Pferde verstehen mehr als Mensch denkt
Forscher haben in etlichen Studien erstaunliche Fähigkeiten von Pferden herausgefunden. Die Tiere können sogar Gesichtsausdrücke von Menschen interpretieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Pferde sind intelligente Tiere.
- Sie können die Mimik eines Menschen richtig interpretieren.
- Auch nehmen sie die innere Verfassung des Reiters auf ihrem Rücken wahr.
(dpa/tmn) - Pferde haben Angst vor Pfützen, offenen Regenschirmen, Gebüschen und Kinderwagen. Sie erschrecken zudem vor Dingen, die es scheinbar gar nicht gibt.
Und ihr Gehirn ist im Verhältnis zu Körpergrösse eher klein. Es ist also kein Wunder, dass diese Tiere lange Zeit für nicht sonderlich schlau gehalten wurden.
Doch ist das wirklich so? Forscher untersuchten das inzwischen genauer – mit erstaunlichen Ergebnissen.
Intelligente Tiere
«Pferde sind hoch entwickelte Wesen, die auch Abstraktes lernen können und eine sehr feine Wahrnehmung haben», bringt es Pferdewissenschaftlerin Vivian Gabor aus dem niedersächsischen Greene auf den Punkt.
Die Wahrnehmung von Pferden ist zwar fein, aber anders als unsere – das ist die Ursache vieler Missverständnisse. Das Tier reagiert auf etwas, was der Mensch gar nicht wahrnimmt und wird dafür als «blöd» eingestuft.
So haben Pferde alleine durch die Anordnung ihrer grossen Augen an den Seiten des Kopfes einen völlig anderen Blick auf die Welt – nämlich fast einen Rundumblick.
Entfernungen sind für die Tiere schwer abzuschätzen
Dreidimensional sehen sie jedoch nur einen relativ kleinen Bereich, sie können daher grösstenteils schlecht Entfernungen abschätzen.
Wenn ein Pferd etwas erblickt, das aus seiner Sicht gefährlich werden könnte, rennt es als geborenes Fluchttier sofort weg. Sehr zur Überraschung seines Reiters, der gar nichts gesehen hat.
«Pferde sind einfach unglaublich schnell und nicht blöd», so Gabor.
Erschreckend für ein Pferd sei etwa alles, was sich auf dem Boden bewege. Und noch schlimmer: Bewegungen von schräg hinten.
Die Fachfrau rät Reitern und Pferdehaltern, solche Situationen gezielt in einem sicheren Umfeld wie der Reithalle zu trainieren – zunächst mit einem geringen Reiz, der sich dann steigere.
In angsteinflössenden Situationen hilft es auch, wenn das Pferd von einem vorangehenden Artgenossen begleitet wird, empfiehlt die Pferdeforscherin Prof. Kathrin Schütz. Allerdings sei nicht jeder dazu geeignet.
«Das Führpferd muss auf jeden Fall ranghöher sein, ansonsten hat es keine Vorbildfunktion», sagt sie. Generell gelte, dass sich die Youngster von älteren Pferden etwas abschauten.
Als Tiere, die hauptsächlich via Körpersprache kommunizieren, bekommen Pferde auch viel von Menschen mit, was diesen meist gar nicht bewusst ist: ihre Gestik und Mimik.
Ein Beispiel hierfür ist der «Kluge Hans». Der Hengst konnte zwar nicht rechnen und zählen, wie Anfang des 20. Jahrhunderts geglaubt wurde. Doch er konnte kleine Signale in der Mimik seines menschlichen Lehrers exakt interpretieren.
«Daran erkannte er, wann er mit dem Hufeklopfen aufhören konnte», so Prof. Schütz.
Bewusst mit eigener Körpersprache umgehen
Im Umgang mit Pferden sollte daher bewusst mit der eigenen Körpersprache und Energie umgegangen werden, rät Expertin Gabor. So vermittelt etwa ein Schlendern mit hängenden Schultern den Pferden einen entspannten Eindruck.
Wie sehr Pferde auch auf die innere Verfassung des Reiters auf ihrem Rücken reagieren, den sie logischerweise kaum sehen können, wurde bei einem Experiment deutlich.
Dabei wurde Reitern mitgeteilt, gleich gehe zu Studienzwecken ein Regenschirm auf, dann werde noch Wasser gespritzt – ihr Pferd werde sich also erschrecken.
Die Forscher überprüften die Herzfrequenz von Pferd und Reiter. Ging beim Menschen in Anbetracht der angekündigten Massnahmen der Puls hoch, folgte sogleich der des Tieres.
«Dabei waren weder Schirm noch Wasser in Sicht. Die Forscher hatten es bei der blossen Ankündigung belassen», berichtet Prof. Schütz.
In einer weiteren Studie wurde den Pferden beigebracht, die Bedeutung von Symbolen zu verstehen.
Auf einer Anzeigetafel wurden ihnen drei Symbole angeboten. Eines bedeutete «Decke an», das andere «Decke aus», das dritte «keine Veränderung».
Dabei passten laut Schütz die angegebenen Wünsche der speziell für die Studie ausgebildeten Pferde zum Wetter: Bei Sonnenschein wollten sie keine Decke auf dem Rücken, bei schlechtem Wetter berührten sie das Symbol für «Decke an».
Das weit verbreitete Klopfen mögen Pferde gar nicht
Doch wie lernen Pferde? Hierzu gibt es laut Gabor verschiedene Herangehensweisen: Man kann die Pferde mit der Stimme loben, sie kraulen, einen zuvor aufgebauten Druck wegnehmen oder ihnen Leckerli geben. Das weit verbreitete Klopfen mögen diese Tiere hingegen gar nicht.
Eine weitere Fähigkeit von Pferden: Sie holen sich Hilfe von Menschen.
In einem Experiment wurde vor den Augen der Tiere, jedoch für sie unerreichbar, ihr jeweiliges Lieblingsfutter in einem Eimer versteckt.
Alle Pferde forderten Menschen zur Beschaffung der Karotten oder Äpfel auf, indem sie demonstrativ in Richtung des Eimers ihren Kopf streckten, diesen schüttelten oder damit nickten.