Nordsee im Winter: Auf die Sterneninsel Spiekeroog
Sterneninsel: So darf sich seit August die Nordseeinsel Spiekeroog nennen. Denn die Lichtverschmutzung ist gering und der Sternenhimmel besonders gut zu sehen.
Das Wichtigste in Kürze
- «Sterneninsel»: So heissen seit August 2021 die Nordsee-Inseln Pellworm und Spiekeroog.
- An bestimmten Plätzen lässt sich nachts der Sternenhimmel ganz besonders gut beobachten.
- Das liegt an der Dunkelheit: Sie ist hier so intensiv wie nur im australischen Outback.
Wer in diesen Tagen die kleine Ostfriesische Insel Spiekeroog besucht, sieht tagsüber wintervermummte Gestalten.
Sie geniessen die Weite des Strandes oder umrunden die Alte Inselkirche von 1696. In späteren Stunden wird es dann ganz ruhig. Das Nachtleben war noch nie ein Grund, nach Spiekeroog zu fahren.
Seit ein paar Wochen lassen sich nachts allerdings ungewohnte Aktivitäten beobachten. Sternenfreunde, ausgestattet mit Spektiv und Fernglas, steuern die Dünenlandschaft im Norden und Osten des Dorfes an.
Seit die International Dark-Sky Association (IDA) Spiekeroog im August 2021 zusammen mit Pellworm zur Sterneninsel ernannt hat, haben Profi- und Laien-Astronomen ein neues Ziel.
Sehenswürdigkeiten am Nachthimmel
Es gibt nicht viele Orte in Deutschland, an denen es so wenig künstliches Licht und damit so wenig Lichtverschmutzung gibt wie auf Spiekeroog. Hier lässt sich der nächtliche Sternenhimmel daher besonders gut beobachten, vor allem im Frühling und Herbst.
Drei sogenannte Himmelsbeobachtungsplätze wurden auf der Insel eingerichtet: ein «Lichtort», ein «Dunkelort» und ein «Sternenkieker-Ort».
Der «Lichtort» liegt auf einer 18 Meter hohen Aussichtsdüne. Nach Einbruch der Dunkelheit sieht man hier allerlei.
Im Norden die Positionslichter der Schiffe auf der Nordsee, im Osten das Licht des Leuchtturms von Wangerooge und im Süden die rot blinkenden Warnlichter der Windkraftanlagen auf dem Festland und die Lichtglocke über Wilhelmshaven.
Sehr viel künstliches Licht also, dessen negative Auswirkungen auf einer Infotafel beschrieben werden.
So können zum Beispiel Zugvögel, die sich am Sternenhimmel orientieren, von ihren Flugrouten abgelenkt werden. Für nachtaktive Insekten werden die künstlichen Lichtquellen zu Todesfallen.
Blicke tief hinein ins All
Nur ein paar Schritte weiter nördlich, beim «Dunkelort» in einem Dünental, folgt das Kontrastprogramm: Legt der Sternenfreund hier den Kopf in den Nacken, schaut er «tief hinein ins All», sagt Swaantje Fock, die Leiterin des Nationalpark-Hauses auf Spiekeroog.
Wenn nicht gerade eine Wolkendecke den Blick verstellt oder der späte Mond sein Licht streut, präsentiert sich das Band der Milchstrasse in ungewohnter Pracht.
Wer diesen Anblick lieber im Liegen geniessen möchte, sollte weiter östlich den strandnahen «Sternenkieker-Ort» aufsuchen. Von zwei Holzliegen aus lässt sich entspannt ein Sternenhimmel studieren.
Was uns die Dunkelheit lehren kann
Die Anerkennung als Sterneninsel ist für Swaantje Fock eine willkommene Gelegenheit, das Thema Dunkelheit von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Die 48-Jährige feilt nun an einem Programm für Gruppen.
Schon im kommenden Frühjahr sollen auch Sternenführungen für Einzelreisende angeboten werden.
Um sich auf diese Aufgabe vorzubereiten, hat sich an einem tristen November-Wochenende eine Gruppe von Gästeführern bei einem Seminar mit den Besonderheiten des Sternenhimmels über Spiekeroog vertraut gemacht.
Der Referent war kein Geringerer als Andreas Hänel. Der Osnabrücker Astronom ist so etwas wie der Vater der Sternenparks in Deutschland.
Lichtverschmutzung ist für ihn eine Art Lebensthema. Bis vor zweieinhalb Jahren leitete er noch das Planetarium in Osnabrück, nun ist der Rentner eine Art Reisender in Sachen Sternenparks.
Eine überraschende Entdeckung
Hänel war es auch, der im April 2019 am Strand und in den Dünen von Spiekeroog die Dunkelheit gemessen hat. Der Wert, der dabei herauskam, hat selbst ihn überrascht.
Eine solche Dunkelheit messe man sonst nur an Orten wie dem australischen Outback.
Bei der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, den Touristikern vor Ort und in der Gemeinde fand Hänel weitere Mitstreiter.
Lampen, die nicht umgerüstet werden konnten, wurden erneuert. Grossbauten gibt es auf Spiekeroog nicht. Und der Hafen liegt auf der Südseite, weit weg von den Himmelsbeobachtungsplätzen.
Nun hoffen die Sterne-Aktivisten, dass alle Inselbewohner mitziehen. Ein Flyer wirbt für eine umweltfreundliche Beleuchtung an Privathäusern.
Für Sternenfreunde muss dann nur noch das Wetter passen. Ob die Beobachtung gelingt, bleibt Glückssache.