Wer von Mobbing betroffen ist, weiss, wie gravierend die Folgen sein können. Expertin Bea Formaz erklärt, wie man damit umgehen kann.
Frau vor Computer
Mobbing ist für die Betroffenen sehr belastend. - Pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Mobbing kann in allen Lebenssituationen auftreten.
  • Für Mobbingbetroffene hat die Situation gravierende Folgen auf die Gesundheit.
  • Die Expertin Bea Formaz erklärt im Interview, was hinter Mobbing steckt.
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Mobbing wird oft erst dann sichtbar, wenn es schon zu spät ist: Betroffene leiden unter psychischen und körperlichen Beschwerden wie Traurigkeit, Depression, Atemnot oder Entzündungen im Körper.

Das Tragische: Mobbing ist überall. «Es fängt in der Familie an, geht in der Schule weiter und setzt sich im Arbeitsleben fort», sagt die Mobbing-Expertin Bea Formaz. Sie hat sich darauf spezialisiert, in Schulen und Firmen Mobbing-Prävention anzubieten. Denn «ist man erstmal im Mobbing-Kreislauf drin, ist es schwierig daraus auszubrechen.»

Wie sich Mobbing äussert und was man dagegen tun kann, erklärt Sie im Interview mit Nau.ch:

Nau.ch: Wie definieren Sie Mobbing und welche unterschiedlichen Formen kann es annehmen?

Bea Formaz: Mobbing ist die Verletzung der Würde und Integrität eines Menschen, anhand physischer und/oder psychischer, unsichtbarer, emotionaler Gewalt. Gruppen und Situationen im Leben gibt es dafür verschiedene. Die drei wichtigsten davon sind für mich in dieser Reihenfolge: Familie, Schule, Arbeitsplatz.

Wurden Sie schon mal gemobbt?

Ich definiere Mobbing auch als circulus vitiosus narzissimus (CVN), lateinisch für Narzisstischer Teufelskreis. In der Medizin versteht man unter Circulus vitiosus einen Zustand, bei dem sich zwei oder mehrere krankhafte Zustände beziehungsweise Erkrankungen einer Person gegenseitig negativ beeinflussen. Beim Mobbing ist das der Mobbingtäter, der Narzisst, und die Mobbing-Geschädigte, die Co-Narzisstin, beide sind in einem krankhaften Zustand. Damit habe ich auch verraten, dass mehr Männer mobben und mehr Frauen gemobbt werden.

Nau.ch: Welche Auswirkungen kann Mobbing auf das Opfer haben, sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher Ebene?

Bea Formaz: Persönlich hat das vor allem seelische Auswirkungen. Mobbingopfer sind apathisch, traurig, niedergeschlagen, depressiv. Und irgendwann zeigen sich diese seelischen Schmerzen im Körper: Atemnot, Brustenge (Broken Heart), Hautprobleme (die Haut ist der Spiegel der Seele), Entzündungen verschiedenster Art. Und irgendwann kommt man nicht mehr auf die frühere Leistung. Mobbing kann auch zu einem Burnout führen, weil man besonders gut sein muss und sich überarbeitet.

Nau.ch: Welche Anzeichen deuten darauf hin, dass jemand gemobbt wird, und wie können Aussenstehende diese erkennen?

Bea Formaz: Folgende Anzeichen können auf Mobbing deuten: Wenn sich jemand zurückzieht und sich nicht äussert, wenn jemand in exzessivem Sport oder sonstiger Leistung versinkt oder müde und erschöpft wirkt.

Für Aussenstehende ist das schwierig erkennbar, da die Mobbing-Betroffenen sich nicht outen – aus Angst vor noch gröberen Mobbing-Taten. Mobber (=Narzissten) glänzen auch mit ähnlichen Symptomatiken. Das nennt sich Schuldumkehr und Opferplay, wenn sie merken, dass sie nicht so durchkommen, wie sie das gerne hätten.

Mann wird gemobbt
Beim Mobbing entsteht ein schädliches Machtgefälle. - Pexels

Oftmals sind ja Mobber im Elternhaus als Kinder Mobbing-Geschädigte gewesen, hilflos den Eltern ausgeliefert. Oder sie konnten zuschauen, wie der Mann sich selbst erhöht durch Abwertung der Frau. 80% der Männer haben narzisstische Züge, bei den Frauen sind es 20%.

Nau.ch: Welche Rolle spielen soziale Medien und das Internet beim Mobbing? Gibt es Unterschiede zwischen dem Mobbing in der virtuellen Welt und dem in der realen Welt?

Bea Formaz: Cybermobbing, das Mobbing in der digitalen Welt, ist für alle ersichtlich. Und die Mitläufer, die sogenannten Flying Monkeys, können eine Übeltat einfach liken. In der realen Welt kriegen es nur wenige der näheren Umgebung mit. Und diese checken es vielleicht nicht mal.

Nau.ch: Wie können Arbeitgeber Mobbingprävention in Unternehmen fördern und welche Massnahmen sollten ergriffen werden, um Mobbing am Arbeitsplatz zu bekämpfen?

Bea Formaz: In Meetings sollte immer wieder erwähnt werden, dass Mobbing nicht erwünscht ist und Konsequenzen hat. Das HR sollte beauftragt werden, aktiv etwas dagegen zu tun. Workshops, Teambildung und offene Kommunikation helfen ebenfalls.

Ich würde zudem jegliche «kriegerische» Wörter durch prozessorientiertere Formulierungen ersetzen. In der Kommunikation kann zum Beispiel «Bekämpfung» ersetzt werden durch «Auflösung eines Konfliktes», «Förderung des Klimas», etc.

Nau.ch: Was kann man tun, wenn man Opfer von Mobbing wird?

Bea Formaz: Man kann als Geschädigte erst etwas tun, wenn man selbst wieder auf dem Damm ist. Das ist aber ein harter Prozess, der viel mit einem selbst zu tun hat.

Ich arbeite in meinem Studio mit der Methode «Animission». Sie umfasst tanztherapeutische Ansätze, Atemtraining, prozessorientierte, psychologische Ansätze wie Emotional Freedom Tapping und Yoga mit all seinen Facetten. Dies hat auch mir geholfen, die Mobbingtaten, die ich erlebt habe, zu überleben.

Studio
Bea Formaz nutzt verschiedene Bewegungsformen und Atemtechnik, um Menschen in ihrer Mobbing-Leidensgeschichte zu unterstützen. - zVg

Hat man dann wieder genug Standhaftigkeit erlangt, um die Grenzen klar zu definieren, kann auch etwas im Miteinander getan werden. Und es wäre wichtig, dass man so schnell wie möglich die Jurisprudenz einschaltet.

Je mehr das Bewusstsein in unserer Gesellschaft gesteigert wird, umso schneller kann etwas verändert werden.

Nau.ch: Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Mobbingopfer?

Bea Formaz: In Unternehmen kommt das sehr auf das «Betriebssystem» der Organisation an. Manche packen den «Systemfehler» Mobbing proaktiv an. Seitens der behördlichen Anlaufstellen gibt es leider noch sehr wenig. Bei mir im Kanton Schwyz will zum Beispiel ein Kantonsrat durch eine Motion eine Ombudsstelle einzurichten. Eine langwierige Sache.

Gruppe von Kindern
Erleiden Kinder Mobbing in der Schule, kann das Konsequenzen bis ins Erwachsenenalter haben. - Pexels

Auch die Schulen sind sehr schlecht damit bestückt, obwohl laut Aussagen von mir bekannten Sozialarbeitern Mobbing praktisch in jeder ihrer Beratungen ein Thema ist

Leider werden Lehrpersonen oft selbst übel gemobbt. Der LCH hat im Januar eine Studie veröffentlicht, dass zwei von drei Lehrpersonen psychische Gewalt erleben. Angeschlagene Lehrpersonen können nicht mehr souverän unterrichten.

Nau.ch: Wie können Arbeitskollegen, Freunde und Familienangehörige helfen, wenn sie mitbekommen, dass jemand gemobbt wird?

Bea Formaz: Das Gefühl von Verbundenheit kann die Mobbing-Betroffenen auffangen. Dafür kann man in die Natur gehen, singen, tanzen und einfach durchatmen. Schliesslich ist es aber ein persönlicher Prozess. Mobbing-Betroffene sind sehr oft Empathen, in der Narzissmus-Theorie heissen diese Co-Narzissten, die das Leiden über sich ergehen lassen. Es ist eine Überlebensstrategie. Noch schlimmer: Manche haben sogar Verständnis dafür! Sie sagen sich: «Irgendwann ist es ja vorbei.»

So hüpfen sie aber von Mobbing-Trauma zu Mobbing-Trauma, bis sie in der Vielfältigkeit einer kPTBS (komplexe posttraumatische Belastungsstörung) stecken. Empathen (die Opfer) sind aber die einzigen, die Mobbing aufklären können. Die Narzissten (Täter) wollen ihre Rolle in diesem Drama nicht aktiv verlassen.

Ich finde die Arbeit mit dem Inneren Kind sehr wertvoll, denn dort steckt die Lösung des Mobbing-Konfliktes. Das innere Kind entsteht vom 3. Schwangerschaftsmonat an und in den ersten drei Lebensjahren. Narzissten haben das krasseste innere Kind: sie haben sich selbst von sich abgespalten.

Bea Formaz
Bea Formaz war selbst von Mobbing betroffen. Jetzt hilft sie anderen aus der Mobbingspirale. - zVg

Bea Formaz, Jahrgang 1969, MSc in Sports. Formaz ist über 30 Jahre verheiratet und hat drei Töchter. Nach einer persönlichen, heftigen Mobbing-Geschichte hat sie ihre Methode entwickelt, um sich gegen Mobbing über Wasser zu halten. Diese gibt sie in ihrem Studio in Pfäffikon/SZ anderen Betroffenen weiter. Zwischendurch taucht sie als Nixe ab.

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