Schweizer Bierbrauer wegen Coronakrise auf Durststrecke
Die Schweizer Brauereien ziehen nach dem Lockdown im Frühling eine ernüchternde Bilanz. Allerdings wurde Schlimmeres befürchtet.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Absatz in der Gastronomie ist offenbar im ersten Halbjahr um 40 Prozent gesunken.
- Der April stellte dabei den Monat des grössten Einbruchs dar.
- Die Bilanz wurde durch den höheren Absatz im Detailhandel aufgehübscht.
Die Coronapandemie hinterlässt bei Schweizer Brauereien einen bitteren Nachgeschmack. Weil Restaurants, Bars und Konzerthallen lange Zeit geschlossen waren, haben sie im ersten Halbjahr deutlich weniger Bier verkauft. Die Lust auf das kühle Blonde war aber auch im Lockdown gross.
«Vor allem der Absatz in der Gastronomie dürfte im ersten Halbjahr um rund 40 Prozent zurückgegangen sein.» Dies sagte der Geschäftsführer des Schweizer Brauerei-Verbandes (SBV), Marcel Kreber, gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.
Am dramatischsten war der Einbruch laut Kreber im Monat April. In diesem nahmen die Bierverkäufe in der Gastronomie um gut 80 Prozent ab.
Verkaufszunahme in den Läden
Der vom SBV geschätzte Gesamtabsatz ist allerdings schwächer zurückgegangen, als eigentlich zu erwarten gewesen wäre: «Für das erste Halbjahr gehen wir von einem Absatzminus von mehr als 4 Prozent aus», sagte Kreber.
Das verdankt die Branche der Verkaufszunahme in den Läden. Gemäss Kreber nahm der Bierabsatz im Detailhandel zwischen Januar und Juni um etwa 12 Prozent zu. Viele Schweizer haben also auch während der Zeit des Lockdowns in den eigenen vier Wänden Bier getrunken.
«Die Entwicklung in unseren Detailhandelskanälen und in den eigenen Getränkemärkten ist äusserst positiv», sagte Reto Preisig, Geschäftsführer der St. Galler Brauerei Schützengarten. Während durch den Lockdown weniger Offenausschankbiere und Mehrweggebinde nachgefragt wurden, habe man dafür mehr Biere in Einwegflaschen verkauft. «Eine überdurchschnittliche Entwicklung hatten wir auch bei unseren Spezialitätenbieren.»
Lockdown kam zu Blütezeit
Schützengarten verkauft etwa die Hälfte seiner Biere im Laden, die andere Hälfte in der Gastronomie und der Veranstaltungsbranche. Die positiven Entwicklungen im Detailhandel könnten den Absatzrückgang von rund 20 Prozent in der Gastronomiesparte aber auch nicht kompensieren. Dies sagte Preisig. «Wir werden das Braujahr mit deutlich tieferen Verkäufen abschliessen.»
So geht es vielen Brauereien, wie SBV-Geschäftsführer Kreber sagte. Der Lockdown kam genau zu der Zeit, in der sie üblicherweise das beste Geschäft machen. Nämlich im April, Mai und Juni.
Die Verluste aus dieser Zeit können nun gemäss Kreber nicht mehr wettgemacht werden. Selbst wenn die Wetterbedingungen ideal und alle Gaststätten voll geöffnet sind.
Auch ausländische Brauereien profitieren
Dass der geschätzte Gesamtabsatz trotzdem nicht stärker zurückging, hängt auch mit der Zählweise des SBV zusammen. Dort wird nämlich nicht zwischen dem Verkauf von heimischen oder importierten Bieren unterschieden. «In den Läden ist der Anteil an importiertem Bier viel höher als in der Gastronomie, wo vorwiegend heimisches Bier ausgeschenkt wird.» Das erklärte Aurèle Meyer, Geschäftsführer der Appenzeller Brauerei Locher, zu deren Bieren etwa die Marken Quöllfrisch oder Vollmond gehören.
So haben vom Mehrverkauf im Detailhandel also nicht nur Schweizer Brauereien profitiert, sondern auch die Brauereien von ausländischen Importbieren. «Es wird aber ohnehin mehr Bier im Detailhandel verkauft als in der Gastronomie», sagte Meyer. Der Verkauf in den Läden hat also mehr Gewicht bei den Gesamtzahlen.
Laut SBV-Chef Kreber gibt es in der Schweiz etliche Brauereien, die einen sehr hohen Gastroanteil haben. Für sie waren die Schliessungen von Restaurants und Bars verheerend. Ein Beispiel ist die Zürcher Lokalbrauerei Turbinenbräu, deren Bier man nur in Bars und Restaurants erhält.
Niveau des letzten Sommers unantastbar
«Aus diesem Grund hat uns der Lockdown besonders stark getroffen. Wir verzeichneten während dieser Zeit einen Umsatzeinbruch von etwa 96 Prozent.» Dies sagte Geschäftsführer Adrien Weber. Die einzige Einnahmequelle war gemäss Weber der Verkauf über die Rampe, der aber nur einen geringen Anteil des Umsatzes ausmacht.
Seit der Wiedereröffnung in der Gastrobranche konnte die Brauerei das Niveau vom letzten Sommer bei weitem nicht wieder erreichen.
Turbinebräu will nicht in Detailhandel einsteigen
Wie Weber sagte: «Events wie zum Beispiel Openairs fallen schliesslich nach wie vor aus. Und auch private Feste, für die die Leute vielleicht im Rampenverkauf zehn, zwanzig Harasse Bier kaufen würden, wurden reihenweise abgesagt.» 2020 werde seine Brauerei wohl nur rund die Hälfte des Umsatzes vom Vorjahr erzielen.
Adrien Weber von Turbinenbräu möchte sein Bier dennoch auch in Zukunft nicht über den Detailhandel vertreiben. «Wir sind anders aufgestellt und wollen unser Bier weiterhin exklusiv der Gastronomie anbieten», sagte Weber. «Auch wenn wir natürlich aktuell für diese Strategie büssen.»