Kommentar zur Organspende: I schänke dir mis Härz
Niemand denkt gerne an den eigenen Tod. Keiner will sich vorstellen, wie in diesem Augenblick Organe herausgeschnitten werden. Warum ich dennoch Spender bin.
Das Wichtigste in Kürze
- Wenn die Organe entnommen werden, muss der Körper künstlich am Leben erhalten bleiben.
- Warum ich spende? Ich gebe, weil ich auch nehmen würde.
Wenn ich dereinst sterbe, werden mindestens sieben Menschen jubeln. Nicht, weil sie mich aufs Blut hassen. Sie kennen mich gar nicht. Aber sie brauchen mich. Dringend. Denn ich bin Organspenderin.
Aktuell beinhaltet mein Bausatz eine gesunde Lunge, zwei tüchtige Nieren, eine einigermassen geschonte Leber, einmal Dünndarm, einmal Bauchspeicheldrüse und ein gutes Herz. Wenn diese Organe irgendwann in der – so hoffe ich doch – fernen Zukunft entnommen werden, wird mein Körper noch warm sein. Das Herz muss schlagen, die Zellen leben, sonst sterben meine Organe mit mir, statt andere Leben zu retten.
Der grosse Unwillen
Klar, der Gedanke an das eigene Ende ist schwer zu bewerkstelligen. Die Vorstellung, dass meine Familie noch gar nicht richtig fassen kann, dass ich nicht mehr bin, während gleichzeitig Ärzte all das aus mir herausschneiden, was mich zu einem funktionierenden Organismus gemacht hat, ebenso. Dass mein Körper dabei von Maschinen am Leben gehalten wird, obwohl mein Hirn sich längst verabschiedet hat – geht das überhaupt?
Bei all diesen Gedanken empfinde ich vor allem Unwillen. Ich will nicht sterben. Will nicht ausgenommen werden. Will an all das gar nicht denken. Und doch trage ich seit sieben Jahren einen Organspende-Ausweis mit mir herum. Jeden Tag. Auf dem Ausweis kann man entweder ein einziges, oder ganz viele Kreuzchen setzen.
Das eine besagt: KEINE Entnahme von Organen, Geweben und Zellen aus meinem Körper. Die anderen markieren jedes einzelne Organ, das man vergeben kann. Ich habe viele Kreuzchen gesetzt und über jedes einzelne lange nachgedacht.
Geben und Nehmen
Ich vertraue den Ärzten, wenn sie sagen, dass ein Hirntoter nimmer lebendig wird. Doch das ist nicht der Grund, warum ich diesen Ausweis unterschrieben habe.
Ich spende auch nicht in der absolut verkorksten Hoffnung, dass ich durch meine Organe irgendwie ein bisschen weiterlebe. Ich bin nicht meine Organe.
Ich werde dereinst spenden, weil ich mir nichts sehnlicher wünschen würde, als ein Spender-Organ, wenn einer meiner Lieblingsmenschen eines bräuchte. Ich gebe, weil ich auch nehmen würde. So einfach ist das.