Auf Keramik-Tour im deutschen Kannenbäckerland

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Krüge und Töpfe, Teller und Tassen, alle mit grau-blauem Dekor: Unverwechselbares Kennzeichen des Kannenbäckerland im deutschen Westerwald.

Keramik Töpferei Becher blau-grau Westerwald
In den Ofen beigegebenes Kochsalz sorgt für die typische Optik der Tonwaren aus dem Kannenbäckerland. - Bernd Meier/dpa-tmn

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Westerwaldkreis in Deutschland ist seit dem 16. Jahrhundert für seine Keramik bekannt.
  • Buchenholz und Kochsalz sind, samt Ton, wichtige Zutaten für die grau-blaue Töpferware.
  • Der hochwertige Westerwälder Ton wird heute auch in italienischen Produkten verarbeitet.

Klatsch! Der kleine Tonklumpen gibt ein sattes Geräusch von sich, als Sigerd Böhmer ihn auf die Töpferscheibe wirft. Mit viel Fingerspitzengefühl formt der 59-Jährige aus dem unscheinbaren Klumpen schnell ein bauchiges Gefäss.

«Pfeffer- und Salzstreuer sind heute auf der Scheibe», erzählt der Töpfer den Besuchern seiner Keramikwerkstatt.

Das Töpferatelier in Höhr-Grenzhausen hat er gemeinsam mit seiner Frau Charlotte in den 1990er-Jahren in einer leerstehenden Werkstatt aufgebaut.

Die Stadt befindet sich im Westerwaldkreis in Rheinland-Pfalz im Südwesten Deutschlands. Die Region ist seit dem 16. Jahrhundert für ihre Keramik-Tradition bekannt.

Steingutkrüge für den Apfelwein

Besucher aus aller Welt kommen dorthin. Und zu den Böhmers. Wegen ihrer kunstvoll bemalten Töpferwaren und wegen des Industriedenkmals nebenan. Denn in der Werkstatt des Ateliers befindet sich einer der grössten noch erhaltenen Kann-Öfen der Region, Baujahr 1870.

«Mit Briketts wurde der riesige Brennofen langsam angeheizt, dann mit Buchenholz weiter befeuert bei über 1200 Grad Celsius. 50 Stunden dauerte der Brand. 300 Kilogramm Kochsalz wurde beigegeben, um so die typischen grau-blauen, salzglasierten Haushaltsgefässe zu bekommen», erklärt Töpfer Böhmer.

Mann Töpfern Werkstatt Ton
Sigerd Böhmer bei der Arbeit in seiner Keramikwerkstatt. - Bernd Meier/dpa-tmn

Teller und Tassen, Töpfe, Flaschen, Kannen, Brotkörbe und Bierhumpen entstehen aus dem hochwertigen Ton, der nur wenige Kilometer entfernt gewonnen wird. Auch die bauchigen «Ebbelwoibembel», Steingutkrüge für den Frankfurter Apfelwein, werden auf diese Weise gebrannt.

Ende des 18. Jahrhunderts bekommt die Region im Westerwald um Höhr-Grenzhausen, Hillscheid, Ransbach-Baumbach und Siershahn den bezeichnenden Namen Kannenbäckerland.

Künstlerische Objekte lösen alte Tradition ab

Weniger traditionell geht es in der ehemaligen Steinzeugmanufaktur Merkelbach in Höhr-Grenzhausen zu. Zwölf Designer und Keramikerinnen haben dort ihre Ateliers und Ausstellungsräume eingerichtet.

Mit dem Namen Kannenbäckerland können die meisten im Merkelbachhof nur wenig anfangen. «Wir schaffen künstlerische Objekte aus Ton, Henkelkrüge sind nicht unser Ding», sagt Keramiker Andreas Hinder (58). Seine Spezialität sind Tierplastiken aus Ton.

Dorf Fachwerk Fluss weiss grün Gärten  Idylle
Höhr-Grenzhausen ist eine idyllische Kleinstadt mit grosser Keramiktradition. - Bernd Meier/dpa-tmn

Nahezu alle Designer und Keramiker hatten zuvor die Keramikfachschule in Höhr-Grenzhausen besucht, und sind in der beschaulichen Kleinstadt hängen geblieben.

«Hier ist das Zentrum der Keramik in Deutschland mit Schule, Hochschule, Instituten und Forschungseinrichtungen», sagt Susanne Altzweig (62) von der Keramikgruppe Höhr-Grenzhausen.

In den Ateliers sind Gäste willkommen, einige Keramiker bieten Töpfer-Workshops an. Besucher sollten sich jedoch vorher über die Öffnungszeiten informieren. Denn an manchen Wochenenden reisen die Keramiker zu Märkten.

Das weisse Gold des Westerwaldes

Westerwälder Ton wird heute rund um die Orte Boden, Mogendorf, Meudt, Moschheim und Ruppach-Goldhausen gefördert. Das erfahren die Besucher im Tonbergbaumuseum Siershahn. Im Mittelpunkt des Museums steht die Schachtanlage «Gute Hoffnung», in der noch bis 1979 Ton gefördert wurde. Sie ist das letzte Zeugnis des unterirdischen Tonabbaues.

«Heute kommt der Ton ausschliesslich aus Tagebaugruben, etwa vier Millionen Tonnen sind es pro Jahr», sagt Peter Noll (67). Der pensionierte Keramikingenieur betreut mit Ehrenamtlern das Museum rund um das weisse Gold des Westerwaldes, wie sie den hochwertigen hellen Ton hier voller Stolz nennen.

Tagebau Ton rot gelb grau
Die Tongrube Meudt ist eine von mehr als 70 Abbaustätten im Westerwald. - Bernd Meier/dpa-tmn

Wer im Kannenbäckerland unterwegs ist, dem wird klar: Ton ist nicht gleich Ton. Mehr als 250 verschiedene Sorten können in einer Tongrube stecken – mit weisser, roter und schwarzer Färbung. Hochtechnisierte Mischanlagen an den Gruben produzieren den Tonmix für die verschiedenen Anwendungen.

Nur einen Teil der Fördermenge verarbeiten die Keramiker und die Keramikindustrie im Westerwald selbst. Auch in italienischen Fliesen, Ziegelsteinen und Bad-Keramik ist Westerwälder Ton enthalten

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