer Schaumwein oder Weinwissen für Einsteigerinnen und Einsteiger: Weinjournalistin Catherine Duttweiler nimmt uns bei Nau Food mit auf die Reise des Genusses.