Tinder-Serie: «Er sprach von Film schauen, meinte aber sein Bett»
Die Bernerin Tina* ist neu auf der Dating-Plattform von Tinder. Die 25-Jährige berichtet über ihre Dates. In der dritten Folge trifft sie den nervösen Nando*.
Das Wichtigste in Kürze
- Tina* ist 25 Jahre alt und seit Kurzem wieder Single.
- In der zweiten Folge musste sie vor einem aufdringlichen Tinder-Mann fliehen.
- Mit ihrem neuen Date Nando* gelangt Tina an einen Wendepunkt.
Am Ende der zweiten Folge floh ich aus der Wohnung von Kevin* und badete danach in einem Meer aus Tränen. Ich dachte, ich wäre bereit für die Abenteuer der Dating-Welt. Nach einer unruhigen Nacht mit wenig Schlaf habe ich ein neues Motto ausgearbeitet: Ich lasse die Dinge auf mich zukommen und nehme sie so, wie sie sind.
Mit dieser neuen Unbefangenheit und vier Bier mache ich mich wenige Tage später auf den Weg zu meinem nächsten Date. Nando* wartet bereits am vereinbarten Treffpunkt in der Berner Innenstadt. Gut hat er mir noch geschrieben, welche Kleidung er trägt. Wie soll man einen fremden Mann erkennen, wenn er auch noch eine Maske trägt? An dieser Stelle ein dickes fettes «F**k you» ans Coronavirus.
Geplapper gegen die Anspannung
Nando trägt eine weinrote Hose, braune Lederschuhe und einen blauen Mantel. Sein blondes Haar ist zerzaust und er blickt nervös von links nach rechts. Auch ich bin wieder kribbelig. Aber die Situation ist nicht zu vergleichen mit der Aufregung bei meinem ersten Date. Wir begrüssen uns mit einer kurzen Umarmung, wobei ich fast vom Boden abheben muss, weil Nando so gross ist.
Die Atmosphäre ist angespannt. Ich plappere vor mich hin. Denn es gibt nichts Schlimmeres als diese peinlichen Momente der Stille. Nach einem kurzen Spaziergang und einer Flasche Bier taut Nando plötzlich auf. Wir unterhalten uns über unsere Jobs und unsere Hobbys. Was man halt so bespricht mit einem fremden Menschen.
Mit jedem Bier verstehen wir uns besser. Wir lachen. Hin und wieder gibt es eine flüchtige Berührung. Nach fünf Runden ist dann genug des Biers, und Nando begleitet mich – ganz der Gentleman – zum Bahnhof. Wir einigen uns auf ein zweites Treffen. Mit einem Lächeln steige ich in den Zug ein. Mein neues Motto verleiht mir ein Gefühl der Lockerheit.
Die Masche mit dem Kochen
Eine Woche später stehe ich wieder vor ihm. Alles ist wie beim ersten Date, nur dass er diesmal das Bier mitgebracht hat. Wir schlendern zu einem der schönsten Orte in Bern – die Münsterplattform. In der Abenddämmerung lassen wir den Alkohol wirken, erfreuen uns am Anblick der beleuchteten Stadt und albern herum. Es ist abgemacht, dass wir anschliessend in seiner Studenten-WG gemeinsam etwas kochen werden.
Zum zweiten Mal stehe ich nun in der Küche eines Fremden. Und langsam dämmert es mir. «Lass uns gemeinsam was kochen» dient in der Dating-Welt als Synonym für «Schön, du bist schon mal bei mir zu Hause». Und die Strecke Küche – Bett ist meist nicht allzu gross. Ich habe die Koch-Masche durchschaut. Aber es ist mir recht. Denn schliesslich will ich mit Nando diese Strecke gehen.
Das Abendessen ist lecker, ich durfte mir im Voraus sogar eines von drei Menüs aussuchen. Da Nando weiss, dass ich eine Kaffee-Liebhaberin bin, tischt er mir die besten Kaffeebohnen auf. Und damit sind wir auch bereits bei der zweiten Masche angelangt: «Magst du dir noch einen Film ansehen?»
Da geht und steht gar nichts mehr
Im Tinder-Jargon heisst «Film ansehen» so viel wie «Lass uns zusammen schlafen». So verziehen sich Nando und ich in seinem Zimmer, schalten den TV ein und sehen uns einen wirklich guten Film an. Schade nur, dass ich ihn mir später noch einmal von vorne anschauen muss. Denn nach einer Viertelstunde standen die Zeichen auf Fummeln. Müsste ich den Film bewerten, würde ich 10 von 10 Punkten vergeben.
Ganz anders sieht es bei den Kuss-Fähigkeiten von Nando aus. Gut gemeinte 2 von 10 Punkten, mehr kann ich wirklich nicht geben. Und besser wird es leider nicht. Das Niveau bleibt konstant tief, bis zum Höhepunkt. Obwohl von «Höhepunkt» keine Rede sein kann: Nando hält plötzlich inne und sieht mir tief in die Augen. «Es tut mir leid, aber ich bin einfach zu nervös.»
Meine Libido funkt «We have a problem» ans Grosshirn, während ich mich wieder anziehe. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie peinlich dies für Nando, «den Nervösen», sein muss. Aber auch für mich bleibt dieser Fauxpas nicht sonderlich angenehm. «Wenn du willst, kannst du die Nacht auch hier verbringen.» Nettes Angebot, aber nein, danke. Ich schnappe mir meine Sachen, eile aus der Wohnung.
Der richtige Weg
Am nächsten Tag leuchtet eine Nachricht von Nando auf meinem Handy auf: «Ich würde dich wirklich gerne besser kennenlernen. Das gestern Abend war nicht der richtige Weg. Bist du bereit mit mir den richtigen Weg zu finden?» Ich lehne dankend ab. An der fehlenden Harmonie wird auch ein langer, steiniger Weg nichts ändern.
Lieber Nando, bitte bleib weiterhin ein zuvorkommender Gentleman. Aber nimm dir beim Küssen ein anderes Vorbild als deine Waschmaschine beim Vollwaschgang!
Wie mich der nächste Tinder-Mann Patrick* direkt in seinen Bann zieht, erfahrt ihr morgen in Folge 4. Selbe Zeit, selber Ort.
*Die Namen sind zur Verfremdung der Personen abgeändert.
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