Tinder-Tina: Jedes Wort könnte den Bindungs-Ängstling wegtreiben
Das Wichtigste in Kürze
- Tina* ist 25 Jahre alt und seit einigen Monaten wieder single.
- Samstags und sonntags spricht sie über ihre neusten Abenteuer.
- Tina gestand Fabio ihre Gefühle. Jetzt muss er Farbe bekennen.
- PS: Beim Daten nimmt Tina natürlich auf die geltenden Corona-Massnahmen Rücksicht.
Ein scheues Reh steht auf einer Lichtung im Wald. Ich beobachte es mit Argusaugen. Jedes Blinzeln von mir könnte eine Bewegung zu viel sein. Und zack – verschwindet das anmutige Tier wieder im dichten Gehölz.
In etwa so fühlt sich die Situation mit Fabio derzeit an. Jedes meiner Worte könnte den von Bindungsangst geplagten Schönling von mir wegtreiben. Wieder einmal bin ich auf dem Weg nach Thun. Schneeregen peitscht gegen die Windschutzscheibe meines Autos, als ich die Autobahn verlasse.
Auf dem falschen Fuss erwischt
«Ich dachte, wir könnten noch eine kleine Ausfahrt machen», hat Fabio vorgeschlagen. In schwarze Trainerhosen, Converse und in eine dicke Winterjacke gekleidet, steigt er zu mir ins Auto. Sein vertrauter Geruch umgarnt meine Nase, als ich ihn umarme. «Schnall dich an. Safety first», weise ich ihn an, als ich den Motor starte.
Fabio lotst mich nach Spiez. Ich parke mein Auto beim Seeufer, wir steigen aus und setzen uns auf eine Parkbank direkt am Wasser. «Wir haben ja noch was zu besprechen», sagt er zögerlich. Und ob wir das haben, denke ich mir. Ich schweige in der Hoffnung, dass Fabio die Stille unangenehm wird. Und es klappt.
«Du hast mich mit deinem Geständnis auf dem falschen Fuss erwischt», gesteht er mir. Dennoch sei es wichtig gewesen, die Sache anzusprechen. Fabio erklärt mir, dass er mich nicht verletzen will. Dass er aber viel Zeit brauche, um sich auf jemanden einzulassen. «Ich bin ein kaputter Typ, was Gefühle angeht. Das weiss ich», sagt er und schaut mir dabei direkt in die Augen. «Vermutlich werde ich eines Tages alleine sterben.»
«Hattest du jemals eine richtige Beziehung», will ich wissen. Es habe da jemanden gegeben, erklärt er mir. Das Ganze dauerte zwei Jahre. Gesehen habe man sich ein- oder zweimal die Woche. Ab und an gab es ein gemeinsames verlängertes Wochenende, aber keine Ferien zusammen. «Ich weiss, dass das keine richtige Beziehung war.»
Klingt für mich irgendwie, als wolle er nur die körperlichen Anteile einer Beziehung. «Geht's hier nur um Sex?», will ich von ihm wissen. «Wenn es so wäre, dann würden wir jetzt nicht hier sitzen. Ich mag dich wirklich. Das habe ich vorhin wieder realisiert, als ich mich ins Auto gesetzt habe.» Eine Stunde ist vergangen, wir haben beide kalt und sind durchnässt. Ein willkommener Grund, uns auf den Rückweg zu Fabios Wohnung zu machen.
Sag bitte einfach Ja!
Dort angekommen, bin ich unsicher. Ich weiss, dass ich lieber zu mir nach Hause fahren sollte. «Es wäre wohl besser. Aber ich will dich nicht gehen lassen», sagt Fabio. Zehn Minuten sitzen wir im Wagen. Keiner von uns weiss, was er tun soll. Da morgen noch genug Zeit ist, um vernünftig zu bleiben, ziehe ich den Schlüssel, steige aus und gehe Fabio voraus zum Hauseingang.
Mit einem warmen Tee setzen wir uns auf sein Bett und sprechen weiter. «Ich will nicht, dass wir uns nicht mehr sehen», sagt Fabio. Ich spüre, dass ich ihm etwas bedeute. Wieso nur kann er seine Gefühle nicht zulassen? «Wir könnten es einfach versuchen», nuschle ich in seine Schulter. Ich spüre sein Lachen. «Es ist schon spät. Wenn du morgen immer noch so denkst, dann schauen wir weiter. Lass uns schlafen gehen», schlägt Fabio vor.
In dieser Nacht bin ich es, die sich fest an ihn klammert. Der Wecker reisst mich aus dem Schlaf. «Lass uns morgen schauen», sagte er gestern Abend. Im Halbschlaf kuschle ich mich an Fabio. «Lass es uns versuchen», nuschle ich. Fabio schmunzelt, schmiegt sich an mich, bleibt aber still.
«Es ist ganz einfach. Du musst nur Ja sagen», scherze ich. Wieder spüre ich sein verlegenes Schmunzeln an meiner Schulter. «Ich muss unter die Dusche», sagt er und löst sich langsam von mir. Während er im Bad ist, ziehe ich mich an. Ich husche nach ihm kurz ins Bad und mache das Bett, als ich zurückkomme. Als ich fertig bin, kehrt Fabio aus der Küche zurück.
Zwischendinger sind unmöglich
Er tritt vor mich und nimmt mich in den Arm. Ich weiss nicht, wie lange wir so in seinem Zimmer stehen. Zwei Minuten? Oder vielleicht waren es zehn? Als er sich von mir löst, bedeckt er mein Gesicht mit Küssen. Und ich bin mir sicher: Das ist ein Abschied. Wir beide wissen, dass diese Sache keine Zukunft hat. Daran ändern auch unsere Gefühle nichts.
Gemeinsam verlassen wir die Wohnung. Fabio wieder einmal in Eile, um den Bus noch zu erwischen. «Pass auf dich auf!» sind meine letzten Worte an ihn. «Du auch! Kein Scheiss» sind seine. Und dann hastet er die Treppe nach unten.
Als ich die Haustür öffne und auf die Strasse trete, raubt mir die kalte Morgenluft den Atem. Ich steige in mein Auto, starte den Motor und meine Lieblingsplaylist. Während es dämmert, fahre ich auf die Autobahn auf. Die Scheibenwischer kämpfen im Takt gegen den Schneeregen an, während mir Tränen über die Wangen kullern.
Und da verstehe ich es: Bei mir gibt es keinen goldenen Mittelweg. Ganz oder gar nicht. Was ich nun brauche: viel Zeit. Zeit, um Fabio zu vergessen.
Gratis Tipp an alle: Meidet bei Seelenschmerz eure Lieblingsplaylist. Ihr kontaminiert damit jeden einzelnen Song.
Was denkst Du über das Ende zwischen Tina und Fabio?
Wie es nach dem Herzschmerz für Tina weiter geht, lest ihr in Staffel 2 – Folge 6. Das könnt ihr morgen tun. Selbe Zeit, selber Ort.
*Die Namen sind zur Verfremdung der Personen abgeändert.
Bisher in der zweiten Staffel erschienen:
Folge 1 – «Im Solbad stehe ich davor, den Verstand zu verlieren»
Folge 2 – «Nicht jammern, du musst ja nicht alleine schlafen!»
Folge 4 – «Mit jedem Date entwickeln sich bei mir mehr Gefühle …»