Warum es Kanadas Skigebiete ohne Schweizer nicht gäbe
Die Orte Banff, Lake Louise und Whistler kennen wohl die meisten Skifans. Aber noch eine andere Sehnsucht treibt europäische Skifahrer nach Kanada.
Das Wichtigste in Kürze
- Kanada ist das zweitgrösste Land der Erde und ein Paradies für Skifahrer und Snowboarder.
- Viele der abgelegenen Skigebiete wurden ab dem 19. Jahrhundert von Europäern erschlossen.
- Ein besonderes und exklusives Highlight für heutige Besucher ist das Heliskiing.
Das kanadische Whistler-Blackcomb ist das grösste Skigebiet Nordamerikas und Lake Louise die Wiege des kanadischen Ski-Tourismus. Fast 800 Kilometer trennen die beiden Orte.
Der gigantische Ski-Kosmos von Whistler liegt nördlich von Vancouver. Lake Louise ist eines von inzwischen drei Skigebieten im Banff Nationalpark.
Eines haben die Orte trotz ihrer Entfernung gemein: Sie haben massgeblich dazu beigetragen, dass das zweitgrösste Land der Erde zum gelobten Land für Skifahrer und Snowboarder wurde. Aber es gibt noch andere Gründe.
Das einzigartige Kanada-Erlebnis von fast menschenleerer weisser Wildnis bieten vor allem abgelegene Lodges, von denen Wintersportler mit Hubschraubern auf einsame Gipfel geflogen werden.
Viele dieser Lodges wurden von Pionieren aus Europa gegründet, die nach Banff ausgewandert sind.
Dorthin strömten Ende des 19. Jahrhunderts Gastarbeiter für den Bau einer 4466 Kilometer langen Bahnlinie. Sie sollte die Pazifik- mit der Atlantikküste verbinden.
Einige der von der Canadian Pacific Railway angeheuerten Arbeiter waren Bergführer, die den gefährlichen Gleisbau durch die bis dato schier unüberwindlichen Rocky Mountains absichern sollten.
In ihrer Freizeit gingen sie zunächst im freien Gelände Skifahren, bevor sie 1926 in die dichten Wälder oberhalb von Banff Schneisen für erste Pisten und einen einfachen Lift schlugen.
Nationalpark wird schnell zur Touristenattraktion
Als die zweite Generation von Skipionieren nach dem Zweiten Weltkrieg nach Banff strömte, war der Nationalpark schon eine Touristenattraktion.
Es waren Österreicher wie Hans Gmoser und Mike Wiegele sowie die Schweizer Rudi Gertsch, Peter Schlunegger und viele weitere.
Sie gründeten Skischulen im neuen Skigebiet Lake Louise, trainierten Skirennläufer und führten Tourenskifahrer auf abgelegene Gipfel.
Die schönsten Tiefschneehänge in den gigantischen Rocky Mountains rund um Banff aber lagen für Normalsterbliche selbst mit stundenlangen, kräftezehrenden Anstiegen viel zu weit weg.
«Schöne Orte sind eben schwer erreichbar», stellte Gmoser einmal fest. Und deshalb griff er Mitte der 1960er-Jahre die Idee auf, Skifahrer mit einem Hubschrauber auf einsame Gipfel zu fliegen, um von dort abzufahren.
Umweltschutzbedenken gab es damals noch nicht – bald schon boomte das von Gmoser erfundene Heliskiing-Geschäft.
Mit seiner Firma Canadian Mountain Holidays (CMH) baute Gmoser im Bugaboos Massiv südwestlich von Banff in der Provinz British Columbia (BC) die erste Heliski-Lodge der Welt.
Zu Gmosers ersten Guides gehörten auch Wiegele, Gertsch und Schlunegger, die sich später mit eigenen Heliski-Lodges selbstständig machten.
Gigantische Schneemengen von 20 Metern pro Jahr
Berühmt wurde vor allem Mike Wiegele, der in Blue River das grösste Heliskidorf der Welt gründete.
Die Heliski-Pioniere rund um die verstorbenen Antreiber Gmoser und Wiegele, die in die kanadische «Ski Hall of Fame» aufgenommen wurden, blieben im zentralen BC.
Erst die nächste Generation wagte sich in die Coast Mountains an der Pazifikküste nördlich von Vancouver vor.
Das Wetter dort ist wegen der Nähe zum Ozean unbeständiger, dafür sind die Schneemengen mit mehr als 20 Metern pro Jahr noch gigantischer und die Gebirgszüge noch beeindruckender.
Die Berge wirken dort noch grösser, die Lodges aber sind eher kleiner als die im zentralen BC.
Als «Boutique Heliskiing» preisen Reiseveranstalter die charmanten Blockhütten an, von denen aus meist mit kleineren Hubschraubern und in überschaubaren Gruppen von bis zu fünf Gästen geflogen wird.
Mit George Rosset war wieder ein ausgewanderter Schweizer der Ideengeber für diese Art des kleinen und feinen Heliskiings.
Mit Partnern startete er erst mit der Tyax-Lodge bei Whistler, um dann Last Frontier Heliskiing mit zwei Lodges hoch im Norden an der Grenze zu Alaska zu gründen.
Der Hubschrauber startet direkt vor dem Hotel
Alle paar Jahre eröffnen neue Boutique-Heliski-Lodges in den unzugänglichen Coast Mountains. Die jüngste ist die Northern Escape Mountain Lodge in der Nähe von Terrace.
Besitzer John Forrest hat sich mit dem oberhalb eines Sees gelegenen Ski-Chalet am Rande der Skeena Mountains einen Traum erfüllt. Seinen Gästen erfüllt er Tag für Tag ihrer Träume vom kanadischen Winter-Wonderland.
Der Hubschrauber steht bei ihm direkt vor der Lodge. «Besser geht’s nicht», schwärmt Forrest.
Der Transfer mit dem fliegenden Lift zur ersten Abfahrt dauert nur Minuten. Zentimetergenau setzt der aus der Nähe von Stuttgart stammende Helipilot David Hiltenkamp die Maschine auf ein winziges Gipfelplateau.
Forrest öffnet die Tür, dann klettern seine fünf Gäste raus. «Aus dem Heli springt hier keiner, das gibt es nur bei James Bond», sagt Forrest schmunzelnd.
Neben der Kanzel zusammengekauert warten die Skifahrer, bis die Maschine abhebt und Richtung Tal verschwindet.
Nach wenigen Sekunden herrscht absolute Stille. Ergriffen von der majestätischen Bergwelt um sie herum schauen die Skifahrer über die Bergketten, bei denen sich Gipfel an Gipfel reiht.
Der nächste grössere Ort ist Hunderte Kilometer entfernt. Im hohen Nordwesten Kanadas gibt es Heliskiareale, die fast so gross sind wie die Schweizer Hochalpen.
Während dort oft Hunderttausende Skifahrer auf den Pisten unterwegs sind, sind es bei Northern Escape ein paar Handvoll. Wenn das Wetter mitspielt, fahren sie ausschliesslich Tiefschnee.
«Das ist die Faszination Heliskiing», sagt Forrest. Der Spass hat seinen Preis: Rund 10´000 Schweizer Franken muss man für eine Woche rechnen. Nicht billig, aber exklusiv.